Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach, J. Neukirch, C. Dinkel, I. Karle

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20. Sonntag nach Trinitatis, 29. Oktober 2006
Predigt zu 1. Korinther 7, 29-31, verfaßt von Juraj Bándy (Slowakei)
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)


Wir alle leben in einer konkreten Zeit. Wir alle wissen, dass die Zeit an Sekunden, Minuten, Stunden, Tage, Wochen, Monate, Jahre, Jahrzehnte und Jahrhunderte gemessen wird. Wir alle beobachten, wie die Zeit läuft, aber wenn wir definieren müssten, was die Zeit ist, hätten wir Schwierigkeiten. Schöpfen wir Trost daraus, dass mit der Definition der Zeit auch die Physiker und die Philosophen gewaltige Probleme haben.

Ohne darüber nachzudenken, ob es wahr ist, pflegen wir zu sagen: Ich habe keine Zeit. Zeit ist Geld. Die Zeit ist unerbittlich. Die Zeit heilt alle Wunden. Die Zeiten ändern sich. Wir leben in schwierigen Zeiten.

Auch in dem eben gehörten Abschnitt aus der Heiligen Schrift haben wir eine Aussage über die Zeit gehört. Der Apostel Paulus schreibt: „Das sage ich aber, liebe Brüder: Die Zeit ist kurz“ (V. 29). In welchem Zusammenhang hat er es geschrieben?

Der Apostel war überzeugt, dass die Zeit der Wiederkunft Christi sehr nahe ist und er selbst sie noch erlebt. Er ist aus dieser Überzeugung ausgegangen, als er den Christen in Korinth Ratschläge für ihre alltägliche Probleme gegeben hat. In diesem Zusammenhang schrieb er: „Die Zeit ist kurz.“ Er schrieb ihnen, dass sie wenig Zeit dafür haben, ihr Leben gottgefällig umzugestalten und dass sie nur wenig Zeit in dieser Welt bis zur Wiederkunft Christi auszuhalten sollen.

Wir wissen, dass der Apostel sich über die baldige Wiederkunft Christi geirrt hat. Niemand weiss von dem Tage seines Kommens, „sondern allein der Vater“ (Mt 24, 36). Obwohl das Datum des Kommens Christi unbekannt ist, seine Wiederkunft ist sicher. Darum sollen wir darauf immer vorbereitet sein. Weil wir nicht wissen, ob Herr Jesus bald oder nach einer langen Zeit die Lebendigen und die Toten richten kommt, sollen wir nie sagen, dass wir noch genug Zeit mit den Sachen Gottes zu kümmerrn haben.

Abgesehen davon, wann Christus in seiner Herrlichkeit kommt, unsere Zeit hier auf der Erde kurz ist und sein Ende nicht in unserer Macht steht. Jetzt, wenn der Festtag der Allerseelen vor der Tür steht, nehmen wir wieder wahr, dass die Zeit kurz ist. Der Apostel drückt es mit dem Wort synestalmenos aus, was wortwörtlich gedrückt oder zusammengedrückt bedeutet. Unsere Zeit ist unter dem Druck. Mit der Schachterminologie ausgedrückt: wir sind unter Zeitdruck.

Der Apostel schreibt nicht nur darüber, dass die Zeit kurz ist, sondern auch darüber, dass „das Wesen dieser Welt vergeht“ (V. 31). Paulus schreibt über das schema der Welt, über die Art und Weise, wie die Welt geordnet wird. Er konnte an die Veränderungen denken, die sich in seiner Epoche abspielten. Er konnte aber auch den Verfall meinen, besonders den geistlichen und moralischen Verfall, den er beobachtete. Die Gestaltung der Welt rund um sich hat er als etwas veränderliches und vergehendes (paragei) betrachtet. Die Christen in Korinth sollten wissen, dass sie die Lösung auf die Fragen., die sie an den Apostel gestellt haben – ob sie heiraten sollen, ob die Sklaven sich freikaufen sollen, ob die Beschneidigung nötig ist – auf dem Hintergrund suchen sollen, dass „das Wesen dieser Welt vergeht“.

Warun hat der Apostel den Christen in Korinth betont, dass die Zeit kurz ist und dass „das Wesen dieser Welt vergeht“? Er hat das aus zwei Gründen getan. Er wollte, damit die Christen in Korinth „ohne Sorge“ (V. 32) seien und damit sie „stetig und unverhindert dem Herrn dienen“ könnten (V. 35). Auch wenn wir in einer anderen Zeit als der Apostel Paulus und die Christen in Korinth leben, auch uns soll die Vergänglichkeit dieser Welt dazu stimulieren,

1. damit wir ohne Sorge seien und
2. damit wir stetig dem Herrn dienen.

Ad 1. Wir können auf die Vergänglichkeit dieser Welt verschiedenartig reagieren. Wir können der Verzweiflung verfallen. Wir können quasi gleichgültig bleiben. Wir können schnell die Vergnügen dieser Welt nach der Parole carpe diem geniesen. Der Apostel gibt uns aber einen anderen Rat. Er ratet uns, damit wir ohne überflüssige Sorgen wären. Er macht uns darauf aufmerksam, dass die vorläufige Sachen nicht unsere Aufmerksamkeit von dem ablenken, was dauernd ist. Er führt auch fünf Beispiele an, wie den Abstand von den weltlichen Verbindungen und Sachen wir halten sollen. Er nennet die Ehe, die Trauer, die Freude, die Beziehung zum Vermögen und die Beziehung zur Welt.

Den Eheleuten gibt Paulus diesen Rat: „Fortan müssen auch, die da Frauen haben, sein, als hätten sie keine“ (V. 29). Verbietet der Apostel die Ehe? Ist er gegen die Sexualität? Lockt er zur Vernachlässigung des Famileinlebens? Wenn er das täte, wäre er gegen alles, was das Alte Testament und Her Jesus über die Ehe sagte. Der Apostel will nur betotnen, dass die Ehe eine irdiche, diessetige Institution ist. Es wird keine Ehe in der Ewigkeit geben (Mt 22, 33 – 34). Es ist merkwürdig, aber auch ein gesegnetes Bündniss wie die Ehe unumstritten ist, kann den Menschen von dem Herrn ablenken, wenn wir es nicht in Zusammenhang mit unserem ewigen Ziel stellen.

Die zweite Gruppe, die der Apostel anspricht, sind die weinenden. Paulus schreibt ihnen: „Fortan müssen auch...die da weinen...sein...als weinten sie nicht.“ Es ist ein grosser Trost für alle, die trauern. Jede Trauer in dieser Welt wird ein Ende haben, weil in der Eewigkeit Önoch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird meht sein“ (Ofb 21, 4). Wenn du, lieber Bruder und liebe Schwester, trauerst, sollst du wissen, dass diene Taruer nur vergänglich ist,weil Gott uns in die ewige Freude erwartet.

Der Apostel hält es für wichtig, auch die anzusprechen, die Freude haben. Er schreibt ihnen: „Fortan müssen auch...die sich freuen...sein...als freuten sie nicht“ (V, 30). Nicht nur die Trauer, sondern auch die Freude ist auf dieser Erde vergänglich. Wenn du, lieber Bruder und liebe Schwester einen Grund für die Freude hast, du sollst wissen, dass das Reich Gotttes nicht die Fortsetzung der irdischen Freude ist, sondern „Freude in dem heiligen Geist“ (R 14, 17).

Auch für diejenige hat der Apostel eine Unterweisung, die ihr Vermögen durch einen Kauf vergrössert haben.Er schreibt ihnen: „Fortan müssen auch...die da kaufen...sein...als besäsen sie es nicht“ (V, 30). Wenn wir solche innere Freiheit zum Vermögen haben, wenn wir solchen Abstand haben, dann bereuen wir es nicht, dass wirr aus der Welt „nichts hinausbringen“ (1Tim 6, 7).

Zum Schluss spricht Paulus umfassend von dem Gebrauch von allem, was die Welt bietet, als gebrauchten wir es nicht (V. 31). Wir sollen also von nichts sagen, dass wir ohne es nicht leben können, sei es irgendwas. Nur eine solche innnere Freiheit und ein gewisser Abstand von den weltlichen Dingen (fünfmal hós mé ! ) ermöglicht, damit wir nicht besorgt seien und damit „die Sorge der Welt und der Betrug des Reichtums“ (Mt 13, 22) die Sehnsucht nach dem ewigen Leben ersticken.

Ad 2. Die Ratschläge und Ermahnungen, die der Apostel gibt, können uns als unangenehme Begrenzungen und Verbote erscheinen. Er selbst war dessen bewusst und deswegen fügt er hinzu: „Solches aber sage ich zu eurem eigenen Nutzen; nicht dass ich euch einen Strick um den Hals werfe, sondern dazu, dass es fein zugehe und ihr stetig und unverhindert dem Herrn dienen könnt.“ (V. 35). Darum geht es also: um das Ausharren bei dem Hernn, um das Erreichen des Zieles. Seien wir beharrlich! Die Beharrlichkeit ist nötig nicht nur beim Studium, nicht nur beim Sport, sondern auch für den Glauben. Wenn wir beharren werden wir unser Leben gewinnen (L 21, 19).

Im heutigen Predigttext haben wir die Mahnung des Apostels Paulus an die Gemeinde in Korinth gehört, dass die Zeit kurz ist und dass das Wesen dieser Welt vergeht. Auch wenn wir in einer anderen Zeit als der Apostel Paulus und die Christen in Korinth leben, auch uns soll die Vergänglichkeit dieser Welt dazu stimulieren, damit wir ohne Sorge seien, damit wir innere Freiheit und nötigen Abstand von den weltlichen Dingen haben und damit wir stetig dem Herrn dienen, weil wer „beharret bis ans Ende, der wird selig“ (Mk 13, 13). Amen.

Prof. Juraj Bándy, Comenius-Universität Bratislava
juraj.bandy@fevth.uniba.sk

 

 

 


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