Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach

April 2005
Predigt zum Abendmahl vor der Konfirmation
Ele Brusermann
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)


Liebe Gemeinde!
Was haben wir da in den letzten Wochen für Pomp erlebt! Stundenlang haben die Fernsehsender live berichtet, von der Trauer um den Papst, von der Hochzeit von Charles und Camilla, vom Tod Fürst Rainiers von Monaco.

Wie bescheiden dagegen unsere Abendmahlsfeier heute Abend, ein Stück trockenes Brot, ein Schluck Traubensaft im Stehen – und das soll das Heiligste für einen Christen sein?

Morgen, da sind sicher die Tische festlicher gedeckt, da habt ihr euch alle Mühe gemacht, lange überlegt, vielleicht selber Tischkarten und Dekoration gebastelt. Ein großes Fest für jeden von euch, - aber kein Fernsehsender wird live berichten. Immerhin, die Zeitungen haben eure Namen veröffentlicht und Montag wird wohl ein Bild von euch drin sein.
Aber ich weiß, mancher von euch träumt von viel mehr, träumt davon bei einem casting entdeckt zu werden, einmal ein großer Star zu sein, groß beim Fußball rauszukommen.

Hier in der Kirche werden wir euch das wohl nicht bieten können. Keiner von euch wird Papst.

Manch einer meint, es gäbe wohl nicht mehr viele Leute, die am Christentum Interesse hätten. Denn an normalen Sonntagen, da wären die Kirchen doch eher leer. Dagegen sei bei einem Werderspiel im Stadion doch richtig was los.
Aber: wie viele Fußballstadien gibt es denn in der Bundesliga? Wie viele Spiele an einem Wochenende?
Die nächsten Kirchen sind in Weyhe, Barrien, Syke, Heiligenrode, Brinkum, Seckenhausen, etwa alle 3 km hier in unserer Gegend. Und wenn man alle Gottesdienstteilnehmer zusammenzählt, sind an jedem Wochenende mehr Leute in den Kirchen als in den Stadien der Bundesliga.

Und der Tod Karol Wojtylas, der als Papst Johannes Paul II. 26 Jahre Oberhaupt der Katholischen Kirche war, hat viele bewegt.
Im wahrsten Sinne des Wortes. Millionen sind nach Rom gepilgert, haben stundenlang angestanden um Abschied zu nehmen, einen letzten Blick, ein schnelles Foto. Staats- und Kirchenmenschen kamen zusammen zu seiner Beerdigung, Rom war von der großen Anteilnahme überschwemmt, die Menschen haben zu tausenden unter freiem Himmel geschlafen, weil es keinen Platz mehr in den Herbergen gab.
Und es waren besonders viele junge Menschen darunter. Dieser Papst hat gerade junge Katholiken angesprochen.
Sein Grab, seit Mittwoch zugänglich, ist bereits ein Wallfahrtsort. Viele wollen, dass er heilig gesprochen wird, aber das geht nur, wenn es Beweise gibt, dass er echte Wunder gewirkt hat.

Mancher wünscht sich, wir hätten das auch, eine solche Vaterfigur in unserer evangelischen Kirche, einen Papst, ein Oberhaupt, einen zu dem man aufschauen kann, für manche war und ist er ja schon anbetungswürdig.
Aber das erstaunt mich dann schon. Er war ohne Zweifel eine bedeutende Persönlichkeit, er hat sehr überzeugt gelebt was er glaubte, einer der Großen dieser Welt.
Zu Friedensgebeten hat er die großen Religionen nach Assisi eingeladen, den Irakkrieg hat er klar und deutlich abgelehnt, als erste Papst hat er eine jüdische Synagoge besucht, die Juden unsere älteren Geschwister genannt.
Aber er hat als Papst auch den Anspruch gehabt, als Nachfolger von Petrus allen Christen sagen zu können, was richtig oder falsch ist, wie man als Christ zu leben hat.
Und das geht doch vielen zu weit, das kann nach meinem Glauben nicht im Sinne Jesu sein, lese ich so nicht in der Bibel. Nicht ein einzelner sondern viele zählte Jesus zu seinen Freunden, zuerst die 12 Jünger, aber Frauen wurden damals nicht namentlich erwähnt, nicht mitgezählt.
Doch bei Jesus gehörten sie genauso dazu, von einigen kennen wir die Namen, Ostern bei der Auferstehung waren sie die ersten, die es erfuhren.
Jesus war einer, bei dem man das Gefühl hat, in seiner Nähe sei man etwas Großem näher. In seiner Nähe wäre man Gott näher.
Aber das brauchte nicht Prunk und Protz, da reichte es ein Stück Brot miteinander zu teilen, sich an einen Tisch zu setzen, zu reden und zu hören, zu feiern und zu singen. Das ist uns das Heiligste!
Prunkvolle Gottesdienste, mit Tausenden unter freiem Himmel oder in prunkvollen, beeindruckenden Kirchen kannte Jesus nicht.

Ja, es tut gut, so etwas wie einen heiligen Schauer zu erleben, so einen Moment wo man das Gefühl hat, es geschieht etwas ganz besonderes. Aber es war eher die persönliche Begegnung als ein großer event.
Und ein Moment, wo einem ein ganz persönliches Segenswort gesagt wird, wo der Segen in einem Zeichen spürbaren wird, so wie euch morgen, in der Konfirmation, das ist etwas ganz besonderes.

Darum gibt es keinen Papst für evangelische Christen, seit Luther – ihr erinnert euch an den großen Film, suchen wir Gott allein in der Bibel, nicht in Heiligen oder Reliquien, zu erkennen und zu verstehen.

Hier in unserer hannoverschen Landeskirche, es ist mit 3,1 Millionen evangelischen Christen die größte Landeskirche in Deutschland, haben wir eine Frau, Dr. Margot Käßmann, zur Bischöfin gewählt.
Und die meisten, nicht nur in unserer Landeskirche, sagen, dass war eine sehr gute Wahl, denn auch sie beeindruckt viele Menschen, nicht nur Christen. Sie gilt als modern, und wagt auch ein deutliches, auch kritisches Wort.
In Ihrer Stellungnahme zum Tod des Papstes hat sie neben der Würdigung angemerkt, in seinem Pontifikat habe es in der Katholischen Kirche eher einen Rückschritte hinter das hoffnungsvolle Zweite Vatikanische Konzil gegeben, und er habe die Ökumene nicht wirklich vorangebracht.
Die Gastfreundschaft im Abendmahl zwischen den großen christlichen Kirchen ist leider in weite Ferne gerückt, sehr konservativ sei er auch in der Ablehnung von Verhütungsmitteln, nicht mal zum Schutz vor Aids, und in der Schwangerenkonfliktberatung gewesen.
So sei bei ihm keine Frauenfreundlichkeit zu erkennen gewesen.
Das ist ihre Meinung. Ich teile sie, aber ich könnte auch eine andere haben, ihre ist mir wichtig, aber nicht maßgebend.

Ende Mai feiern wir in Hannover den 30. Evangelischen Kirchentag.
Da treffen alle Meinungen aufeinander. Da wird diskutiert, gebetet, gesungen, gelacht und getanzt, gegessen, da hat nicht einer das sagen, - oder doch, einer schon, denn wir glauben fest daran, das Gott mitten unter uns ist, wo zwei oder drei, oder eben hunderttausend - wie bald in Hannover - sich versammeln in Jesu Namen.

Aber es gibt keinen, der alleine sagen darf, was Gott wohl meint.
Da wird die Vielfalt der Meinungen und Positionen, die Christen haben können, deutlich. Es gibt einen Markt der Möglichkeiten mit vielen Initiativen und Gruppen, Ein Programmheft, dick und schwer wie ein Buch.
Nicht einer muss für die Einheit, Eindeutigkeit dastehen:
wir sind uns einig - in dem Wissen:
Die Wahrheit Gottes gibt es, sie besteht, sie ist mitten unter uns. –

Gerade dort wo so ganz unterschiedliche Menschen zusammenkommen.
Nach dem biblischen Bild von einem Leib, dem Körper, der doch auch nur funktioniert, wenn Hand und Fuß, Auge und Ohr, Magen und Leber, Herz und Nieren zusammenwirken, jeder das seine tut.
Erinnert ihr euch: in unserem Konfirmandenbuch hatten wir das Bild von den Blinden, die einen Elefanten betasten und beschreiben: der eine den Rüssel, der andere ein Bein, einer ein Ohr, ein anderer den Bauch.
So ist es wenn wir Gott deuten wollen, sagen, was wir von Gott wissen.
Da gibt es verschiedene Wahrnehmungen, jeder von uns ist wie ein Blinder, der nur seinen Teil erkennen kann.
Gott ist größer und für einen einzelnen allein unbegreiflich. Er ist anders als alle Vorstellungen, die wir uns von ihm machen.
Darum sollen wir uns kein Bildnis machen und es anbeten. Und auch keinen Menschen.
Wir machen es uns nur einfach, wenn wir vordergründige Wahrheiten, das was vor Augen ist anbeten.
Darum ist der Kirchentag für uns wichtig: Es ist ein Treffen, bei dem ganz viele Menschen sich zusammensetzten – und nicht wie sonst so oft – auseinander. Wo sie das Miteinander suchen, wo sie einander befragen – und nicht bequatschen.
So ist unser Glaube geworden und gewachsen – und über Jahrtausende lebendig geblieben, so ist das Glaubensbekenntnis entstanden, das was wir gemeinsam sagen können über den dreieinigen Gott, Gottvater, Jesus und den Heiligen Geist.
Wo wir nicht nur eine Meinung gelten lassen, nicht einseitig werden, da kann auch das nicht passieren, was vor 60 Jahren in diesem Land endete, die Diktatur der Nationalsozialisten.

Am 15.April 1945 also gestern vor 60 Jahren, wurde das KZ-Lager Bergen-Belsen befreit. Wir haben das Gelände auf unserer Freizeit besucht, haben Geschichten von Augenzeugen gehört, Bilder gesehen, von Anne Frank gehört.
In Bergen-Belsen ist morgen eine große Gedenkfeier und es endet das 11. Internationale Jugendworkcamp. Eine Woche haben 50 Jugendliche aus verschiedenen Ländern Spurensuche betrieben, auf dem Gelände des ehemaligen KZ Bergen-Belsen, in den Archiven und in vielen Gesprächen mit Zeitzeugen, ehemaligen Häftlingen, die überlebt haben, die es miterlebt haben und nach 60 Jahren noch davon erzählen können.
Wenn dein Kind dich morgen fragt??? So das Motto des Kirchentages in Hannover.
Welche Antworten hast du dann?
Wer diese Vergangenheit nicht ruhen lässt und verdrängt, kann einen Bezug zur Gegenwart herstellen, tut etwas gegen immer noch vorhandene und neue rechtsradikale Tendenzen.

Für uns Christen gilt, was in der Vergangenheit in der Bibel geschrieben wurde auch heute und in der Zukunft:
Gastfrei zu sein vergesst nicht, hat Jesus gesagt.
Es zählt nicht ob einer Jude oder Grieche, Mann oder Frau ist, wir sind eins in Christus.

Seine Kirche sind wir, wenn keiner, der dazugehören möchte, ausgeschlossen wird, wenn alle das Abendmahl miteinander feiern. Darum sind in unserer Kirche alle eingeladen, die sich zu den Freunden Jesu zählen möchten; und wer unser Gast sein mag, sei uns willkommen. So feiern wir unser Heiligstes.
Am Vorabend eures großen Tages bedenken wir so, wie ernst es uns ist, - damit wir morgen ganz fröhlich miteinander feiern können.
Komm sag es allen weiter: Gott selber lädt uns ein. Amen

Ele Brusermann,Pastor in Weyhe-Leeste
Ele.brusermann@evlka.de


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