Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach, J. Neukirch, C. Dinkel, I. Karle

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Predigtreihe zum Vater Unser, Oktober 2006
Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden
Theologisch-hymnologische Informationen zu Liedern der Predigtreihe
Alexander Völker
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)


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Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden

Auf die Frage „Was ist das?“ antwortet Luther: „Gottes guter, gnädiger Wille geschieht wohl ohne unser Gebet, aber wir bitten in diesem Gebet, dass er auch bei uns geschehe“ (Kl. Kat., EG 806.3) Strophe 4 seines Vaterunser-Liedes (EG 344) interpretiert das Dein Wille geschehe durch die alliterativ (Konsonanten g und l) einprägsamen Z. 3f, wobei Geduld und gehorsam auf den Spitzentönen der im Oktavraum angelegten Melodie zu stehen kommen. Deren fließendes Gleichmaß wird durch die 5. Tonstufe (g’ in 13 von 48 Tönen, 6 Halbewerte) gesichert. Der Strophe-Schluss intensiviert noch einmal die Doppelbitte der Mittelzeile, indem er die Gegnerschaft des Menschen (Fleisch und Blut, Mt. 16,17) Gott und seinem Willen gegenüber auf den Punkt bringt.

Ganz anders, nämlich in barocker Vielfalt seiner Glaubenspoesie gibt Paul Gerhardt mit Ich weiß, mein Gott, dass all mein Tun (EG 497, Strophen 1.5.9) von Jer. 10,23 aus eine „lebenspraktische“ Auslegung der dritten Vaterunser-Bitte. Was anfangs im unüberbietbar schönen Bildwort heißt dass all mein Tun/ und Werk in deinem Willen ruhn (1,1f, vgl. 5,2!), gilt es nun in vielen Wechselfällen des Lebens eines Christen zu entfalten (original 18. Strophe!). Welches jeweils der Wille Gottes ist und wie er zu erfüllen (5,5) ist, wird durch Werk (1,2; 3,2; 7,5; 8,1), Rat (2,2.4f; 5,4), durch Weg (1,5; 2,3; 10,2f; 12,1ff.), durch Weisheit (4,4; 9,5) illustriert. Eine durch und durch „reformatorische“ Melodie mit dreifachem Einsatz auf c’’, der Orientierung an dem, was du regierst (1,4) mit moderaten Abgängen versinnbildlicht, wie stark alles von ihm, der mein Freund und treuer Rat (5,4; vgl. 8,1) ist, abhängt, wie etwas für Menschen Unmögliches (9,2), eben nicht auf meinem eignen Willen zu bestehn (5,2f.), durch Gebet „gelingen“ kann: Dass Dein Wille geschehe.

Nicht im Bild vom Kampf gegen Sünde, Tod und Teufelswerk wie Luther (Gr. Kat.) oder in behutsam-artigen Reimstrophen. wie Paul Gerhardt geben Kurt Marti und Arnim Juhre in Manchmal kennen wir Gottes Willen (EG Ausg. Baden/Elsaß/Pfalz 642, Niedersachsen/Bremen 594, Österreich 633, Württemberg 626) eine ganz „authentisch“ wirkende Wiedergabe unserer Befindlichkeit der dritten Vaterunserbitte gegenüber. Diese ist durch ein achtfaches manchmal gekennzeichnet, das im kennen/ sehen/ spüren/ wirken zwischen dem Ewigen (Gottes Willen/ Zukunft/ Liebe/ Frieden) und dem – so vielfach erlebten – nichts hin- und herschwankt; die prosaartige Diktion hat längst ein ihr entsprechendes Reihungsprinzip gefunden. Die vertrauten Sprachklänge der Bitten (Erleuchte/ Bewahre/ Begleite/ Erwecke ) schwächen den Aufschrei der 3. Z. (Spitzenton auf Herr ) nicht ab. Entspricht nicht die „Suchbewegung“ der ersten Melodie-Hälfte dem manchmal Ja, manchmal Nein (auf die die Melodie am Ende wieder zurückzusinken scheint)? Fragen/ Ängste/ Zweifel gehören zum Glauben an diesen Gott ein Leben lang nun einmal hinzu – beides ist zu erleben, Angst und Gewissheit. Erst Strophe 4 bricht mit der Reihungsform (wenn/ dass ) in der österlichen Bitte Erwecke uns , damit auch unsere Mitverantwortung für Gottes Frieden aussprechend (ohne, wie viele zeitgenössische Lieder dies tun, die entscheidende Besserung von Leben und Welt ursächlich von unserem Tun abhängig zu machen).

Alexander Völker
asvoelker@teleos-web.de

 


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