Lätare, 26. März 2006 |
Wieder einmal Wahlsonntag: In drei Bundesländern werden neue Landtage gewählt - und in den lutherischen Kirchen in Niedersachsen neu Kirchenvorstände. Ich will es tun. Und die Kiste ist ganz schön gefüllt - jedenfalls was die Vorurteile gegenüber und die Klischee von Politikern angeht. Ja und da sitzen dann am Stammtisch der Parolen vielleicht doch auch die, die das ganze anders sehen: „Es gibt doch auch die treuen „Parteisoldaten", die in ein Amt geradezu gedrängt werden, die der Kandidatur zustimmen aus Pflichtgefühl, weil sie die Ihren nicht enttäuschen wollen." Und ein anderer sagt vielleicht sogar: „Ich glaube, daß es den meisten doch um das Gemeinwohl geht, so wie sie es sehen und verstehen, mit ihrem Hintergrund, mit ihrer Lebensgeschichte, mit ihrer Sicht der Welt, des Menschen und der Dinge!" Wie steht es damit in unserer Kirche, bei denen, die sich engagieren, auch bei denen, die heute zur Wahl stehen? Ist da alles ganz anders, oder geht es auch da manchmal zumindest menschlich-allzumenschlich zu? Nach vielen Jahren Ehrenamt und 35 Jahre Dienst als Pastor, bin ich überzeugt, daß es den weitaus meisten wirklich um die Sache geht - um die Sache nicht nur der Gemeinde, der Kirche, sondern um die Sache Jesu Christi - daß sie eben ihrer Sicht der Welt und des Menschen und der Dinge verpflichtet sind - kurz gesagt, ihrem Glauben, der sich entwickelt hat, vielleicht durch Krisen gehen mußte, sich festigte und gestärkt wurde. Ich weiß auch, daß es den einen oder die andere gibt, die auf Drängen von Gemeindegliedern aus Pflichtgefühl wie ein „Parteisoldat" sich zur Kandidatur entschlossen haben - und ich kann daran nichts ehrenrühriges finden. Daß es auch in Kirchengemeinden Menschen gibt, die gern Macht ausüben - sei sie auch noch so gering - das habe ich auch erfahren müssen -so wenige es auch sein mögen. Und für das persönliche Selbstwertgefühl - ich weiß nicht: Mir scheint das Ehrenamt - übrigens nicht nur in der Kirche - meist weit mehr „Amt" zu sein als „Ehre" abzuwerfen, meist mehr Arbeit mit sich zu bringen als Anerkennung - und, ist es bei den politisch tätigen anders? Trotzdem: Es mag ganz verschiedene Motivationen geben für das Engagement, für die Bereitschaft, in einer Kirchengemeinde an vorderster Stelle Verantwortung zu übernehmen - die, von denen ich sprach und wahrscheinlich manch andere, die mir nicht einfielen. Paulus hat sich mit dieser Frage auseinandergesetzt - und er ist zu überraschenden Einsichten gekommen. Überraschend in der Tat: Wie kann Paulus, der sich leidenschaftlich für Christus und für sein Evangelium einsetzt zu einer Aussage kommen, die die Grenze zur Gleichgültigkeit nicht nur streift, sondern zu überschreiten scheint. „Wenn nur Christus gepredigt wird" - dann ist es gleichgültig, warum es jemand tut? Aus Neid, Streitsucht, Eigennutz, Unlauterkeit - gleich gültig wie Liebe zu Christus, zum Evangelium und zum Menschen, wie gute Absicht - Machtstreben und Egoismus, persönlicher Vorteil und partikulare Interessen gleich gültig wie Liebe zu Christus und seiner Kirche, wie Verantwortungsbewußtsein und Glaubensüberzeugung? Dabei geht es doch nicht um dies oder das, sondern um alles, um Leben und Tod: Paulus liegt im Gefängnis, und offenbar wollen die, die aus unlauteren Motiven Christus predigen, Paulus schaden. Es geht um Leben und Tod, darum fährt Paulus auch in seinem Schreiben fort in den Versen 18b bis 21: Ja, im Leben und im Sterben weiß Paulus sich gehalten und getragen von Christus - darum traut er ihm auch zu, daß er alles, jedes Motiv, jede Begründung - wie immer sie auch meinen Augen aussehen mag - zu Guten wenden kann und zum Guten wenden will: Zu des Menschen Rettung! Und noch an eines erinnert mich Paulus, der so gar nicht Gleichgültige: An eine Geschichte aus dem Alten Testament, in der es um eine ganz besondere Wahl ging, eine Geschichte, dessen Kernsatz im Jahre 2003 die Jahreslosung war (1. Samuel 16): Der König Israels hat die Zustimmung, den Schutz und die Hilfe Gottes verspielt, ein neuer König soll gefunden und gesalbt werden: Samuel, der Prophet wird dazu beauftragt. Zu Isai nach Bethlehem soll er gehen. Als er dessen ersten Sohn sieht, offensichtlich ein beeindruckender Mann, meint er, nur das könne der Erwählte sein. Und so geht es dem Propheten mit der ganzen beindruckenden Reihe der Söhne Isaias - einer nach dem anderen wird abgelehnt - und nur der, an den keiner dachte, ein Junge noch zu nichts gut als die Schafe zu hüten - er war der von Gott Erwählte: David. „Ein Mensch sieht, was vor Augen ist..." wir sehen das offenkundige und oft nur das erwartete und manchmal nur das, was wie sehen wollen Amen. Hilmar Menke |
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