Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach, J. Neukirch, C. Dinkel, I. Karle

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2. Sonntag nach Epiphanias, 14. Januar 2007
Predigt zu Markus 2, 18-22, verfaßt von Bert Hitzegrad
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)


Predigttext:
Die Jünger des Johannes und die Pharisäer fasteten viel; und es kamen einige, die sprachen zu ihm: Warum fasten die Jünger des Johannes und die Jünger der Pharisäer, und deine Jünger fasten nicht?
Und Jesus sprach zu ihnen: Wie können die Hochzeitsgäste fasten, während der Bräutigam bei ihnen ist? Solange der Bräutigam bei ihnen ist, können sie nicht fasten.
Es wird aber die Zeit kommen, dass der Bräutigam von ihnen genommen wird; dann werden sie fasten, an jenem Tage.
Niemand flickt einen Lappen von neuem Tuch auf ein altes Kleid; sonst reißt der neue Lappen vom alten ab, und der Riss wird ärger.
Und niemand füllt neuen Wein in alte Schläuche; sonst zerreißt der Wein die Schläuche, und der Wein ist verloren und die Schläuche auch; sondern man soll neuen Wein in neue Schläuche füllen.

Gott segne dieses sein Wort an uns und lass es auch durch uns zu einem Segen werden.!

Liebe Gemeinde!
Ein in der Meditation erfahrener Mann wurde einmal gefragt, warum er trotz seiner vielen Beschäftigungen immer so gesammelt sein könne.
Dieser sagte: „Wenn ich stehe, dann stehe ich. Wenn ich gehe, dann gehe ich. Wenn ich sitze, dann sitze ich. Wenn ich esse, dann esse ich. Wenn ich spreche, dann spreche ich ...”
Und zum heutigen Predigtext würde ich gern den bekannten Worten des weisen Mannes dies hinzufügen: „Wenn ich feiere, dann feiere ich ...”

Da fielen ihm die Fragesteller ins Wort und sagten: „Das tun wir auch, aber was machst Du noch darüber hinaus?”
Und er antwortete wieder: „Wenn ich stehe, dann stehe ich. Wenn ich gehe, dann gehe ich. Wenn ich sitze, dann sitze ich. Wenn ich esse, dann esse ich. Wenn ich spreche, dann spreche ich. Wenn ich bete, dann bete ich ...”
Wieder sagen die Leute: „Das tun wir doch auch!”
Er aber sagte zu ihnen: „Nein, wenn Ihr betet, seid Ihr schon wieder bei Euren Geschäften. Wenn Ihr sitzt, dann steht Ihr schon wieder. Wenn Ihr steht, dann lauft Ihr schon. Wenn Ihr lauft, dann seid Ihr schon am Ziel ...”

Liebe Gemeinde!
Wo sind Sie heute morgen? Schon hier in unserer Kirche angekommen oder noch in den Träumen der Nacht verfangen? Sind noch hier im Gottesdienst, jetzt bei der Predigt - oder sind Sie schon in Gedanken beim Sonntagsbraten oder sogar schon bei den Terminen der neuen Woche? Was kommt da wieder alles auf uns zu ...!
Wo sind Sie am Anfang dieses Neuen Jahres. Noch bei den vorsichtig tastenden Schritten der ersten 14 Tage, bei der kindlichen Freude über viele, viele unbeschriebene Blätter im Kalender? Oder sind sie schon weiter - angekommen im Alltag des Jahres mit den Zahlen 007. Eben so wie immer, wie jedes Jahr, so wie jeden Tag?
Und die Freude über das Hier und Jetzt - bekommt sie schon wieder die Schatten der Ängste und der Befürchtungen? Was wird 2007? Werden die Katastrophen sich wieder einstellen? Werden wir neue Orte des Schreckens kennen lernen. Was kommt nach Bad Reichenhall, nach Lathen und Emsdetten? Was kommt nach der kleinen OP im letzten Jahr? Was kommt nach dem plötzlichen Tod des Freundes aus Kindertagen ...?
Vor ein paar Tagen erst haben wir den alten Kalender abgelegt, schwungvoll hat das Jahr begonnen, vielleicht mit den üblichen Vorsätzen. Nun sind wir wieder soweit: Tag für Tag wird ein Blatt aus dem Kalender gerissen. Tag für Tag wird abgerissen, hinter sich gebracht.
Können wir das Hier und Heute, den Tag jetzt, die Ruhe dieser Stunde noch genießen? Können wir das Fest noch feiern - so wie es fällt, nämlich auf den heutigen Tag, den 14. Januar?

Auch die Jünger und Jüngerinnen des Johannes sind offenbar schon einen Schritt voraus. Oder sie hinken hinterher, so wie die Pharisäer, die ihre Felle davon schwimmen sehen - ihre Gesetze sind in Gefahr!
Wer macht es nun richtig? Die, die fasten oder die, die feiern? Wer lebt intensiv angesichts der Gegenwart Gottes? Wer zeigt mit seinem ganzen Leben: Er ist da! Jetzt, hier, heute!?

Jesus sagt eindeutig: „Jetzt ist die Zeit des Feierns, jetzt ist der Bräutigam da! Die alten Schläuche lasst zu Hause. Den Wein, den ich einschenke, den müsst ihr neu und frisch genießen! Zieht Euer Festgewand an, lasst Euer Flickwerk des Lebens aus - denn siehe, ich mache alles neu! Lasst Euer eingefahrenes Denken und Trachten hinter Euch. Heute ist das Fest des Lebens, heute ist kein grauer Alltag, denn ich bin bei Euch!”

Auch mit der Evangelienlesung des heutigen Sonntages nehmen wir teil an einer Hochzeit. Jesus in Kana. Braut und Bräutigam, die Gäste feiern. Sie feiern, bis der Wein zur Neige geht und das vorzeitige Ende der Feier eingeläutet wird. „Sie haben keinen Wein mehr!” - mehr sagt die Mutter Jesu nicht. Spürt sie etwas davon, dass in seiner Nähe die Freude am Leben kein Ende hat?
Und der neue Wein wird wohlschmeckender als der alte. Jesus begegnet uns bei seinem ersten Zeichen, das er tut! Ganz „epiphan” offenbart er seine Herrlichkeit bei dieser Hochzeit in Kana. Er gibt dem Fest seinen Glanz zurück, nein, er setzt ihm noch einen weiteren Glanzpunkt auf. Die Feier wird nicht vorzeitig abgebrochen - denn es gilt: „Wenn ich feiere, dann feiere ich ...!” Und Jesus findet Wege und Möglichkeiten, das Feiern nicht vorzeitig enden zu lassen. Nicht einer, der fastet ist er hier, sondern einer, der feiert. Nicht einer, der Lebensfreude und Lust verschmäht, sondern, wie man ihm heute bescheinigen würde, „einer, der mitten im Leben steht”.

Aber ist das Leben nur Feier, nur eitel Freude?
Die Ausgelassenheit eines Hochzeitsfestes jeden Tag? Das Feiern wäre schnell am Ende. Auch nach den großen Festen im Kirchenjahr kann ich persönlich nur sagen: Ein wenig fasten tut auch gut.
Und doch entdecke ich in den Hochzeitsgeschichten die Aufforderung zu einer wachen Fröhlichkeit. Eine Fröhlichkeit, die entsteht, wenn wir uns neu auf den Weg machen - in ein Neues Jahr, in die Zeit, die vor uns liegt mit ungezählten Chancen und Entdeckungen. „Siehe, ich will ein Neues schaffen”, spricht Gott in der Losung für das Jahr 2007 - „jetzt wächst es auf, erkennt ihr’s denn nicht?” (Jes 43,19a)
Also auf zu einer Entdeckungsreise durch ein Jahr, in dem Gott Neues schafft, dem Leben neue Kraft und Hoffnung gibt. Also auf mit wacher Freude, mit Vor-Freude, mit mitgehender, mitpackender Fröhlichkeit.

Eine Fröhlichkeit des Neuanfangs - „Siehe, das Alte ist vergangenen!”
Ja, das Alte habe ich zurückgelassen. Den alten Kalender habe ich zur Seite gelegt. Der Rückblick mit den „Highlights 2006” liegt nun im Regal bei den Geschichtsbüchern. Und im Beichtgottesdienst am Altjahrsabend habe ich wohltuend erlebt, wie gut es ist, abgeben zu können, vergeben zu lassen was schwer lastet und was mit dem Alten zurückbleiben soll.
Ein Neuanfang, der auch über den Rand eines Tages oder bis an das Ende eines neuen Jahres nicht besorgt und wie gelähmt blicken lässt, sondern in aller freudigen Erwartung aus Gottes Hand lebt, unter Gottes Gnade steht, auch hier und jetzt und heute.
Gnade, die in jeder Situation menschlichen Lebens steckt, menschliches Leben, das aus der Hand Jesu gelebt wird.
Damit bekommt jeder Tag, jede Stunde, jede Minute, jede Sekunde eine unendliche Qualität, geschenkte Zeit, nicht zum Totschlagen, sondern zum Leben.
Auch hinter dem Kummer verbirgt sich noch ein Lächeln und selbst im Tod ist Leben versteckt, Leben, das wir jetzt nur erahnen und von dem wir nur den Vorgeschmack, die Vorfreude spüren.
Neuer Wein in neuen Schläuchen! Das möchte ich genießen können, wenn ich gehe, wenn ich stehe, wenn ich bete und wenn ich feiere!

Also ist das Leben doch nur ein Fest und eitel Sonnenschein?

Die Fastentage werden kommen. Das Reich Gottes ist nur vorläufig und begrenzt unter uns. Hoch-Zeiten und Tiefschläge halten sich die Waage. Doch der, der die Hochzeit so ausgelassen mitfeiert und erst möglich macht, der kann ebenso klagen, mittrauern und mitweinen.

„Freut Euch mit den Fröhlichen!” - so sagt es Paulus in der Epistel für den heutigen Sonntag (Röm 12,15). Jesus hat es vorgemacht und die Freude noch verstärkt. Vielleicht ist ja wirklich etwas dran an dem Vorwurf: „Wenn die Christen wirklich erlöst sind, dann müssten sie auch erlöster aussehen ...!” Also würde der weise Mann sagen: „Wenn ich erlöst bin, bin ich erlöst ...!”

Ja, aber die Freude darüber, die Freude an Gott und diesem Leben schließt auch immer die Solidarität und die Kehrseite mit ein: „Weint mit den Weinenden!”

Denn nur wer herzlich lachen kann, kann auch von Herzen mitweinen. Nur wer jetzt den hellen Glanz des Weihnachtswunders in sich aufnimmt, wird sich in den Dunkelheiten dieses Lebens nicht verlieren.

Jetzt ist die Zeit der Freude. Andere Zeiten werden Folgen. Das Fasten und die Passion. Die Freude über Gottes Nähe in seinem Sohn Jesus Christus aber wird bleiben und uns singen lassen: „In dir ist Freude in allem Leide!”

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus zum ewigen Leben.” Amen

Liedvorschlag: EG 398 - In dir ist Freude

Pastor Bert Hitzegrad
Claus-Meyn-Str. 11
21781 Cadenberge
Tel: 04777/330
eMail: BHitzegrad@aol.com


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