Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach, Redaktion: C. Dinkel und I. Karle

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Lätare, 26. März 2006
Predigt zu Philipper 1, 15-21, verfasst von Hilmar Menke
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)


Wieder einmal Wahlsonntag: In drei Bundesländern werden neue Landtage gewählt - und in den lutherischen Kirchen in Niedersachsen neu Kirchenvorstände.
Wahlsonntag: Anlaß, wieder einmal in die große Kiste mit den Klischees und Vorurteilen zu schauen?

Ich will es tun. Und die Kiste ist ganz schön gefüllt - jedenfalls was die Vorurteile gegenüber und die Klischee von Politikern angeht.
„Die brauchen das doch nur für ihr Ego, zur Selbstbestätigung damit sie vor sich selbst und vor anderen als bedeutend und wichtig dastehen." „Es geht doch nur um die Macht, dafür tun die doch alles - Macht für sich und über andere!" „Und um Interessen - die eigenen, die von Verbänden und gesellschaftlichen Gruppen: Unternehmer oder Gewerkschaften, Industrie oder Bauernverband, Regionen oder Berufsgruppen - „Lobbyarbeit", sonst nichts!" „Und was ist mit den persönlichen Vorteilen, mit satten Diäten und ordentlichen Pensionen"

Ja und da sitzen dann am Stammtisch der Parolen vielleicht doch auch die, die das ganze anders sehen: „Es gibt doch auch die treuen „Parteisoldaten", die in ein Amt geradezu gedrängt werden, die der Kandidatur zustimmen aus Pflichtgefühl, weil sie die Ihren nicht enttäuschen wollen." Und ein anderer sagt vielleicht sogar: „Ich glaube, daß es den meisten doch um das Gemeinwohl geht, so wie sie es sehen und verstehen, mit ihrem Hintergrund, mit ihrer Lebensgeschichte, mit ihrer Sicht der Welt, des Menschen und der Dinge!"

Wie steht es damit in unserer Kirche, bei denen, die sich engagieren, auch bei denen, die heute zur Wahl stehen? Ist da alles ganz anders, oder geht es auch da manchmal zumindest menschlich-allzumenschlich zu?

Nach vielen Jahren Ehrenamt und 35 Jahre Dienst als Pastor, bin ich überzeugt, daß es den weitaus meisten wirklich um die Sache geht - um die Sache nicht nur der Gemeinde, der Kirche, sondern um die Sache Jesu Christi - daß sie eben ihrer Sicht der Welt und des Menschen und der Dinge verpflichtet sind - kurz gesagt, ihrem Glauben, der sich entwickelt hat, vielleicht durch Krisen gehen mußte, sich festigte und gestärkt wurde.

Ich weiß auch, daß es den einen oder die andere gibt, die auf Drängen von Gemeindegliedern aus Pflichtgefühl wie ein „Parteisoldat" sich zur Kandidatur entschlossen haben - und ich kann daran nichts ehrenrühriges finden.
Persönliche Vorteile sind jedenfalls mit dem kirchlichen Ehrenamt wohl kaum zu erlangen - mag sein, daß es Vereinzelte gibt, die das glauben.
Und, was ist falsch daran, wenn sich jemand aufstellen läßt, weil er die Belange ganz bestimmter Gruppen oder Kreise oder Arbeitsbereiche in der Gemeinde vertreten will und vertreten soll: Die Kirchenmusik oder die Jugendarbeit, den Besuchsdienst oder die Partnerschaftsarbeit, die Mission nach außen und innen oder die Seniorenarbeit, die Diakonie oder den Gottesdienst, Friedhof oder Kindergarten - und was es in unseren Gemeinden noch alles geben mag...

Daß es auch in Kirchengemeinden Menschen gibt, die gern Macht ausüben - sei sie auch noch so gering - das habe ich auch erfahren müssen -so wenige es auch sein mögen.

Und für das persönliche Selbstwertgefühl - ich weiß nicht: Mir scheint das Ehrenamt - übrigens nicht nur in der Kirche - meist weit mehr „Amt" zu sein als „Ehre" abzuwerfen, meist mehr Arbeit mit sich zu bringen als Anerkennung - und, ist es bei den politisch tätigen anders?

Trotzdem: Es mag ganz verschiedene Motivationen geben für das Engagement, für die Bereitschaft, in einer Kirchengemeinde an vorderster Stelle Verantwortung zu übernehmen - die, von denen ich sprach und wahrscheinlich manch andere, die mir nicht einfielen.

Paulus hat sich mit dieser Frage auseinandergesetzt - und er ist zu überraschenden Einsichten gekommen.
Im Bibelabschnitt, der für heute Grundlage der Predigst ein soll, im Philipperbrief, Kapitel 1, Verse 15 bis 18a schreibt er (zitiert nach der Lutherbibel):
„Einige zwar predigen Christus aus Neid und Streitsucht, einige aber auch in guter Absicht: diese aus Liebe, denn sie wissen, daß ich zur Verteidigung des Evangeliums hier liege; jene aber verkündigen Christus aus Eigennutz und nicht lauter, denn sie möchten mir Trübsal bereiten in meiner Gefangenschaft. Was tut's aber? Wenn nur Christus verkündigt wird auf jede Weise, es geschehe zum Vorwand oder in Wahrheit, so freue ich mich darüber."

Überraschend in der Tat: Wie kann Paulus, der sich leidenschaftlich für Christus und für sein Evangelium einsetzt zu einer Aussage kommen, die die Grenze zur Gleichgültigkeit nicht nur streift, sondern zu überschreiten scheint.

„Wenn nur Christus gepredigt wird" - dann ist es gleichgültig, warum es jemand tut? Aus Neid, Streitsucht, Eigennutz, Unlauterkeit - gleich gültig wie Liebe zu Christus, zum Evangelium und zum Menschen, wie gute Absicht - Machtstreben und Egoismus, persönlicher Vorteil und partikulare Interessen gleich gültig wie Liebe zu Christus und seiner Kirche, wie Verantwortungsbewußtsein und Glaubensüberzeugung?

Dabei geht es doch nicht um dies oder das, sondern um alles, um Leben und Tod: Paulus liegt im Gefängnis, und offenbar wollen die, die aus unlauteren Motiven Christus predigen, Paulus schaden.

Es geht um Leben und Tod, darum fährt Paulus auch in seinem Schreiben fort in den Versen 18b bis 21:
„Aber ich werde mich auch weiterhin freuen; denn ich weiß, daß mir dies zum Heil ausgehen wird durch euer Gebet und durch den Beistand des Geistes Jesu Christi, wie ich sehnlich warte und hoffe, daß ich in keinem Stück zuschanden werde, sondern daß frei und offen, wie allezeit so auch jetzt, Christus verherrlicht werde an meinem Leibe, es sei durch Leben oder durch Tod. Denn Christus ist mein Leben, und Sterben ist mein Gewinn."

Ja, im Leben und im Sterben weiß Paulus sich gehalten und getragen von Christus - darum traut er ihm auch zu, daß er alles, jedes Motiv, jede Begründung - wie immer sie auch meinen Augen aussehen mag - zu Guten wenden kann und zum Guten wenden will: Zu des Menschen Rettung!

Und noch an eines erinnert mich Paulus, der so gar nicht Gleichgültige: An eine Geschichte aus dem Alten Testament, in der es um eine ganz besondere Wahl ging, eine Geschichte, dessen Kernsatz im Jahre 2003 die Jahreslosung war (1. Samuel 16): Der König Israels hat die Zustimmung, den Schutz und die Hilfe Gottes verspielt, ein neuer König soll gefunden und gesalbt werden: Samuel, der Prophet wird dazu beauftragt. Zu Isai nach Bethlehem soll er gehen. Als er dessen ersten Sohn sieht, offensichtlich ein beeindruckender Mann, meint er, nur das könne der Erwählte sein.
Aber Gott spricht zu ihm:
„Sieh nicht an sein Aussehen und seinen hohen Wuchs; ich habe ihn verworfen. Denn nicht sieht der HERR auf das, worauf ein Mensch sieht. Ein Mensch sieht, was vor Augen ist; der HERR aber sieht das Herz an."

Und so geht es dem Propheten mit der ganzen beindruckenden Reihe der Söhne Isaias - einer nach dem anderen wird abgelehnt - und nur der, an den keiner dachte, ein Junge noch zu nichts gut als die Schafe zu hüten - er war der von Gott Erwählte: David.

„Ein Mensch sieht, was vor Augen ist..." wir sehen das offenkundige und oft nur das erwartete und manchmal nur das, was wie sehen wollen
„Der HERR aber sieht das Herz an"
Machen wir also schnell und getrost die Kiste mit den Klischees und Vorurteilen zu.

Amen.

Hilmar Menke
Superintendent in Cadenberge
HHFJMenke@aol.com


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