Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach, J. Neukirch, C. Dinkel, I. Karle

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Predigtreihe zum Vater Unser, Oktober 2006
Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen
Theologisch-hymnologische Informationen zu Liedern der Predigtreihe
Alexander Völker
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)


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Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit

Für die Doxologie kennt Luthers Vaterunserlied keine eigene Strophe Vielleicht kann man die in jeder Strophe begegnenden „Heilsgüter“ als eine Art Vorschattung, einen voraus laufenden Reflex des abschließenden und das Glauben wie das Beten begründenden Lobpreises Gottes ansehen. Da wären zu nennen leben heiliglich, 2,3; Himmelreich,1,1; 4,2; Reich 3,1; Frieden, 5,5; Lieb und Einigkeit, 6,6; im Glauben fest und wohlgerüst, 7,5; seligs End, 8,5. Alles, was Menschen mit dem Vaterunser erbitten, ruht auf diesem letzten lobpreisenden Satz. „Die Sitte, ein Gebet doxologisch zu beenden [...], ergänzt die Bitten des Vaterunsers um den Aspekt des Lobes, schafft eine Rahmung, verbindet eschatologische und gegenwärtige (‚dein ist’) Ausrichtung.“

„Das Vaterunser ist das zentrale Gebet aller christlichen Kirchen und prägt die Frömmigkeitspraxis. Es bleibt ein nicht ausschöpfbarer Grundtext des Glaubens und verweist stets auf die ökumenische Dimension des Betens“ (RGG 42005, Bd.8, Sp. 895f.),

Ein Äquivalent für den dreiteiligen Gebetsschluss könnten auch die beiden lobpreisenden Strophen des Glaubensliedes Es ist das Heil uns kommen her (EG 342, Strophen 8 und 9) darstellen. Würde Strophe 1 mit dem unüberhörbaren Hinweis auf die Glaubensmitte Jesus Christus (er ist der Mittler worden, 1,7) zunächst gesungen, würden die Strophen mit ihrem trinitarischen Lob (8,1ff.) und den „Kurzbitten“ (ab 8,7) einen runden, gesungenen Abschluss etwa eines Gottesdienstes bilden können.

Wir strecken uns nach dir (EG Ausg. Bayern/Thüringen 642; Hessen 625; Rheinland/Westfalen/Lippe 664) entstand als ein Loblied, basierend auf mehreren ‚Reihungen’: strecken nach 1,1; trauen zu 1,3; öffnen vor 2,1; freuen an 2,3; halten bei 3,1; sehnen nach 3,3 – diese Bewegungen haben sämtlich Gott/ Jesus (deren Namen nicht genannt sind!) zum Ziel (zwölfmal dir, sechsmal du, dreimal deine). Konsequent stehen stellvertretend Lebendigkeit/ Barmherzigkeit, Wahrhaftigkeit/ Gerechtigkeit sowie Beständigkeit/ Vollkommenheit für den hier gepriesenen Gott, von dem im Lied dreimal gesungen wird Schön sind deine Namen (1,6; 2,6; 3,6), dem kontrastiert seine Identität Du bist, wie du bist (jeweils Z. 5). Ein verdoppeltes, ganz konventionelles Halleluja, Amen, leicht mitzusingen, bildet das Ende der kurzen Strophe

 

Amen

Was das ganze „Gebet des Herrn“ aussagt, ist auch an seiner Schlussstrophe ablesbar: „Der Beter hängt nicht an sich selbst, sondern weiß und bekennt sich als Geschöpf Gottes, angewiesen auch auf den Erhalt des Glaubens“ (9,2). Zweifel sind zugelassen: auf dass wir ja nicht zweifeln dran (9,3),(fast wortgleich in Luthers Tauflied EG 202,4). Zweifel werden weder verschwiegen noch weginterpretiert – aus eigener Glaubens- und Zweifelserfahrung baut der Reformator als „Sicherung“ ein auf dein Wort, in dem Namen dein (9,5; vgl. oben Strophe 2,2). Nur der, der selbst Gottes „Amen“ auf des Menschen Erlösung aus Unglauben und Zweifel ist (2. Kor 1,20, Offb. 3,14), kann Gewissheit schaffen kraft seines Geistes, seiner Liebe.

Dir, dir, o Höchster, will ich singen: Zum „Amen“ empfiehlt es sich, aus EG 328 die Strophen 1, 4 und 7 anzustimmen. Von Anfang an schlägt dieses Lied mit seiner bewegten, flüssigen, tonal geordnet, regulierten Melodie (Quartsprung-Anfänge) einen trinitarischen Akkord an: singen (1,1) der Lieder (1,3) für den Höchsten (1,3; 3,1; vgl. das viermalige dir in Strophe1!) ist nur recht getan (3,2) im Namen Jesu Christ (1,5) wie durch des Geistes Kraft (1,4). Strophe 4 entfaltet das Werk des Geistes, das auch das Vaterunser-Beten einschließt (4,6). So endet das Lied nicht ohne Amen (7,3f.), das hier die Form eines doppelten Wohl mir (7,1.5), aber auch eines Lob dir (7,5) annimmt.

In uns kreist das Leben – die Verse Kurt Martis hat Friedemann Gottschick mit einer Weise vertont, die großräumig unendlich viel Gelassenheit ausstrahlt. Mit seinem Stirb und Werde (1,3; 5,1, aus „Selige Sehnsucht“ des West-östlichen Diwans Goethes 1819) hat dieser Gesang ohne Frage pantheistische Anklänge: Felder/ Wälder (2,1f.), Vögel/ Fische (3,1f.), Gottes Kreaturen (4,1) wie auch Mutter Erde (5,2) erweisen unsere Schöpfungsabhängigkeit (Ohn sie kann’s kein Leben für uns geben, 2,3f., 3,3f., 4,3f.). Nur das Gesangbuch der Ev.-ref. Kirchen der Schweiz nahm das Lied ihres eidgenössischen Texters auf (dort Nr. 534) – sollte Europas Christenheit den wirklich großen Atem neuzeitlichen Schöpfungsglaubens nicht ver- spüren und mittragen können, ohne schon damit ihr eigenes Bekenntnis aufgeben zu müssen?

Alexander Völker
asvoelker@teleos-web.de


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