Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach, J. Neukirch, C. Dinkel, I. Karle

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Predigtreihe zum Vater Unser, Oktober 2006
Unser tägliches Brot gib uns heute
Theologisch-hymnologische Informationen zu Liedern der Predigtreihe
Alexander Völker
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)


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Unser tägliches Brot gib uns heute

Schon oft ist zitiert worden, wie weit ausgreifend Luther das täglich Brot (5,1), das Gott zur Erhaltung seiner Schöpfung schenkt, interpretiert: und was man b’darf zur Leibesnot (5,2) stimmt mit seiner Antwort auf die Frage „Was ist denn täglich Brot?“ im Kl. Kat.(EG Stammausgabe 806,3) ganz überein. Lebensbedrohende Zerstörungsmächte „aus Natur und Geschichte“ sind dabei zentral im Blick: Unfried, Streit, Seuchen, teure Zeit (5,3f.); für Kirche und Welt haben sie heute an gefährlicher Aktualität nichts eingebüßt. Die schon geläufige Doppelbitte am Strophen-Schluss nennt –anders als die Strophen 1 bis 4 – das positiv Wünschenswerte zuerst (5,5); erst dann bilden die Sorge (vgl. Mt. 6,19ff.)und Geiz(ens) (vgl. EG 428,2) ein (in der Tiefe menschlicher Existenz zusammengehöriges) Paar, mit dem sich Christen nicht herumschlagen müssen (müßiggehen im EG singulär). Eine Predigt zur Bitte ums täglich Brot – sie steht in der Mitte des Vaterunsers! – wird aus Luthers Gebets-Strophe mehr als nur dies oder jenes Stichwort beziehen dürfen.

Nun lasst uns Gott dem Herren (EG 320), ein „Dancklied, nach essens, und sunst, fur allerley Wohlhtaten Gottes“(Ludwig Helmbold, 1575),„vertieft [...] die Situation des Essens auf den Daseinszusammenhang überhaupt. Essen steht als Symbol für etwas, das dem Leben wesentlich ist, nämlich empfangen“. Konsequent dominieren so Worte wie Gaben (1,3; 6,4), geben (2,2; 3,1; 4,1), geschenkt (6,2), sie haben als Gegenüber das empfangen (1,4), haben (6,3). „Umfassende Ganzheit“ im Blick auf Gott, den Menschen, die Welt prägen das Danklied, das assoziativ vorgeht (Leib, 2,1; 3,1; Seele 2,1; 3,2; tödliche Wunden/ Ein Arzt 3,3; 4,1; Unfall 5,2; das „verbesserte“ Unheil ist lebenspraktisch weniger anschaulich). Bemerkenswert die „Modulation“ vergeben (6,1) zu Gaben/gegeben , wodurch die in der Liedmitte (!) platzierte „höchste Gabe“ (Christus , Wort, Taufe , Nachtmahl ) besonders gewürdigt ist. Spätestens hier zeigt die 2. Liedhälfte, inwieweit das Tischlied dem trinitarischen Credo folgt, auch feine Entsprechungen aufweist (wie er allein 2,2 zu o Gott 6,4; Gaben am gedeckten Tisch 1,3f. zu große Gaben im Himmel 6,3f; tut er nie etwas sparen beim bewahren 2,3f. zu du kannst’s nicht böse meinen beim behüten 7,2ff.). Trotz „beendeter Mahlzeit“ bleibt Nun lasst uns Gott dem Herren ein für uns Große mit den Kleinen (7,3) immer wieder einladendes Lied. „Die Wahrheit des Daseins wird durch Danken erschlossen. Die singend übernommene, bezeugte Wahrheit bedeutet für Helmbold Freiheit “. Es mag ja sein, dass die Predigt zur vierten Bitte mit einer Abendmahlsfeier verbunden ist – dann hat dies Lied erst recht dort seinen Platz.

Komm in unsre stolze Welt (EG 428) hat mit dem bekanntesten aller Tischgebete nur das erste Wort gemeinsam. Und doch breitet es mit seiner Reihung (stolze Welt 1,1; reiches Land 2,1; laute Stadt 3,1; festes Haus 4,1; dunkles Herz 5,1), einem ungeschminkten Bild von Lebens-, Welt- und Glaubensverhältnissen (Zeilen 3 und 4 jeder Strophe!) Glanz und Elend des Daseins vor Gott aus, einem Gebet gleich, das überwinden (1,3), wenden (1,5), Rettung schaffen (2,5), Kraft (geben) 3,4 allein von Gott erhofft – seine Macht und Wirksamkeit wird in und an Christus erkannt (der du Arme liebst 1,2 bis mit deines Lichtes Fülle 5,2, die jeweils 2. Zeile). Ungewohnte Wortkontexte lassen aufhorchen (Wie stimmt Liebe mit Werbung 1,2 zusammen?), Doppelausdrücke (Macht und Geld , Haß und Feindessinn , Geiz und Unverstand) häufen sich am Liedanfang ... Fast vierzig Jahre danach (1968!) ist zu fragen, ob und wie wir dieses Lied denn noch heute singen. Zwei weit ausholende Melodiebögen, um einen Ton versetzt, lassen den Liedinhalt erleben bis zum höchsten Ton (c’’ auf Haß ), von dem aus sich die Weise, in die man sich hineinhören muss, auf den Weg des Friedens hin abwärts (und wieder aufwärts zum Anfangston) begibt.

Der du vorausgingst weit (bzw. Der du uns weit voraus ): Hier soll auf dieses Lied von Olov Hartmann/ Sven-Erik Bäck/ Jürgen Henkys (schwedische Original Du som gick före oss) wenigstens hingewiesen werden, das in keiner Regionalausgabe des EG, nur im RG (Gesang- buch der Ev.-ref. Kirchen der deutschsprachigen Schweiz, dort unter Nr. 830) steht. Der du mit Lebensbrot/ durch die Geschichte ziehst/ tägliches Brot gib uns/ Christus, auch heute lautet die 2. Strophe dieses Liedes.

Alexander Völker
asvoelker@teleos-web.de


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