Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach

Weltgebetstag der Frauen, 4. März 2005
Predigt über 2. Könige 5, 1-15, Gerda Altpeter
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)


(2. Könige 5,1-15)
1. Und Naaman, der General des syrischen Königs, war ein angesehener und geachteter Mann seines Herrn, denn Gott hatte ihm den Sieg gegeben für Syrien. Er war ein Held, aber aussätzig.
2. Und die Syrer zogen aus gegen Räuberhorden. Und sie führten ein kleines Mädchen aus Israel gefangen hinweg. Sie diente dann der Frau des Naaman.
3. Und sie sprach zu ihrer Herrin:"Ach, dass doch mein Herr bei dem Propheten in Samaria wäre, denn der würde seinen Aussatz zum Aufhören bringen. (heilen)
4. Und Naaman (er) kam und verkündete seinem Herrn: "So und so hat das Mädchen aus Israel gesprochen."
5. Und der syrische König antwortete:"Gehe dahin. Ich will Dir einen Brief mitgeben an den König Israels." Und Naaman (er) ging und nahm mit sich 10 Talente Silber ( 1 Talent 7500 Franken) und 6000 Gold(stücke) (45 Sfr.) und Kleider. zum Wechseln.
6. Und er brachte den Brief zum König Israels. Der Brief lautete: "Wenn nun dieser Brief zu Dir kommt, - siehe, - ich sende Naaman, meinen Diener, zu Dir, damit Du seinen Aussatz heilst."
7. Als der König Israels den Brief las, zerriss er seine Klieder und sprach: "Bin ich der Gott über Leben und Tod, dass er zu mir sendet, um einen Mann von seinem Aussatz zu heilen? Denn - ach - wisst und seht doch, dass er einen Kriegsgrund gegen mich sucht."
8. Als Elisa, der Mann Gottes, hörte, dass der König Israels seine Kleider zerrissen hatte, sandte er zum König und liess ihm sagen: "Warum zerreisst Du Deine Kleider? Er möge zu mir kommen, damit er erkenne, dass es einen Propheten in Israel gibt."
9. Und Naaman kam mit seinen Pferden und seinen Wagen und stand an der Haustüre Elisas.
10. Und Elisa sandte einen Boten zu ihm und liess ihm sagen: "Gehe und wasche Dich 7 mal im Jordan, dann wird Dein Leib rein werden."
11. Naaman wurde zornig, ging weg und sagte: "Siehe, ich habe gedacht, dass er zu mir herauskommt, sich hinstellt und den Namen des Herrn, seines Gottes, anruft, und mit seiner Hand ein Zeichen gibt zu einem heiligen Ort - und so meinen Aussatz heilt.
12. Sind nicht Awana und Parpar in Damaskus besser als alle Wasser Israels? Kann ich mich nicht in ihnen waschen und rein werden?" Und er ging wütend davon.
13. Aber seine Diener näherten sich, redeten ihm zu und meinten: "Mein Vater, wenn der Prophet Dir eine grosse Aufgabe gegeben hätte, hättest Du sie dann nicht ausgeführt? Um wieviel mehr tue es, da er sagte: wasche Dich um rein zu werden."
14. Da ging er hinab und tauchte 7 mal im Jordan, so wie es der Mann Gottes gesagt hatte. Und sein Fleisch wurde wie das Fleisch eines kleinen Jungen. Und er wurde rein.
15. Da kehrte er zurück zu dem Mann Gottes, er und alle seine Leute (Heer). Er kam , stand vor ihm und sagte: "Siehe, jetzt habe ich erfahren, dass es keinen Gott gibt auf der ganzen Erde, als nur den einen in Israel."

 

Anna kommt mit ihren Eltern nach Israel. Sie finden ein Haus am See Genezareth und ziehen dort ein. Das Haus hat einen Sicherheitsraum, denn von Syrien oder Libanon kommen manchmal Geschosse, vor denen man sich schnell in Sicherheit bringen muss. Israel ist ein gefährlicher Ort. Die Nachbarn lassen die Leute nicht in Frieden.

Anna spielt vor dem Haus. Die Eltern arbeiten weiter weg. Plötzlich kommen Fremde heran, ergreifen das kleine Mädchen, stecken es in einen Sack und bringen es in einen Kofferraum. Sie fahren schnell davon. Anna kann nicht um Hilfe rufen. Nach einer Weile hält das Auto, sie wird herausgezerrt und in einen Keller gebracht. Dort wird sie von dem Sack befreit, aber sie kann den Keller nicht verlassen. Sie bekommt zu essen und zu trinken, aber sie fürchtet sich. Sie ist alleine.

Nach einiger Zeit öffnet sich die Tür. Soldaten kommen herein. Sie befreien das kleine Mädchen, aber sie schicken sie nicht nach Israael zurück. Zwischen Syrien und Israel besteht kein Kontakt, darum nehmen sie sie mit nach Hause. Der General übergibt sie seiner Frau. Der Austausch braucht lange Zeit.

Es sind einige Jahre her, da gab ich einem meiner Schüler diese Geschichte in der Hebräischprüfung zur Übersetzung. Er übersetzte nicht: "Die Syrer zogen aus "wie Räuber" sondern sie zogen aus "gegen die Räuber". Er begründete seine Übersetzung mit der eben erzählten Geschichte, die er in einer Zeitung gelesen hatte. Dabei waren die Palästinenser wie eine Räuberhorde beschrieben, gegen die die offiziellen Truppen Syriens eingeschritten waren, um die Ordnung im Grenzgebiet wiederherzustellen.

Der Prüfling erklärte weiter, dass dann auch verständlich sei, warum das kleine Mädchen dem General den Rat gegeben hatte, der zu seiner Genesung führte. Sie suchte in dem Hause, in dem sie vorläufig Zuflucht gefunden hatte, für alle das Beste, von dem sie wusste. Es mag sein, dass sie auch aus ihrem Elternhaus eine solche Haltung gewohnt war. Es gibt nämlich ein altes jüdisches Sprichwort: "Mache deine Feinde zu deinen Freunden, dann wirst du leben."

Es geht aber nicht nur um dieses Mädchen. Es geht darum, dass Gott seine Macht zeigt. Das kleine Mädchen spielt dabei eine entscheidende Rolle. Sie weist auf den Propheten Gottes hin, der eine so grosse Macht von Gott bekommen hat. Elisa vermag dank seiner Beziehung zu dem Herrn mehr als andere Menschen. Er tritt souverän auf. Er greift in der Geschichte ein, wo der König Israels verzweifelt. Der König scheint weniger von dem Mann Gottes zu wissen als das kleine Mädchen. Er bittet ihn nicht um Hilfe. Er kommt gar nicht auf die Idee. Er sieht nur sich und seine Unfähigkeit. Er hat nur Angst, dass der König Syriens auf diese Weise einen Kriegsgrund sucht. Er fühlt sich schwach und unterlegen. Er weiss keinen Ausweg.

Hier zeichnet sich schon ab, was Jesus einmal sagte, dass nämlich Kinder dem Reich Gottes nahe seien und Rat schafften. Ein kleines Mädchen vermag da zu helfen wo ein König versagt.

Von Anfang an will der Erzähler die Ehre und Macht Gottes bezeugen. Selbst der syrische General kann nicht aus eigener Kraft für Syrien die Kriege gewinnen. Es ist Gott - hier steht der Eigenname "Jahwe", das Tetragramm - Es ist nicht eine syrische Gottheit, sondern der Gott Israels, der über Sieg oder Niederlage des grossen Feldherrn Naaman bestimmt. Der General hat das noch nicht begriffen.

Er zeigt deutlich, was er von Gott hält, als er bei Elisa, dem Gottesmann, draussen stehen bleibt und erwartet, dass der Prophet zu ihm herauskommt. Er ist doch der Herr, der grosse und mächtige Mann, vor dem sich alle beugen müssen.

Aber Elisa beugt sich nicht. Er kommt nicht heraus. Er schickt nur einen Boten, so wie man einem Bettler jemanden hinschickt, um ihm eine Kleinigkeit zu überreichen. Der Bote überbringt einen Befehl: "Wasche Dich 7 mal im Jordan!" Mehr hat der Bote nicht zu sagen. Es ist keine Bitte. Es ist keine Empfehlung. Der Mann Gottes befiehlt dem grossen General, sich zu waschen.

Ist das noch zu fassen? Wie kann Elisa so sein? Ist er so stolz?

Es geht hier nicht um Elisa, es geht um Gott. Das macht er deutlich. Vor Gott ist der mächtige Kriegsheld klein. Da nützen ihm seine Pferde und Streitwagen nichts. Er muss von den Pferden und Streitwagen herunter.

Oh, das ist ihm zuviel! Er wird wütend. Er schimpft. Er dreht sich zornig um. Er hat begriffen, dass der Mann Gottes ihn klein macht. Dazu ist er nicht gekommen!

Seine Begleitung hat die Situation besser verstanden. Sie reden ihm gut zu. Sie nennen ihn "Vater"! Sie bitten ihn und erweisen ihm die nötige Ehrfurcht. Sie schmeicheln: "Tu doch, was der Prophet gesagt hat. Es ist eine Kleinigkeit. Tu es doch!"

Da verfliegt der Zorn des grossen Mannes. Eigentlich haben seine Diener recht, das kann er doch versuchen. Es ist ja keine grosse Sache und nimmt auch nicht viel Zeit in Anspuch. Er steigt also von seinem hohen Ross, er verlässt seinen Kriegswagen und begibt sich hinab zum Jordan. Er wäscht sich 7 mal. Da wird seine Haut rein und frisch. Der Erzähler kann sich nicht genug tun. Der Kriegsheld bekommt eine Haut wie ein Junge, richtig neu und glatt.

Die Kommentare meinen, dass es sich nicht um den heute üblichen Aussatz gehandelt habe,sondern um eine andere Hautkrankheit, eine Schuppenflechte oder etwas ähnliches. Die damaligen Ärzte waren nicht auf dem heutigen Stand der Medizin. Es geht aber nicht um ein Wunder oder eine Unmöglichkeit, es geht um Gottes Macht.

Naaman bestätigt nun auch, dass nur der Gott Israels, dass nur Jahwe Gott sei und sonst niemand. Er will von nun an ihm dienen. Es ist alles geschehen zur Ehre des einen Herrn.

Diese Geschichte haben polnische Frauen als Lesung ausgesucht für den diesjährigen Weltgebetstag. Sie meinen, dass die Mutter des kleinen Mädchens durch ihre Erziehung dazu beigetragen habe, dass sie hilft und nicht an Feindschaft denkt. Sie meditieren darüber, wie Erziehung beschaffen sein muss, um zum Frieden beizutragen. Weitgehend sind ja Frauen für die Erziehung der Kinder verantwortlich. Wozu erziehen sie ihre Kinder? Welche Methode wenden sie an? Welche Erfolge erzielen sie?

Kinder können zum Krieg oder zum Frieden erzogen werden. In einem Fernsehbeitrag wurde gezeigt, wie Frauen ihre Kinder zu Selbstmordattentätern. erziehen. Es war grauenhaft dem zuzusehen. Eine Schuldirektorin erzog ihre Schule in diesem Sinn. Sie lobte die Selbstmordattentäter, die schon gestorben waren und viele mit in ihren Tod gerissen hatten. Sie erklärte, dass die jetzt im Paradies seien. Es gebe nichts besseres als ein solches Leben und einen solchen Tod.

Ich hörte von einem christlichen, palästinensischen Lehrer, dass er vor der ersten Intifada aus Bethlehem geflohen war mit seiner Familie, weil die Hamas in seiner Schule die Kinder zum Steinewerfen und basteln von Brandbomben erziehen wollte. Ich bin selber vor Kindern bei Jericho geflohen, weil sie mit Steinen ankamen, um mich und meine Begleiterinnen zu bewerfen. Auch Steine können töten.

Wie kann man Kinder zum Frieden erziehen? Ich stimme den polnischen Frauen zu wenn sie erklären, dass die Liebe zu Gott und zu den Mitmenschen eine Erziehung zum Frieden sei.

"Es gibt keinen Gott auf der ganzen Erde als nur den einen in Israel." So bekennt es Naaman. Es geht um dieses Bekenntnis. Wer es mitspricht, der kann nicht anders, als in der Gegenwart Gottes leben. Das heisst dann auch, dass die zehn Gebote sein Leben bestimmen. Das heisst zusammengefasst, dass die Liebe zu Gott und die Liebe zu unseren Mitmenschen unser Leben gestalten. So einfach ist das und doch so schwer. Es gilt, auch dem Feind zu helfen und guten Rat zu geben. Es gilt, alle Rache und Vergeltung aufzugeben. Es gilt aus der Versöhnung zu handeln.

Jesus hat dazu das Gleichnis vom barmherzigen Samariter erzählt. Wer vor mir ist und meine Hilfe braucht, für den soll ich da sein. Es kommt auf offene Augen und Ohren an. Es kommt auf geschickte Hände an. Es kommt auf klare Entscheidungen und Erkenntnisse an.

Möge Gott uns helfen, dass wir dazu bereit werden.

Amen.

Dr. Gerda Altpeter
gerda.altpeter@bluewin.ch


(zurück zum Seitenanfang)