Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach, J. Neukirch, C. Dinkel, I. Karle

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Altjahresabend (Silvester), 31. Dezember 2006
„Befiehl Du Deine Wege“ (EG 361), verfaßt von Reinhard Schmidt-Rost
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)


Liebe Gemeinde!
Wer glücklich ist, schreibt nicht … und: Wer dichtet, muß nicht glücklich sein, ist es selten; er oder sie kann trauern, oder voller Sehnsucht leben, aber daß sich das Leben ihm reimt, wenn er dichtet, das ist eher unwahrscheinlich, deshalb schreibt er ja Verse.

So darf man auch für Paul Gerhardt annehmen, dass seine Reime, seine vielen schönen Liedertexte nicht aus dem Überschwang der Lebenslust geflossen sind, sondern der Tribut waren, den er dem Leid in seinem Leben gezollt hat.

Eine Erlebnisgesellschaft, die mit fröhlichen Events lockt, sich überbietet in kommerziellen Sonder-Angeboten zur Gestaltung eines festlichen Alltags, kann es eigentlich kaum verstehen, daß unvergessliche Schöpfungen des Menschengeistes gerade nicht im Überschwang der Freude und Erfüllung geboren werden, das geschieht höchst selten, sie rinnen zumeist aus der Tiefe des Leids, der Trauer, des Schmerzes hervor, werden der Verzweiflung abgetrotzt, wie Salbe auf die Wunden gestrichen, die nicht heilen wollen, die kein Mensch heilen mag oder heilen kann.

Paul Gerhardts Verse, mit Martin Luthers Liedern zusammen die bekanntesten und gewichtigsten im Evangelischen Gesangbuch, sind über 350 Jahre nach ihrer Niederschrift immer noch gut verständlich, mit leicht modernisierten Überarbeitungen des Wortlauts, und es sind keine Lieder aus tiefem Frieden, die lauteten und klängen anders; noch das „Geh aus mein Herz und suche Freud“ ist nur auf den ersten oberflächlichen Blick ein fröhliches Sommerlied wie ein luftiges Sommerkleid; schon bei diesem thematisch leichten Lied ist das Staunen über die Schönheit der Natur nur der Eingang zum Wissen um das Ende des Lebensweges, und der Gärten Zier ist dem Dichter Abbild des Paradiesgartens.

Erst recht hier, im Lied „Befiehl Du Deine Wege“ sind wir tief verstrickt in bittere Lebensgeschichten, wie sie das Herz eben kränken können; diese zwölf Strophen sind der Nachhall der Katastrophe, die Europas Bevölkerung im 17. Jh. betroffen hat und sie beinahe ganz ausgerottet hätte, der 30jährige Krieg ist erst seit 5 Jahren für abgeschlossen erklärt, der Friedensschluß in Münster und Osnabrück noch frisch in Erinnerung, die Wunden längst nicht vernarbt, aber wie es den Menschen geht, danach fragt man besser nicht, kann man allenfalls den Dichter fragen, und er gibt uns bereitwillig Auskunft, zunächst die, die wir am Anfang des Gottesdienstes gesungen haben: „Nun laßt uns gehn und treten mit Singen und mit Beten zum Herrn, der unsern Wegen bis hierher Kraft gegeben.“ Und nun eben: „Befiehl Du Deine Wege und was Dein Herze kränkt, der allertreusten Pflege, des der den Himmel lenkt.“ Es wirkt Gottes Geist, der Geist der Güte, wenn die Menschen sich nicht gänzlich den Garaus machen oder gemacht haben, die Menschen aber sind ihrem Wesen nach zunächst friedlos, und dann auch unfriedlich und rücksichtslos gegeneinander.

Noch fehlen hundert Jahre, bis die Menschen verbreitet fragen werden: Sollte Gott das zugelassen haben? Es ist hier, in der Mitte des 17. Jahrhunderts, noch nicht so weit, daß die Menschen Gott die Schuld für Unrecht und Unglück zuschieben. Doch davon gleich noch mehr.


Liebe Gemeinde!
Wir wollen zunächst erst darauf hinweisen, daß wir mit diesem Lied an dieser Jahreswende erinnern an Paul Gerhardts 400. Geburtstag im März 2007, am 12. März 1607 ist der Pfarrer und Dichter Paul Gerhardt in Gräfenhainichen in Sachsen geboren. Ihm zu Ehren habe ich diese Dichtung am Abend des alten Jahres als Predigttext gewählt. Aber wir würden uns nicht erinnern, es hat auch andere Schriftsteller von erheblicher Produktivität gegeben, - und wer die Begabung hat, der schreibt manchmal lieber in Versen als in Prosa … das ist es nicht, worüber man sich wundern, was man bewundern sollte, wir würden uns nicht erinnern, wenn er nicht zeitlose Worte gefunden hätte, Worte, die man auch heute noch mühelos versteht, die in über 350 Jahren nichts von ihrer Bedeutung verloren haben, so wie wir viele biblische Worte ja nicht nur historisch verstehen, als Zeugnis ihrer Zeit, sondern als zeitlose, immer neu mit Verstehen zu füllende, als über der Zeit stehende Zeugnisse für ein tieferes Leben, tiefer als unsere alltägliche Wahrnehmung vom Leben uns erkennen läßt.

Wir können im Alltag uns die Bedeutung unserer Existenz nicht dauernd in Erinnerung halten, sonst würden die Furchen des Pfluges krumm, der Hammerschlag träfe nicht den Nagel, sondern den Daumennagel, – und selbst eine Predigt würde man nicht zustande bringen, wenn es nicht gerade der Auftrag dieser Predigt wäre, über mein und Euer Leben vertieft nachzudenken, ich also durch diese Gedanken an den Grund des Lebens gerade nicht abgelenkt, sondern ganz bei der Sache wäre. Müßte ich dagegen etwa eine Geschichte dieses Kirchenbaus schreiben, dann würden mich grundsätzliche Gedanken über mein Leben unter Umständen ziemlich behindern.

Wir können im Alltag nicht dauernd über unser Leben nachdenken, aber wir müssen es hin und wieder doch tun, um uns und unser Tun zu begreifen und richtig einzuschätzen. Deshalb erinnern wir an Paul Gerhardt, weil er mit seinen Dichtungen wie durch gute Predigten zur Besinnung auf das Wesen des Lebens beigetragen hat, über Gott und die Welt nachzudenken hilft, immer wieder auf Herz und Sinn der Menschen einwirkt, in ihnen gute Gedanken über Gott und die Welt mit ganz einfachen Worten und weichen Weisen weckt:.

Selbst so widrige Lebensumstände, wie sie sich mit dem Namen des Teufels verbinden, sind für den Dichter ein wichtiges Thema seines Liedes, lassen Sie uns davon singen – mit den Strophen 5, 6 und 7:

„Und ob gleich alle Teufel hier wollten widerstehn,
so wird doch ohne Zweifel Gott nicht zurücke gehn …“


Liebe Gemeinde!
Viele wissen sicher, daß dieses Lied an einem Psalmvers entlang geht, diesen Psalmvers auslegt Jeweils die ersten Worte jeder der 12 Liedstrophen zusammengestellt, ergeben den fünften Vers aus Psalm 37.

Befiehl dem Herrn deine Wege und hoffe auf ihn, er wird es wohl machen.

Befiehl dem Herrn deine Wege und hoffe … so weit sind wir mit sieben Versen schon gekommen in dieser kunstvollen Konstruktion. Aber es beschäftigt mich heute weniger diese poetische Konstruktion, sondern je länger ich darüber nachdenke, umso mehr beschäftigt mich eine inhaltliche Verdichtung, die nicht ganz leicht zu erkennen ist:

Es überlagern sich in diesem Lied zwei Gottesbilder so kunstvoll, dass man es nur bei näherem Hinsehen wahrnimmt: Das heldische und das christliche Gottesbild nenne ich sie.

Das eine ist das Bild des Herren, des allmächtigen Weltherrschers, man sieht ihn richtig vor sich, den absoluten Herrscher, den König von Frankreich oder von England, auf seinem Thron sitzen.
Es ist ja die Zeit Ludwig XIV. als König von Frankreich … mit Purpurmantel, Zepter und Hermelin.

Er gebietet dem Wind und den Wolken, er weiß Wege, sein Werk kann niemand hindern, er ist ein starker Held, ein weiser Fürst, der Führer, der im Regimente sitzt. So stellt man ihn sich dann auch vor, wie die Fürsten des 17. und 18. – und teilweise auch noch des 19. Jahrhunderts auf großen Gemälden, auf Reiterstandbildern, wie Kaiser Wilhelm das Deutsche Eck heute noch oder heute wieder – ziert will ich nicht sagen, eher: krönt..

Das ist die Oberfläche des Herrscherbildes, der ölfarbene Deckauftrag, der keine anderen Vorstellungen zulässt.

Aber dann finden sich in Paul Gerhardts Lied doch auch Aussagen wie über einen guten Ratgeber und Arzt, über einen treuen Freund und sensiblen Berater, einen Tröster, der einfach mit dem Menschen durchhält.

Läßt sich das verbinden? Oder stößt die Dichtkunst Paul Gerhardts hier bei ihm selbst an eine Grenze, so daß bei „Befiehl Du Deine Wege“ einfach nur noch die ölfarbene Oberfläche zur Geltung kommt? Gott sitzt im Regimente, heißt es streng, aber dann doch wieder ganz mild: „Er führet alles wohl“ – und „mit wunderbarem Rat“ wird er „das Werk hinausführen“, das Dich bekümmert hat.

Liebe Gemeinde!
Wir stehen, wenn wir uns in jene Zeit zurückversetzen, an einer Epochenschwelle, die Vorstellungen von Weltherrschaft gehen von Gott auf menschliche Könige über, der Absolutismus, die unbeschränkte Herrschaft einzelner, breitet sich aus, Gottes Allmachtsstellung gerät ins Wanken und fällt im Laufe der nächsten hundert Jahren, in dem Maß, in dem das wissenschaftliche Denken an Einfluß gewinnt, - und zugleich und in Verbindung mit dem wissenschaftlichen Denken kündigt sich das Zeitalter des Individualismus an … Das evangelische Christentum hat sich ja von Anfang an, seit der Reformation, dem einzelnen zugewendet; viel mehr als die römische Kirche zuvor, Gewissen und Wissen des einzelnen ermutigt, … und am Ende dieser Epoche, in der Aufklärung des europäischen Geistes im 18. Jh. und in der französischen Revolution von 1789 wird sich der menschliche Geist so weit befreit haben, daß er erst Gott und dann auch die allmächtigen Könige nicht mehr als Herrscher über sich anerkennen wird. Die Freiheit des Geistes und dann auch des Lebens breitet sich aus, und wir genießen die positiven Folgen dieser Freiheit des Geistes hierzulande und zumal in Institutionen der Bildung und Wissenschaft bis heute.

Wir leiden allerdings auch unter den negativen Folgen dieses Zusammenbruchs der großen Autoritäten in Kirche und Staat, wer sagt uns jetzt noch, was Leben bedeutet, was menschliches Leben vor anderem Leben auszeichnet? Wer sagt uns das jetzt noch? … Wir doch nicht, wir einzelnen Menschen – oder etwa doch?


Liebe Gemeinde!
Wir fühlen uns vielleicht nicht so mächtig, tatsächlich aber wird es uns zugetraut, daß wir uns an der Bestimmung, was Leben sei, mitbeteiligen, und sei es wenigstens durch eine Abstimmung, alle paar Jahre wieder. Wir pflegen zwar das Bewusstsein, als könnten wir als einzelne doch nichts ausrichten, aber behandelt werden wir mit staatlicher Genehmigung, als hätten wir die Möglichkeit der Mitbestimmung; wer will, kann sich informieren, Wissen ist zugänglich und wird nicht geheim gehalten, vieles ist offen zugänglich.

Die Schwierigkeit liegt nicht mehr im Verbot oder in der Veröffentlichung von Wissen, sondern in der Unüberschaubarkeit von Verkettungen: Keiner kann mehr wissen, wie unser Wissen unsere Welt verändert, menschliche Möglichkeiten sind zu komplex geworden. So suchen viele Zeitgenossen nach Verminderung der Komplexität, wollen leichtes Wissen, um sich zurechtzufinden. Aber das gibt es nicht mehr, auch nicht in der Religion.

Wir können nicht mehr hinter die Entmachtung der alten Herrscher zurück, Gott, wie ihn die Menschen sich vorstellten, Könige und Päpste, wie sie herrschten, und wie man sie sich jetzt noch zurückwünscht, öffentlich ausstellt … das ist eine vergebliche Sehnsucht, die über die Notwendigkeiten der Modernen Welt hinwegtröstet, als könnte der Segen „Urbi et orbi“ das atomare Wettrüsten aus der Welt schaffen.

Liebe Gemeinde!
Aus der Welt schaffen lassen sich die Möglichkeiten, die der menschliche Geist in der Schöpfung gefunden hat, sicher nicht mehr, und viele dieser Möglichkeiten brauchen wir und genießen sie auch, - und es wäre naiv, sich im Blick auf das kommende Jahr damit beruhigen zu wollen, daß die Vernunft schon das Äußerste verhindern werde. Es ist realistisch zu akzeptieren, daß Menschen – natürlich nicht alle – aber eben Menschen die Macht haben, die Lebensmöglichkeiten auf der Erde zu vernichten. Aber Fatalismus, Ergebung in die Gegebenheiten ist auch nicht der Weisheit – und schon gar nicht des Glaubens letzter Schluß.

Des Glaubens letzter Schluß liegt seit dem Turmbau zu Babel im Vertrauen auf Gottes Geist, der damals die Himmelsstürmer zerstreute, als ihr Turm ihr Herz so ausfüllte, daß sie meinten, darin ihre Gemeinschaft gewinnen zu können, so wie heutzutage manche Gemeinschaft meint, in den Daten der Wissenschaft und den Taten der Ingenieure die Grundlage der Weltgesellschaft finden zu können. Solche selbstherrlichen Gedanken aber sind nicht der Weisheit letzter Schluß; so sehr sie der Menschen Weisheit und der Menschheit letzter Schluß sein könnten. Gegen solchen Entwicklungen aber wendet wir uns mit unserem Glauben, dagegen predigen wir.

Wir suchen nach den Wirkungen der Weisheit des Geistes Gottes in unserem Leben; wir suchen nach den Gedanken und Worten, die einen Kontrast bilden zu allem, was aus menschlicher Eigenmächtigkeit entsteht und sich nicht dem gütigen Geistes Gottes unterordnet, der alle Selbstherrlichkeit zerstreut, und will, daß alle leben sollen, und daß sich deshalb die Eigenmächtigkeit von Menschen mäßigen soll durch Selbsteinsicht und Selbstkritik, die der Güte Gottes Raum gibt.
Die notwendige Selbstbeschränkung des Menschen aber ist nur möglich, wenn sich der Herrschaftsgedanke wirklich ausdifferenziert: Wenn wir merken, wie sehr unser Denken von den Herrschaftsgedanken weltlicher Macht geprägt ist, auch noch wenn wir von Christus und Gott denken und sprechen.

Dabei ist Christus nicht der König, der „in niedern Hüllen“, sozusagen verkleidet, gekommen ist, sondern dessen Macht gerade in seiner Ohnmacht sich gezeigt hat, der eben mit Worten, nicht mit Waffen, auch nicht mit Worten wie Waffen, mit Palmen, nicht mit Napalm, und mit Psalmen, nicht mit Paraden den Menschen den Friedensweg gewiesen hat. Ob die Liebe Gottes für uns und für viele zur entwaffnenden Liebe werden kann?

Vielleicht können weiche Weisen wie die von Paul Gerhardt die Allmachtsgelüste der Menschen zerstreuen helfen, es sind ja oft Allmachtsgelüste, die aus Angst entstehen, aus der Angst der einzelnen und ganzer Gemeinschaften, isoliert zu werden oder nicht überleben zu können, - und gerade mit dieser Angst bereiten sie sich und anderen den tausendfachen Tod, wie im 30jährigen Krieg.

Der 30jährige Krieg hätte den Menschen eine Lehre sein können, was geschieht, wenn man die Vorstellung göttlicher Allmacht missversteht und Gott zum Garanten menschlicher Weltherrschaften macht … diese Vorstellung hat damals angefangen, ihre schreckliche Wirkung zu entfalten und hat sich immer weiter verselbständigt. Aus dem Überlebenskampf des Menschen in den alten Jägerkulturen ist nun endgültig eine Kriegskultur der Völker gegeneinander geworden, mühsam gebändigt unter ein politisches Dach, das der UNO – die Solidarität Christi mit den Leidenden im Leiden bewegt heute wie eh und je nur wenige zum Umdenken, auch die Kirchen in Deutschland wollen gerne mächtig sein, sie wollen wirken …und übersehen dabei ihre stärkste und zugleich empfindlichste Kraft: Die Liebe, sie wird auf das Gefühl beschränkt und darin einigermaßen freigelassen, aber zur Beherrschung der Welt erscheint sie den Herrschenden als nicht geeignet.

Dabei liegt die Wirkung der Liebe ganz nahe, wir haben gleich am Anfang davon gesungen:

„Dem Herren musst du trauen, wenn Dir’s soll wohlergehn;
Auf sein Werk musst du schauen, wenn dein Werk soll bestehn.“

Dieser Wechsel der Perspektive ist die entscheidende, lebenserhaltende Wirkung der Liebe:
Denn Gottes Werke, auf die wir schauen sollen, liegen doch vor unsern Augen

Wir sind es selbst, Sie und ich, die Menschen sind Gottes Werk und sie allein sind mit den Augen der Liebe wirklich zu erkennen, nämlich in ihrer Existenz anzuerkennen. Diese Auffassung reicht, um das Leben auf dieser Erde zu schützen und zu schonen, deshalb ist es ein Vorgang der Lebensrettung, wenn wir mit dem Psalter und dem Dichter sagen:

Befiehl dem Herrn Deine Wege Und hoffe auf Ihn ..

Wie es in der 8. Strophe heißt:

Ihn, ihn laß tun und walten, er ist ein weiser Fürst
Und wird sich so verhalten, daß du dich wundern wirst,
wenn er, wie ihm gebühret, mit wunderbarem Rat
das Werk hinausgeführet, das dich bekümmert hat.

Lassen Sie uns diese 8. Strophe nun auch noch singen.

Liebe Gemeinde!
Mag sein, daß jetzt viele über uns den Kopf schütteln und sagen: Wer auf Gott die Verantwortung abschiebt, der muß sich nicht wundern, wenn das Böse in der Welt siegt, wenn die lebenszerstörenden Kräfte die Oberhand behalten.

Aber ich meine, es ist noch viel zu wenig versucht worden, mit dieser ganz anderen Vorstellung von Gott zu leben: Er geht mit den Menschen – in ihrem Leid, nicht absolut herrschend, sondern so wie ein Begleiter beeinflusst, solidarisch, ohne die Haltung des Herrschers, sondern als Freund, dem man sein Leid klagen kann, die Kränkung des Herzens, der aber auch kritisiert, indem er sich abwendet oder darin, wie er nachfragt.

Diese zweite Variante ist schwerer zu erkennen, aber genau darum haben wir uns zu bemühen; sie ist viel näher an der Botschaft des Evangeliums, als viele bisher als christlich vertretenen Vorstellungen von Gott und seiner Schöpfermacht.

Die Allmacht der Gewalt ist verurteilt, gerichtet, die Menschen dürfen in Freiheit leben, in Liebe gebunden … es ist die Freiheit der Liebe, die von der Ordnung der Rache und von Machtansprüchen befreit … Nur wer es aushält, Kränkungen zu bedenken und aufzunehmen, wirkt als eine Macht, die Menschen hilft.

Dies ist die Allmacht Gottes: Sie herrscht nicht nach Menschenweise, wie wir es immer wieder denken. Gott wirkt ganz anders, aber keineswegs unverständlich, durch Güte. Auch Worte, die ja als Waffen wirken können, werden von Gott zu Mitteln seiner Güte umgeformt. Dies ist der Himmel, von dem der letzte Vers singt, eine Welt, in der die kräftige Güte Gottes die Menschen auf den Weg des Friedens ruft, auf dem wir uns gegenseitig zu einem guten, liebevollen Leben dienen, und dies nicht erst im Tod, sondern schon hier, denn das ist das Ende unserer Not.

Da werden wir dann auch noch eine 13. Strophe singen:

Die dreizehnte Strophe:
Laß uns auf unsern Wegen Stets deine Güte spürn,
gib, daß durch Deinen Segen, wir unsere Tage führn.

Und wenn dann unser Leben Uns auf das Ende lenkt,
so sei uns Geist gegeben, der nichts als dich mehr denkt. Amen.

Lieder: 58 (evtl.in Auswahl) – 361, 1 – 4 (während der Predigt: 5 – 7 und 8). – 64

Universitätsprediger Prof. Dr. Reinhard Schmidt-Rost, Bonn
r.schmidt-rost@uni-bonn.de
R.Schmidt-Rost@web.de


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