Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach, Redaktion: C. Dinkel und I. Karle

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Pfingstsonntag, 4. Juni 2006
Predigt zu 1. Korinther 2, 12-16, verfasst von Ján Grešo (Bratislava, Slowakei)
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)


"Wir aber haben nicht empfangen den Geist der Welt, sondern den Geist aus Gott, dass wir wissen können, was uns von Gott geschenkt ist. Und davon reden wir auch nicht mit Worten, wie sie menschliche Weisheit lehren kann, sondern mit Worten, die der Geist lehrt, und deuten geistliche Dinge für geistliche Menschen. Der natürliche Mensch aber vernimmt nichts vom Geist Gottes; es ist ihm eine Torheit, und er kann es nicht erkennen; denn es muss geistlich beurteilt werden. Der geistliche Mensch aber beurteilt alles und wird doch selber von niemandem beurteilt. Denn »wer hat des Herrn Sinn erkannt, oder wer will ihn unterweisen« ? Wir aber haben Christi Sinn."

Von zwei Typen des Geistes ist in diesem Abschnitt die Rede: Vom Geist der Welt und vom Geist aus Gott. Wir möchten gern das Wesen und die Eigenschaften von beiden begreifen, sie beschreiben und dann miteinander vergleichen. Das ist der Wunsch unserer Neugier, die bestrebt ist, alles so gründlich wie nur möglich zu erkennen. Aber dieses Interesse ist hauptsächlich theoretisch, und die Heilige Schrift stellt uns die geistlichen Sachen vor allem aus einem praktischen Gesichtspunkt vor, das heißt, sie bringt die Antwort auf die Frage: Was diese Sachen für den Menschen bedeuten? Diese Einteilung der Wirkungen – wenn es um den Heiligen Geist geht – hat schon Jesus im nächtlichen Gespräch mit Nikodemus erwähnt, indem er ihm gesagt hat: „ Der Wind bläst, wo er will, und du hörst sein Sausen wohl; aber du weißt nicht, woher er kommt und wohin er fährt. So ist es bei jedem, der aus dem Geist geboren ist.“ Die theoretische Frage vom Ursprung und Wesen des Windes ist hier beiseite gelassen, im Zentrum der Aufmerksamkeit steht die praktische Frage, was der Wind bewirkt. So ist es nach den Worten von Jesus auch mit dem Geist. Nicht die Definition oder Definitionen des Heiligen Geistes bietet uns das Wort Gottes an, sondern es spricht darüber, was dieser Geist bewirkt, und was uns davon angeboten ist, damit wir es uns aneignen. Die Liste der angebotenen Werte, deren Urheber der Heilige Geist ist, ist reichhaltig und das volle Bild dieses Angebots ist interessant. Jetzt aber beschränken wir uns auf das, worüber unser Bibelabschnitt spricht.

Der Geist aus Gott befähigt uns zu begreifen, was wir aus Gottes Gnade bekommen haben. Alles, was wir haben, haben wir von Gott empfangen. Das ist eine sozusagen objektive, von unserem Wissen unabhängige Wirklichkeit. Das gilt, ob wir das wissen oder nicht, ob wir das anerkennen oder nicht. Das Blickfeld des Menschen, der unter dem Einfluss des Geistes der Welt lebt, ist auf die empirischen Erfahrungen begrenzt. Gottes Gaben aus der Natur nimmt er zwar an, aber er fragt nicht von wem diese Gaben stammen. Ja, oft geht er so weit, dass er diese Sachen nur seiner, oder überhaupt der menschlichen Weisheit, Erfindungskraft, Geschicklichkeit, Anstrengung zuschreibt. Wer aber gestattet, das der Geist aus Gott ihm die Augen öffnet, dem wird es klar, dass auch die Gaben der Natur, die der Mensch sich durch Wissenschaft, Technik und Arbeit aneignet, dass auch die von Gott stammen, dass sie Gaben seiner Gnade sind. Von dem gedankenlosen Annehmen der Gaben Gottes will die apostolische Botschaft die damalige und die heutige heidnische Welt zum bewussten und dankenden Annehmen alles dessen führen, was uns Gott gibt. Als Beispiel können wir die Worte anführen, die an der ersten Missionsreise, in Lystra, gesagt worden sind: „Wir predigen euch das Evangelium, dass ihr euch bekehren sollt von diesen falschen Göttern zu dem lebendigen Gott, der Himmel und Erde und das Meer und alles, was darin ist, gemacht hat. Zwar hat er in den vergangenen Zeiten alle Heiden ihre eigenen Wege gehen lassen; und doch hat er sich selbst nicht unbezeugt gelassen, hat viel Gutes getan und euch vom Himmel Regen und fruchtbare Zeiten gegeben, hat euch ernährt und eure Herzen mit Freude erfüllt.“ Erst durch das Wirken des Heiligen Geistes kann sich der Mensch diese große Erkenntnis aneignen, die ihn dazu hinführen soll, dass er beim Annehmen der Lebensbedürfnisse ihren Ursprung zur Kenntnis nimmt und für sie Gott dem Herrn dankt.

Aber an den Missionsreisen ging es dem Paulus hauptsächlich um die Verkündigung dessen, was uns Gott aus Gnade in seinem Sohn Jesus Christus geschenkt hat. Der Apostel hatte Erfahrungen, wie große Probleme mit dem wirklichen Annehmen dieser Botschaft verbunden worden sind. Die erste Erfahrung hat er in seinem eigenen Leben gefunden, in der Zeit, in der seine Abweisung dieser Botschaft ihn zu der rasenden Feindschaft gegen alles geführt hat, was mit dem Namen von Jesus Christus verbunden war. Wie hat sich das in seinem Leben geändert? Er hat darüber nachgedacht, und in einem seiner Briefe lesen wir seine Antwort: „ Als es aber Gott wohlgefiel, der mich von meiner Mutter Leib an ausgesondert und durch seine Gnade berufen hat, dass er seinen Sohn offenbarte in mir, damit ich ihn durchs Evangelium verkündigen sollte unter den Heiden, da besprach ich mich nicht erst mit Fleisch und Blut. “ Ohne dieses helfende Eingreifen von oben würde er durch seine Vernunft zum Erkennen und zum Annehmen dessen nie kommen können, was Gott auch ihm aus Gnade geschenkt hat.

Weitere ähnliche Erfahrungen hat er in seiner Missionstätigkeit gefunden. Als Apostel von Jesus Christus ist er immer wieder Widerstand und Feindschaft begegnet. Diese Erfahrungen hat er folgendermaßen zusammengefasst: „ Denn die Juden fordern Zeichen, und die Griechen fragen nach Weisheit, wir aber predigen den gekreuzigten Christus, den Juden ein Ärgernis und den Griechen eine Torheit; denen aber, die berufen sind, Juden und Griechen, predigen wir Christus als Gottes Kraft und Gottes Weisheit. “

Vor dem Hintergrund der Zurückweisung der Botschaft von der Erlösung durch das Opfer von Jesus Christus musste sich der Apostel fragen, wie soll er sich erklären, dass er trotz allem auch solche Menschen gefunden hatte, die diese Botschaft angenommen haben und für die Treue Jesus gegenüber bereit waren, auch Verfolgungen an sich zu nehmen. Er hat die Antwort gefunden. Die Wirkung des Heiligen Geistes war die Antwort. Gerade das ist in den Worten unseres Textes ausgedrückt: „Wir aber haben nicht empfangen den Geist der Welt, sondern den Geist aus Gott, dass wir wissen können, was uns von Gott geschenkt ist.“ Dem Wirken des Heiligen Geistes schreibt der Apostel zu, dass die Leute in Korinth in Jesus Christus ihren Heiland entdeckt haben. Dasselbe gilt auch von anderen Gemeinden. Wichtig ist, in diesem Zusammenhang seine Worte darüber zu erwähnen, dass man nur durch den Heiligen Geist mit ganzem Herzen sagen kann, dass Jesus der Herr ist.

Lange vorher hat Jesus denselben Zusammenhang ausgesprochen. Nach der Bekenntnis von Petrus: „Du bist Christus, des lebendigen Gottes Sohn!“ hat ihm Jesus gesagt: „Selig bist du, Simon, Jonas Sohn; denn Fleisch und Blut haben dir das nicht offenbart, sondern mein Vater im Himmel.“

Auf eine ausgezeichnete Weise hat Martin Luther die Verbindung zwischen der Entstehung des Glaubens an Jesus als Messias und Herrn und zwischen dem Wirken des Heiligen Geistes ausgedrückt: „ Ich glaube, dass ich nicht aus eigener Vernunft noch Kraft an Jesum Christum, meinen Herrn, glauben oder zu ihm kommen kann; sondern der Heilige Geist hat mich durch das Evangelium berufen, mit seinen Gaben erleuchtet, im rechten Glauben geheiligt und erhalten; gleichwie er die ganze Christenheit auf Erden beruft, sammelt, erleuchtet, heiliget und bei Jesu Christo erhält im rechten, einigen Glauben.“

Wenn wir glauben, dass Gott ist, dass er Schöpfer von allem im Weltall und auf unserer Erde ist, dass von ihm alle, auch unsere Lebensbedingungen stammen, wenn Jesus Christus die zentrale Stellung in unserem Denken und Leben einnimmt, wenn wir die Sündenvergebung empfangen haben und immer empfangen, wenn wir uns trotz unserer Sünden von Gott angenommen wissen, wenn wir eine starke Sehnsucht empfinden, zum Bild von Jesus Christus umgestaltet zu werden, wenn wir in unserem Leben schon auch einige verwirklichte Schritte in dieser Richtung feststellen können, wenn wir mit der ewigen Leben ernst rechnen, wenn wir infolge dieser eschatologischen Hoffnung den Lebenssinn schon auch in diesem zeitlichen Leben entdecken können – so sind das keine selbstverständliche Sachen, sondern all das können wir nur dank der Wirkung des Geistes aus Gott haben. Für diese große Gabe sollen wir unserem Gott dankbar sein.

Zugleicht bitten wir, dass uns der Heilige Geist auch weiterhin führt und dass er uns bewahrt, dass wir nicht unter den Einfluss des Geistes der Welt zurückfallen. Wir denken an die, die sich durch den Geist der Welt ihren Horizont beschränken lassen. Wir bitten, dass sie ein mächtiges Wirken des Heiligen Geistes erleben, die auch in ihrem Leben zur großen Entdeckung dessen führen würde, was auch sie unbedingt angeht, was sie aber bis jetzt nicht erkannt haben.

Der Apostel deutet an, dass der Heilige Geist nicht nur bei der Entstehung des Glaubens auf den Menschen einwirkt, sondern auch weitere Lebensbereiche des gläubigen Christen beeinflusst. Unter anderem geht es um die Kommunikation auf der geistlichen Ebene. Es geht freilich nicht um eine Kommunikation, die nur auf den religiösen Umkreis beschränkt bliebe. Es geht um die Kommunikation im alltäglichen Leben, in der aber alle Dinge, Geschehnisse, Werte aus dem Standpunkt dessen gesehen werden, was uns Gott in Jesus Christus aus seiner Gnade geschenkt hat. Inmitten der akuten Probleme der Welt soll sich durch das Einwirken des Heiligen Geistes zeigen, dass sich der einzelne zum besseren verändert und dass dadurch auch die Welt wenigstens um etwas besser wird.

Die Veränderung des Menschen zum besseren muss von innen, von den Wurzeln geschehen. Das ist in den letzten Worten des Textes angedeutet: „ Wir aber haben Christi Sinn.“ Auf die Weise von Jesus Christus zu denken lernen, sich stufenweise seine Einschätzung der einzelnen Sachen aneignen, sein Denken der Liebe und des Friedens annehmen, sich seine Perspektive bis in die Ewigkeit hin bewahren, schon jetzt in der Gemeinschaft mit ihm leben, sich auf die volle Gemeinschaft mit ihm in der Ewigkeit freuen – das sind einige Bestandteile der Transformation des Menschen zum neuen Wesen. Der Heilige Geist kann und will uns in dieser Richtung führen. Darum sollen diese Feiertage durch die Bitte bestimmt sein: „ Komm, Heiliger Geist, Herre Gott, / Erfüll mit deiner Gnaden Gut / Deiner Gläubigen Herz, Mut und Sinn, / Dein' brünstig Lieb' entzünd' in ihn'n! – Amen.

Dr. Ján Grešo, Bratislava
greso@fevth.uniba.sk

http://www.ecavba.sk/


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