Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach, J. Neukirch, C. Dinkel, I. Karle

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Predigtreihe zum Vater Unser, Oktober 2006
...sondern erlöse uns von dem Bösen
Theologisch-hymnologische Informationen zu Liedern der Predigtreihe
Alexander Völker
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)


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...sondern erlöse uns von dem Bösen

 Durch den Tod zum Leben: Der Christusweg für die Christen kennzeichnet auch die Strophe der siebten Vaterunser-Bitte. Allein schon die wenigen Verben dieser Strophe – sie alle haben den Vater (1,1) des Liedanfangs zum Subjekt – sind aufschlussreich: Erlös (8,1.3), tröst (8,4), bescher (8,5; sonst nur Weihnachten und beim Tischgebet gebraucht), nimm (8,6), sie alle zeigen den, der vor allem und über allem gibt, schenkt, trägt, geleitet. Die „Zeit-Ansage (8,2) gilt immer, nicht nur in der Sterbestunde, der letzten Not (8,4). Dass es Luther hier um die nicht endende Gemeinschaft mit Gott geht, erweist 8,3 (ewigen Tod parallelisiert zu Übel 8,1). Erst dann bitten ganz konventionelle Wendungen um ein gutes (irdisches) Lebensende (seliges End , 8,5, vielfach in Gesangbuchliedern; Ps. 31,6a in 8,6, vgl. auch z.B. den Ruf im Nachtgebet Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geist , EG Stammausg.786.8).

Christus, der ist mein Leben (EG 516): Die ersten drei Strophen dieses Sterbe- und Begräbnisliedes (so bekannt, dass man darüber den Dichter ganz vergessen hat!) bekennen sich mit Phil 1,21 zu Christus, dem Bruder mein (2,2; eine Tauf-Erinnerung?). Der/ die Sterbende weiß, dass er/ sie an der durch Jesus Christus vollbrachten Überwindung (3,1) teilhat und versöhnt mit Gott (3,4) ist. Erst dann wendet sich das Lied bildreich dem Sterben zu, bei dem Seufzen (4,4) bestmöglicher Ausdruck von Glauben ist; in der Frömmigkeitsüberlieferung singulär das Motiv mein Herz und Gedanken/ zergehen wie ein Licht (5,1f.): Der/ die Sterbende ist nicht mehr Herr seiner/ ihrer selbst – umso gewichtiger und begründeter die Mehrfachanrede Herr in der zweiten Liedhälfte (4,4; 6,2; 7,1).Zur Erlösungsbitte des Vaterunsers eignen sich – auch ohne einen Sterbe- bzw. Todesanlass – die Strophen 1 bis 3 und 7.

Und suchst du meine Sünde (EG 237), von Schalom Ben-Chorin, dem Dichter des beliebten „Mandelzweig“-Liedes, wird in Kirchengemeinden recht selten oder überhaupt nicht gesungen, die Gründe dafür mögen bei der Sprache und Weise dieses Liedes liegen. Für den Dichter ist Gott, der nur mit du angeredet wird. „alles in allem“, so kann man diese assoziativ angelegte Psalmparaphrase (Ps. 139) überschreiben: Ursprung, in den ich münde (1,3), fern und nah (1,4; 2,3), mein Weg und meine Ruh (3,2), Gericht und Gnade (3,3), das alles „ist“ Gott – bei mir (1,4). Die wenigen Verben der Bewegung unterstreichen das eigentlich unaussprechliche Dasein des so ganz Anderen, welches das Lied – auch mit seiner Melodie – „mehr atmet“ als ausspricht (vgl. die halben Noten auf von dir zu dir 1,2; dieselbe Phrase 3,1). Das kleine, unscheinbare Lied Und suchst du meine Sünde erfordert viel Ruhe, braucht seine Zeit, öffnet sich gerade der Meditation.

Alexander Völker
asvoelker@teleos-web.de


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