Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach, Redaktion: C. Dinkel und I. Karle

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Bibel und Sport
Predigten aus Anlaß der Fußballweltmeisterschaft 2006
Predigt über 1. Korinther 9, 24-27, verfasst von Erika Godel
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)


„Mein Lebenslauf ist Lieb und Lust
und lauter Liederklang.
Ein frischer Mut in heitrer Brust
macht frohen Lebensgang.“

So sangen Studenten nach der 1848er Revolution in Deutschland und Johann Strauss hat dieses Lied später schwungvoll vertont. Der Text, liebe Geschwister, stammt natürlich nicht von Paulus. So etwas hat der Apostel natürlich nicht an die Gemeinde in Korinth geschrieben, aber vielleicht gemeint, als er – der sich an anderer Stelle als kränkelnder, von Kopfschmerzen geplagter Mann charakterisiert -, sich überraschend mit einem Sportler verglich und Askese als eine wichtige sportliche Haltung propagierte für alle, die nicht nur kämpfen sondern auch siegen wollen. Also auch für alle Christen.

Was Paulus über die Parallelen zwischen Sportlern und Christen erzählt, ist in sich nicht logisch, und kluge Exegeten haben den Nachweis längst erbracht, dass der Vergleich, den Paulus mit seinem Bild vom sportlichen Wettkampf versucht, hinkt. Vielleicht kannte er sich mit Sport doch weniger gut aus als er meinte, oder das Urteil trifft zu, „dass die Stärke der paulinischen Rhetorik nicht auf dem Gebiet der Gleichnisbildung und –anwendung liegt“ (Lietzmann).

Bei sportlichen Wettkämpfen gibt es am Ende nur einen Sieger. Das stimmt. Überträgt man dieses Bild und erklärt, wie Paulus, Christen zu Läufern und ihr (Glaubens-)Leben zum Wettkampf, bei dem es nur einen Sieger oder eine Siegerin geben kann, dann bliebe uns allen nur die bange Frage: „Werde ich die Siegerin sein, die den Preis, den Siegerkranz bekommt“? Die Frage erinnert fatal an die Jüngerfrage: „Herr, bin ich es?“ (Mtth 26,22). Bekanntlich dreht es sich bei dieser klassischen Frage um Unverständnis, mangelndes Durchhaltevermögen, am Ende um Verrat. Zuerst um den Verrat der Person Jesu und damit auch seiner Ideen und Ziele. Wie schön ist es doch, manchmal sagen zu können: „Ich bin es nicht! Ich bin es nicht gewesen! Ich bin nicht mitgelaufen!“

Ungeachtet der Unstimmigkeit des paulinischen Bildes wird es immer wieder gerne zitiert in Zusammenhängen, in denen es irgendwie um Kirche und Sport geht. Und so wird es auch bei der bevorstehenden Fußballweltmeisterschaft bestimmt zu hören sein. Vielleicht als Trostwort für die Spieler und alle ihre Fans, die im Viertelfinale oder im Halbfinale ausscheiden oder für die, die im Endspiel unterliegen werden? „Ihr wisst doch, dass alle, die sich für die Weltmeisterschaft qualifiziert haben, gute Fußballspier sind. Es kann aber nur ein Team gewinnen. Wichtig ist, dass ihr gekämpft habt. Und: Nach dem Spiel ist vor dem Spiel. Es gibt noch ganz andere Meisterschaften und Trophäen im Leben zu gewinnen, nicht nur im Sport.“

Getröstet zu werden, tut gut. Aber Trost allein macht noch nicht glücklich. Aber darum geht es doch im Leben: um Glücklichsein. Darum ging es auch Paulus. Seine Vorstellung von glücklichem Leben ist vor allem die Erlangung der zielgerichteten Freiheit eines Christenmenschen zu Lebzeiten. Mit Luther heißt das: keinem Herrn untertan, aber jedermanns Knecht zu sein. Sich von Nichts und Niemanden abhängig machen, aber jedem Menschen zugewandt sein.

Paulus hat für sich erkannt, dass die Freiheit eines Gotteskindes in der Nachfolge Christi nur durch eigenes Wollen und auf eigene Kosten zu erwerben ist. Nicht ein für allemal, ersondern immer wieder. Es ist ein ständiger Kampf! Nicht etwa, weil das Leben im allgemeinen ein Kampf ist. Diese Weltsicht vertraten zu Paulus Zeiten die Philosophen, nicht die Christen. Spezifische Kampfsituationen entstehen nach biblischem Verständnis, weil das Fleisch schwach ist, auch wenn der Geist willig ist (Matth 26,41). Paulus wusste aus eigener Erfahrung: „ Das Gute, was ich will, tue ich nicht, aber das Böse, das ich nicht will, das tue ich“ (Rm 7,19). Deshalb schärft er den Korinthern ein, dass man sich immer wieder nach bestem Wissen und Gewissen so entscheiden und verhalten muss, dass alles Tun erkennbar dem Ziel dient, Jesus nachfolgen und Gott gefallen zu wollen. Das klingt nicht nur schwierig, sondern das ist es auch. Schwierig und anstrengend dazu. Geistig, seelisch und körperlich.

Also ist es doch nichts mit „mein Lebenslauf ist Lieb und Lust?“

Ist Lebens- und Überlebenskampf angesagt? Ständiges sich Messen, Benchmarking, Qualitätssicherung und Konkurrenz? Wenigstens permanenter nicht nachlassender Einsatz und Engagement – notfalls bis zum Umfallen? Weil nur die Harten in den Garten kommen, auch in den Paradiesgarten? Paulus weiß das eigentlich besser: „ Meine (Gottes) Kraft ist in den Schwachen mächtig“(2. Kor 12,9). Das heißt nichts anderes, als dass es im Kern im Verhältnis Gott Mensch gerade nicht um die Anstrengungen von uns Menschen geht. Im Kern geht es darum, dass die Kraft Gottes in uns und durch uns wirkt. Es kommt gerade nicht auf meine Anstrengungen und meinen Erfolg an, sondern darauf, dass ich mich in meiner Schwachheit Gott zur Verfügung stelle. Dann kann und wird er durch mich wirken. Das heißt nicht, dass wir nichts tun können und sollen. Gott will uns ja gebrauchen. Das zuzulassen kostet Kraft. Um die aufzubringen, musste sich Paulus so sehr anstrengen. Er weiß: Gnade macht nicht passiv – oder um im Bild zu bleiben – sie zwingt nicht zu unsportlichem Verhalten, zur Trägheit des Körpers und des Geistes. Im Gegenteil: Wer weiß und glaubt, dass die Gnade auf uns wartet, dass wir in Christi Reich unter ihm leben und ihm dienen werden in ewiger Gerechtigkeit, Unschuld und Seligkeit, wie es im Katechismus heißt, der wird sich anstrengen, dorthin zu kommen. Denn das ist das Ziel. Das steht Paulus vor Augen. Auf das hin will er uns aus- und aufrichten.

Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen,
die sich über die Dinge ziehn.
Ich werde den letzten vielleicht nicht vollbringen,
aber versuchen will ich ihn.
(Rainer Maria Rilke)

Unsportliche haben bei Gott die gleichen Chancen wie Siegertypen. Ob glücklich oder unglücklich, ob erfolgreich oder arbeitslos, ob begabt oder ungeschickt, ob gutwillig oder boshaft, ob schuldig oder neurotisch, ob lebenslustig oder sauertöpfisch – Gott ist hemmungslos in uns verliebt. Er wartet auf uns.

Und die Wartezeit, die jedem und jeder von uns zur Verfügung steht, die können wir nützen; durchaus auch so, wie es biblische Weisheit empfiehlt: „Iss dein Brot mit Freuden, trink deinen Wein mit gutem Mut; denn dies dein Tun hat Gott schon längst gefallen. Lass deine Kleider immer weiß sein und lass deinem Haupte Salbe nicht mangeln. Genieße das Leben mit deinem Weibe, das du lieb hast, solange du das eitle Leben hast, das dir Gott unter der Sonne gegeben hat; denn das ist dein Teil am Leben und bei deiner Mühe, mit der du dich mühst unter der Sonne. Alles, was dir vor die Hände kommt, es zu tun mit deiner Kraft, das tu (Pr 9, 7-10).

Unseren je eigenen Lebenslauf so zu gestalten, dass er von Liebe und Freude geprägt ist, bleibt anstrengend, jeden Tag neu. Wer anstrebt, selig zu werden, darf Mühen nicht scheuen. Das wollte uns Paulus wohl sagen. Wir haben die Wahl. Ergreifen wir sie: Stimmen sie ein in das folgende Lied:

„Such, wer da will, ein ander Ziel, die Seligkeit zu finden, mein Herz allein bedacht soll sein, auf Christus sich zu gründen. Sein Wort sind wahr, sein Werk sind klar, sein heilger Mund hat Kraft und Grund, all Feind zu überwinden:“ (EG 346).

Amen.

Dr. Erika Godel
Olympische Str. 10
14052 Berlin

 


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