Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach

April 2005
Predigt zur Konfirmation über Prediger Salomo 4, 9-12
Ele Brusermann
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)


Liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden, liebe Festgemeinde!

Was ich hier in Händen halte, das könnt ihr hier vorne sicher gut erkennen, aber wohl kaum noch jemand dort hinten, vom Chor auf der Empore: Es ist eine Rolle Nähgarn, ein ganz dünner Faden.

Der hat durchaus schon eine Rolle gespielt, bei einer Konfirmation, als einer kam, weil ein ganz wichtiger Knopf sich gelöst hatte, und schnell noch wieder angenäht werden musste, bevor es zur Kirche gehen konnte.
Schließlich wollte er gut angezogen sein, an diesem Festtag.

So dünn und unscheinbar dieser Faden ist, er kann schon halt geben.
Ohne ihn hättet ihr jetzt ein paar Stofffetzen, einige Lappen um euch gewickelt, erst der Nähfaden hat sie zu einem Kleid, zu Hemd oder Hose, zur festlichen Kleidung verbunden.
Und die ist doch auch wichtig heute, wenn auch nicht lebenswichtig.
Mein Leben möchte ich davon nicht abhängig machen. Auch nicht von diesem Nähfaden. Denn wenn einer sagt, sein Leben hätte am seidenen Faden gehangen – dann hat er gerade Schweres durchgemacht, eine Krankheit, einen Unfall erlitten – und ist gerade noch einmal – um Haaresbreite - davongekommen. Gott sei dank, sagen wir dann, weil wir glauben, Gott hat mit unserem Leben zu tun. Wie? Danach haben wir gefragt in den letzten zwei Jahren, im Konfus.

Es gibt so etwas wie einen Lebensfaden, der sich durch unser Leben zieht. Ganz erstaunlich, wenn man zurückblickt, alte Fotos anschaut, wie sich Wesensmerkmale schon in frühester Kindheit, schon auf Babyfotos zeigen und durchhalten, ein Leben lang.
Wir entwickeln uns, wir werden geprägt durch unsere Umwelt, durch viele Menschen, auch durch den Glauben in dem wir aufwachsen und erzogen werden, aber es gibt vieles, das gehört einfach zu uns, ist uns eigen, macht uns einmalig und unverwechselbar. So sind wir - Geschöpfe Gottes – und bleiben es, ein für alle mal.

Gut angezogen sein – das ist euch wichtig. Sich gut angezogen fühlen, das tut gut; mehr noch, sich angezogen – hingezogen fühlen.
Das ist euch auch zu einer wichtigen Frage geworden, in dieser Zeit: von wem fühle ich mich angezogen, mit wem möchte ich gern in eine nähere Verbindung treten?

Gute Verbindungen zu haben – das zählt im Leben. Ihr seid untereinander – und mit vielen anderen verbunden.
Wenn ich mehrere Fäden nehme und sie zusammendrehe, dann bekomme ich eine schon deutlich festere Schnur, die schon einiges zusammenhalten kann. Wenn ich es besonders schön mache, ist es nicht nur ein Bindfaden, sondern so ein schönes Geschenkband, das man jetzt auch schon weiter hinten in der Kirche erkennen kann.

Auch das ist heute, gehört zu diesem Festtag heute. Geschenke, knisternde Briefumschläge, aber auch das eine oder andere, liebevoll ausgewählt und verpackt, verziert mit einer schönen Schleife, die sagen soll: uns beide verbindet etwas, du bist mir wichtig, darum möchte ich dir etwas schenken.

Stellt euch vor, jeder von euch würde jetzt ganz viel bunte Bänder und Schnüre in der Hand halten, und am anderen Ende würden die festhalten, die sich euch verbunden fühlen – es würde hier in der Kirche ein großes buntes Netz entstehen, ein Netzwerk, erstaunlich tragfähig, so engmaschig, das keiner so schnell durchfallen würde, sondern sich sicher und geborgen fühlen kann in unserer Mitte, gut gehalten.

Die einzelnen Fäden sind unterschiedlich lang und fest, können aus feiner Seide sein, mancher hat auch einen besonders guten Draht zu einem anderen. Mit jedem Tag, mit jedem Erlebnis miteinander ist ein Faden dazugekommen, das Band stärker und bunter geworden.
Nicht nur wir halten die Fäden unseres Lebens in der Hand, sondern all die anderen mit uns. Und jeder von uns ist mit Gott verbunden. Die Taufe ist uns das Zeichen dafür: sie ist das verbindliche Angebot Gottes uns Halt zu geben in unserem Leben.
Manch einer hat Sorge, gar nicht mehr frei zu sein, sondern wie eine Marionette angebunden zu sein; von anderen, von Gott hin- und hergerissen zu werden.
Manch einer spürt, was es heißt abhängig zu sein, nicht mehr los zu kommen.

Da ist es gut, wenn wir uns deutlich machen: Auf der einen Seite halten wir selbst fest.
Auch der Glaube ist ein Angebot, das wir annehmen, aber auch ablehnen können. Ist wie eine Richtschnur, an der wir uns orientieren können. Gott lässt uns die Freiheit, unsere eigenen Wege zu gehen.
In der Bibel, beim Prediger Salomo heißt es: Zwei sind besser als einer allein.
Wenn zwei zusammenarbeiten, bringen sie es eher zu etwas.
Denn wenn einer fällt, hilft der andere ihm wieder auf. Doch wehe dem, der allein ist, wenn er hinfällt, und keiner ist bei ihm, der ihn aufrichtet.
Und wenn jemand einen einzelnen auch überwältigt, zwei sind ihm gewachsen, und eine dreifache Schnur reißt nicht so schnell.

Ich habe noch ein Seil mitgebracht: dieses Kletterseil, für Bergsteigern, um einander zu sichern.
Mit einem meiner Söhne bin ich mal mit den Naturfreunden zu einem Wochenendkurs gefahren. Da konnten wir unter kundiger Anleitung am Fels klettern lernen, gut gesichert mit so einem Seil.
Der schwierigste Moment: wenn man oben angekommen ist und wieder herunter will.
Da muss man die Füße fest gegen den Fels stellen und sich dann nach hinten kippen lassen, in das Seil, das an dem Gurtzeug festgemacht ist, bis man fast waagerecht in der Luft hängt.
Das braucht viel Mut, vor allem, weil das Seil sich dehnt, man erst das Gefühl hat der andere unten hält nicht richtig fest.
(Das Seil muss sich dehnen, denn es soll ja bei einem Sturz den gefährlichen Ruck abfedern.)
Es kostet schon sehr große Überwindung, und Übung, sich ganz auf den anderen und so ein Seil zu verlassen. Der hält, sichert und gibt nach, wenn es an der Zeit ist.

Dieses Seil besteht aus ganz vielen Fäden, es ist schon ein kleines Kunstwerk, es muss bruchfest sein und griffig, schmutzabweisend und scheuerfest. Die Hauptlast halten die langen Fäden in seinem Inneren, man nennt sie auch die Seele. Auch Gott hält uns, aber es bleibt uns oft verborgen, wir sehen und achten eher das äußere.

Bei diesem Seil, eine schlechte Qualität, oder schlecht behandelt, kann man die Seele gut sehen, an jeder Knickstelle hervor. Da wäre es gut, noch mal zu prüfen, ob es das richtige Seil ist, mit dem ich mich festmache.
So wie ihr immer wieder prüfen müsst, ob es der richtige Glaube ist, der sich euch anbietet.
Nicht immer ist es so offensichtlich das falsche Seil, dieses ist gar nicht für’s Bergsteigen bestimmt, manchmal trügt auch der gute Schein.
Es gibt immer wieder alte und neue Seilschaften, die einen einfangen oder gar fesseln können.
Darum achtet gut darauf, in was ihr eingebunden werdet, dass ihr nicht zu kurz angebunden seid.
Im richtigen Moment sich auf das richtige verlassen können: dazu gehört Erfahrung.
Der christliche Glaube gibt uns Spielraum, einen Freiraum für eigenes Denken und Handeln.

Ihr habt gelernt, was Jesus zu den Geboten gesagt hat: Das wichtigste Gebot:
'Liebe den Herrn, deinen Gott, von ganzem Herzen, mit ganzem Willen und mit deinem ganzen Verstand!'
Dies ist das größte und wichtigste Gebot.
Aber gleich wichtig ist ein zweites: 'Liebe deinen Mitmenschen wie dich selbst!'

Gott lieben und deinen Mitmenschen wie dich selbst: Das ist so eine dreifache Schnur, von der der Prediger Salomo sagt, sie reißt nicht leicht entzwei.
In unserer Kirche steht nicht ein Einzelner über allen anderen und hat das sagen, für uns zählt, was jeder in der Bibel lesen kann: Jesus hat sich an viele Menschen gewandt, hat uns verbunden zu einer Gemeinschaft, in der nicht Amt oder Macht zählen sollen sondern Klugheit, Wissen und Erfahrung,
in der uns der Glaube, die Liebe und die Hoffnung leiten sollen,
in der Jesus der Weg, die Wahrheit und das Leben ist.
Im christlichen Glauben begegnet uns auf Schritt und Tritt die dreifache Schnur, denn wir haben es mit Gott dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist zu tun.

Bei diesem Tauende sind sie gut zu sehen, die drei Kardeele aus vielen Garnen zu einer festen Trosse geschlagen.
Damit werden die alten Segelschiffe, die Plattbodenschiffe auf dem Ijsselmeer in Holland festgemacht, mit denen im Sommer viele Jugendgruppen unterwegs sind. Auch aus unserer Gemeinde waren schon Gruppen da und haben die Erfahrung gemacht wie sich einer auf den anderen verlassen muss und nur alle gemeinsam den Kahn flott halten.

Ein solches Tau muss viel aushalten, darf nicht nachgeben, der Knoten muss richtig sitzen, damit das Schiff im Hafen ganz fest liegt, und nicht abtreibt, und darum machen Skipper und Maat das Festmachen fast immer selbst.
Festmachen: Das ist auch die Bedeutung des Wortes Konfirmation confirmare sich festmachen, befestigen im Glauben.
Suchen und finden, welche Schnur, welches Band, Seil oder Tau, wann das richtige ist.
Und ein Gespür dafür haben: Gott ist mittendrin, ist uns verbunden, hat seine Fäden in alle mit hineingewoben.
Unser Glaube ist nicht selbstgemacht. Wir binden uns mit unserem Lebensfaden ein in die Erfahrungen vieler Menschen vor uns und um uns.

So kommen wir Christen immer wieder zusammen, hier zum Gottesdienst, bald in Hannover zum Kirchentag.
Da fragen wir und lassen uns fragen nach unserem Glauben, nach unserer Liebe, nach unserer Hoffnung.
Ihr seid auch gefragt, und eingeladen eure Sicht der Dinge dazuzugeben,
ihr haltet die Fäden mit in der Hand.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unseren Glauben,
stärke unsere Liebe, wecke unsere Hoffnung.
In Jesu Namen. Amen

Ele Brusermann,Pastor in Weyhe-Leeste
Ele.brusermann@evlka.de


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