Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach, Redaktion: C. Dinkel und I. Karle

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Passionszeit 2006
Theologische und kirchenmusikalische Anregungen zu Passionsliedern
Alexander Völker und Thomas Schmidt
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Zum 5. Sonntag der Passionszeit (2. April 2006)

O Mensch, bewein dein Sünde groß EG 76

Manchmal „predigen“ Lieder mehr, als dies biblische Texte auf den ersten Blick hin tun: Die Anfangs- und Endstrophe einer 23-teiligen Liedpassion Sebald Heydens, die das EG bringt, wollen allen Hörenden/Singenden (Mensch, 1,1; 2,10) den Sinn und die „Frucht“ des Opferwegs Jesu Christi (darum, 1,2; vgl. 1,10; 2,10ff.) vor Augen stellen. Die Vorzüge des Liedes: das kleine Credo-Summarium (ab 1,2ff.); das klare für uns/an uns (1,5.10; 2,2.8); die Bindung an biblische Vorgaben (äußert, vgl. Phil 2,7; Auferweckungen/Krankenheilungen des irdischen Jesus, 1,7f.); die durchweg ‚regulierte’, weiträumig angelegte Melodie, welche nicht langweilig-langwierig wird; gelegentliche Lautmalerei (1,9); gleichartige (Sequenz-)Folgen (1,7/1,8; 1,10 quartversetzt 1,11), auch imstande, ‚episch’ breiten Textcorpora (wie der Pfingstgeschichte EG 127) zu dienen – noch in ihrem Entstehungsjahrhundert wurde sie als „Hymne der Hugenotten“ („Que Dieu se montre seulement“, zu Ps 68) bis in die Bartholomäusnacht hinein (1572) gesungen.

Liedanfang aus dem Genfer Psalter 1565

Gericht und Gnade, tödliche Verwundung und Heilung dürften als Kennzeichen von 4. Mose 21,4-9 zu nennen sein; Unheils- wie Heilszeichen (Äskulapstab!) sind in diesem Predigttext auf Israels Sünde zurückzuführen. Für das Lied stellt diese eine Lebenswirklichkeit dar, die zu beklagen ist (1,1), deren Schwergewicht und Mächtigkeit von Christus am Kreuz getragen, überwunden ist (1,11f.); ihre Gefährlichkeit muss ein Christ erkennen (2,4) und wissen, wie sehr sie Gottes Zorn herausfordert (2,11). In diesen Daseinshorizont zeichnet Strophe 2 ein, was es für den Christen aufgrund des Leidens, Sterbens Jesu zu tun gibt: ihmdankbar sein (2,1), sich Klarheit, Licht von Gotts Wort geben lassen (2,5), schließlich (parallel zur österlichen Zeile 1,7) die Lieb erzeigen jedermann (2,7). Über den biblischen Text weit hinaus „predigt“ auch hier Strophe 2 auf ihre Weise.

-> EG 76

Alexander Völker
asvoelker@teleos-web.de


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