Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach

Predigtreihe zur christlichen Erziehung, Sommer 2004
Brauchen Kinder Väter? (Jesus Sirach 3,11)
Volker Dieterich-Domröse
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Liturgische Bausteine:

Entfaltetes Kyrie:
Väterlicher und barmherziger Gott, es ist nicht selbstverständlich, und es ist nicht leicht, ein guter Vater für seine Kinder zu sein. Wir bringen vor dich das Leid vieler Kinder, deren Väter sich gar nicht oder nicht gut um sie kümmern. Wir beklagen aber auch manche Enttäuschung, die Väter hinnehmen müssen, wenn sie sich um ihre Kinder kümmern wollen. Deshalb bitte wir dich Gott um deine Hilfe und dein Erbarmen: Kyrie eleison ....

Entfaltetes Gloria:
Wunderbarerer Vater im Himmel, wir loben dich und verehren dich, weil du soviel väterliche Liebe unter uns Menschen möglich machst. Wir danken dir, dass unsere väterliche Liebe ein Gleichnis deiner unendlichen Liebe zu uns Menschen sein darf. Ehre sei Gott in der Höhe ....

Gebet:
Ach Gott, Schöpfer, wir danken dir, dass wir leben dürfen, und dass wir wissen: dies Leben ist gar nicht auszuschöpfen in seiner Wunderbarkeit, in seiner Tiefe und in seinen Früchten der Freude. Wir danken dir, dass du uns Verantwortung überträgst, dass du deine Kinder nicht selber machst, sondern sie uns tragen läßt und uns sie erziehen lässt, dass du uns beteiligst an deinem Werk. Wir bitten dich, gib und Kraft, Lust und gute Einfälle, damit wir deinen Auftrag an unseren Kindern gut erfüllen. Das bitten wir dich im Namen unseres Bruders und Herrn Jesus Christus, bei dem wir immer wieder dich als den liebenden Vater aller Menschen entdecken können. Amen.

Biblische Lesung: Maleachi 3,23+24 und Lukas 1,16+17 mit Präfamen:

An zwei ganz wichtigen Stellen der Bibel, am Ende des Alten Testaments und am Anfang des Neuen Testaments, wird die Harmonie von Vätern und ihren Kindern vorhergesagt. Für die Endzeit der Welt verspricht der Prophet Maleachi im 3 Kp. : „Siehe, ich will euch senden den Propheten Elia, ehe der große und schreckliche Tag des Herrn kommt. Der soll das Herz der Väter bekehren zu den Söhnen (und Töchtern) und das Herz der Söhne (und Töchter) zu ihren Vätern, auf dass ich nicht komme und das Erdreich mit dem Bann schlage.“

Von Jesus wird im Lukasevangelium, Kp. 1, Vers 17 gesagt, dass er die alte Weissagung einlösen wird: „Und er wird vom Volk Israel viele zu dem Herrn, ihrem Gott bekehren. Und er wird vor ihm hergehen im Geist und in der Kraft Elias, zu bekehren die herzen der Väter zu den Kindern und die Ungehorsamen zu der Klugheit der Gerechten, zuzurichten dem Herrn ein Volk, das wohl vorbereitet ist.“

Ansprache:
SOHN: Papa, Charly hat gesagt, sein Vater hat gesagt ohne Väter geht´s nicht.
VATER: So, da hat er ja mal was Schlaues erkannt.
SOHN: erstaunt Du findest das also auch ?
VATER: Na, ja, Väter spielen eben eine wichtige Rolle. plustert sich auf Das siehst du ja an mir ! Ich gehe arbeiten, verdiene Geld...
SOHN: winkt ab: Ja, das meint Charlys Vater. Das allein reicht eben nicht aus...
VATER: Was will er denn damit sagen ?
SOHN: Dass Väter eben nicht nur dafür da sind Geld zu verdienen, sondern dass sie auch mit ihren Kindern spielen, etwas unternehmen, mit ihnen reden, vielleicht auch kochen, waschen, sie wickeln, Fläschchen geben, wenn die Kinder noch klein sind....Eben alles das, was Mama bei uns macht.
VATER: So, und Charlys Vater macht das wohl alles, spielen, reden, kochen,...?
SOHN: Nee, würde er aber gerne, partnerschaftlich, sagt er, und er hätte sogar Erziehungsurlaub genommen, als Charlys Schwester geboren wurde, sagt er... Aber das ging alles nicht so...
VATER: Und warum bitteschön ging das nicht ? Wer hindert ihn ? Da gibt es doch immerhin ein Gesetz.
SOHN: Charlys Vater sagt, wer das heute macht, wird immer noch nicht ganz für voll genommen und bekommt nur Schwierigkeiten. Deshalb wird es jetzt Zeit, dass mal besonders auf die Väter geachtet wird.
VATER: Daher weht also der Wind ! Charlys Vater fühlt sich als Vater unterdrückt und will jetzt eine besondere Ehrung für aktive Väter... einen Orden oder gar einen Gedenktag.
SOHN: Ja, so einen richtigen Vatertag.
VATER: Einen Vatertag ? Den gibt´s doch schon längst (bekommt glänzende Augen) Da tun sich Männer zusammen und ziehen mit nem Bollerwagen los ! (nachdenklich:) Allerdings weiß ich nicht, was daran besonders ehrenhaft sein soll.

In diesem Gespräch könnte es dann noch weiter um die Bedeutung des Himmelfahrtstages gehen, aber das ist heute nicht unser Thema. Unsere Frage heute lautet: brauchen Kinder Väter? Charlies Papa antwortete vollmundig: „Ohne Väter geht es nicht“. Mit dieser Feststellung geht das Gespräch ja los. Aber stimmt das denn? Ist die Frage: „Brauchen Kinder Väter?“ nur eine rhetorische Frage, bei der die Antwort natürlich längst klar ist, und „Ja“ lautet – „ja natürlich brauchen Kinder Väter“?

„Ohne Väter geht es nicht.“ Bislang ist es ja noch nicht gelungen, dass eine Frau ganz ohne die Beteiligung eines Mannes schwanger wird und ein Kind bekommt. Zu mindesten der Same eines Mannes wird gebraucht, wenn eine Schwangerschaft künstlich hervorgerufen werden soll. Aber das ist natürlich Vaterschaft im sehr eingeschränkten Sinne, wenn der Vater nur zum Er-zeugen gebraucht wird.

Es gibt ja viele Kinder, die wachsen bei den Müttern auf, weil sich ihre Erzeuger irgendwann vor oder nach der Geburt abgewandt und verzogen hat. Diese Kinder sind ja schon ein Beweis, dass Kinder auch ohne Väter aufwachsen können. Ich hatte einmal eine Freundin, deren Vater war wenige Jahre bevor ich sie kennen lernte, gestorben. Die Mutter erzog ihre 4 Mädchen von da an alleine, und es war in dieser Familie eine sehr herzliche und lockere Atmosphäre. Der Vater war früher in seinem Umgang mit den Kindern sehr belastend gewesen, weil er oft enorm streng, hart und verständnislos reagiert hatte. Was mir später von ihm erzählt wurde, betraf fast immer nur Einschränkungen und Verbote. Entfaltung der Mädchen war bei diesem Vater nur sehr eingeschränkt möglich. So dachte ich manchmal, dass es auch für Kinder gut sein kann, wenn so ein Vater irgendwann nicht mehr da ist. Brauchen Kinder Väter? Solche autoritären Knochen oder noch schlimmere, z.B. alkoholsüchtige Väter oder Väter, die ihren Kindern Gewalt antun – die brauchen Kinder wirklich nicht.

Aber was Kinder auf alle Fälle brauchen sind väterliche Menschen. Ich meine Menschen, die ihnen mit einer positiven männlichen Identität begegnen. Das müssen nicht die leiblichen Väter und nicht unbedingt die Partner der Mutter sein.

Mädchen brauchen väterliche Menschen, weil diese ihnen den Zugang zur gegengeschlecht-lichen Welt der Männer im positiven Sinne eröffnen sollen. Der bejahende Blick des Vaters speichert sich bei einem Mädchen mit der Nachricht ein, dass es vom anderen Geschlecht positive Reaktionen bekommt. Fehlt dieser Austausch von Vater und Tochter, wird das Mädchen diesen Mangel an Bestätigung als negatives Grundmuster für ihre Weiblichkeit erlernen: „So wie ich bin, bin ich mangelhaft.“

Und Jungen brauchen väterliche Menschen, weil sie Vorbilder und Identifikationsfiguren für ihre eigene männliche Identität brauchen, die sie ja erst noch ausbilden sollen. Wenn die Väter oder die väterlichen Menschen in einer Erziehung fehlen, oder nur zu selten auftauchen, dann wird sich ein Junge schon woanders her sein Idealbild von Männlichkeit holen und es in seiner Phantasie ausmalen. Meist ist die Quelle dann das Fernsehen. Und dort wird, jedenfalls in Sendungen, die Kinder und Jugendliche sich gerne hereinziehen, ein Bild von Männlichkeit gepflegt, das Überlegenheit, Dominanz und Härte als Hauptinhalt hat.

Die Bindung zu väterlichen Menschen ist also ganz wichtig. Aber was eigentlich Väterlichkeit ist, das zu beschreiben, ist nicht leicht. Männer, die eine gefühlsbetonte Beziehung zu ihrem Baby pflegen und leben, können im üblichen Sprachgebrauch nur als „mütterlich“ bezeichnet werden, weil unsere kulturellen Tradition von Väterlichkeit überhaupt keinen Platz für den innigen und dennoch verantwortlich erwachsenen Bezug zum Säugling hat.

Der alte autoritäre Vater mit den Hauptaufgaben Erzeugen, Ernähren und Bestrafen hat abgedankt. Aber der Softie, der alles erlaubt und als Kumpel auftritt in den seltenen Fällen, wenn er mit seinem Kind auf Abenteuerfahrt geht, ist auch keine gute Alternative. Gesucht werden die neuen Väter. – Ja, das ist wirklich eine Suchbewegung, die anhält. Keiner von uns wird sich hinstellen können und sagen: Seht her! Ich bin so ein neuer Vater. Macht es einfach so wie ich. Auch ich möchte mich nicht als solchen neuen Vater hinstellen. Ich empfinde mich auch als jemanden, der auf der Suche nach dieser neuen Väterlichkeit ist.

Es gibt viele gute Ansätze. In meinen Taufgesprächen erfahre ich ja immer wieder, dass es normal geworden ist für Väter, dass sie bei der Geburt ihres Kindes mit anwesend sind. Nach der Geburt der Kinder sind aber oft starke Rückzugstendenzen z.B. in den Beruf festzustellen. Die Tatsache, dass viele Väter sich heutzutage in den Familien eher zurück ziehen oder abwesend sind, stellt sowohl für Jungen als auch für Mädchen eine unglückliche Entwicklungsbedingung dar.

Was Väter oder väterliche Menschen für Kinder sein können, beschreibt die Bibel mit dem schönen Wort „Segen“. Im Buch Sirach, Kp. 3. heißt es: „Der Segen des Vaters baut den Kindern Häuser“. Jesus Sirach ist ein biblisches Buch, das zu den sogenannten Apokryphen gehört. Es hat nie den gleichen kanonischen Rang gehabt, wie die anderen biblischen Schriften. Darin stehen Weisheitslehren, die ein Enkel von seinem Großvater mit Namen Jesus gehört und aufgeschrieben hat.

Hier wird uns ein wunderschönes Bild angeboten bei unserer Suche nach dem, was Väter für ihre Kinder sein und tun können. Vater bauen ihren Kindern Häuser. Viele von uns lebten einmal oder leben noch in den Häusern, die unsere Väter zusammen mit den Müttern gebaut haben. Oder in Häusern, an denen unsere Väter und Mütter mitgebaut haben, oder die sie mitfinanziert haben. So ist schnell klar, dass wir vieles von unseren Vätern empfangen, was wir gut im Leben gebrauchen können. „Der Segen der Väter baut den Kindern Häuser.“

Die Häuser in diesem Spruch sind aber sicherlich auch im übertragenen Sinne zu verstehen. Gemeint ist, dass die Kinder ihr eigenes Leben, ihr eigenes Zuhause aufbauen können, wenn die Väter ihnen genug Gutes: wenn sie ihnen den Segen mit auf den Weg geben. Häuser bieten Schutz und Geborgenheit, und so besteht das segenhafte Handeln der Väter zuerst einmal darin, dass sie ihren Kindern ein Gefühl für das Geschützt- und Behütet-Sein vermitteln können. Diese väterliche Stärke hilft genauso zu einem behüteten Aufwachsen, wie die Geborgenheit, die die Mutter dem Kind weiter gibt.

Väter können diesen Segen schon an ihre ganz kleinen Kinder weitergeben. Männer denken oft: Als Mann kann man einfach nicht so gut umgehen mit einem kleinen Kind. Sie erleben die innige Beziehung zwischen Mutter und Kind und werden mutlos. Sie rechnen einfach nicht damit , dass es zwischen ihnen und den Kindern zu einer ähnlich engen Gefühlsbindung kommen kann und sie verzichten in vielen Fällen schon auf den Versuch. Sie trösten sich damit, dass später ja einer mal für Ordnung sorgen müsse und dass der Tag schon kommen wird, an dem das „männliche Element“ in der Erziehung gebraucht würde.

Hier liegen sicher die ersten Wurzeln für manches Missverstehen der Vaterrolle und dafür, dass Väter sich aus den ersten Lebensjahren ihrer Kinder heraus manövrieren. Nicht aus Bequemlichkeit, sondern aus Resignation. Bei Müttern ist ihre Mütterlichkeit aber auch nicht angeboren, sondern erlernt. Vom Umgang mit der ersten Puppe an werden in unserer Kultur Mädchen zu mütterlichem Verhalten angelernt.

Und dann ist es für uns Männer sehr schwer nach zu vollziehen, wie ungeheuer dienlich eine angenommene Schwangerschaft der Frau für ihre spätere Beziehung zum Kind ist. Es ist längst ihr Kind, wenn es zur Welt kommt. Dem Vater waren diese Lernerfolge bislang nicht so möglich. Aber er kann es nachlernen. Das wird beim Mann länger dauern, und es wird bei ihm andere Formen haben, aber zur Resignation ist kein Anlass.

Damit Väter für ihre Kinder zum Segen werden können, ist es ganz wichtig, dass sie lernen, mit dem Gefühl der Enttäuschung über ihre Kinder fertig zu werden. Wenn das zwei- oder dreijährige Kind abends im Bett noch nach der Mama ruft und der Vater ins Kinderzimmer geht, dann kann es ihm passieren, dass das Kind ihm hoch und heilig versichert, es könne seinen Wunsch nur und nur (!) der Mama sagen. Der Vater sieht sich zurück gewiesen, nicht gebraucht. Das sind dann vielleicht Augenblicke, in denen er im Wohnzimmer leicht verbittert sagt: „Dein Kind ruft nach dir.“ Nun geht die Mama ins Kinderzimmer. Der Papa geht hinterher. Es interessiert ihn wirklich, welches intime Geheimnis das Kind ihm nicht anvertrauen konnte. Es lohnt sich für Mütter, darüber nachzudenken, was gefühlsmäßig im Vater vorgehen könnte, wenn er dann hören muss, dass das Kind noch einen Schluck Wasser trinken möchte. Der Papa stellt – zu unrecht ! - die Vertrauensfrage und fühlt sich vom Kind abgelehnt.

Ich kenne solche Gefühle gut. Und für mich und für andere Väter ist es entscheidend, dass man sich von diesen Gefühlen nicht bestimmen lässt. Zum einen hilft die Einsicht: für das Kind ist der Weg zum Vater einfach länger, weil es meistens eben die Mutter kennt als diejenige, die es täglich und stündlich versorgt, die es betreut, ihm hilft und es rettet. Und zum anderen ist es wichtig, mit dem Willen gegen dieses Gefühl anzugehen, weil gerade die Überwindung dieses Gefühls der Rivalität und des Zurückgesetztseins dem Kind auf Dauer den starken Vater zeigt

Das ist ja wahre Stärke, mit Traurigkeit, Hilflosigkeit und Unsicherheit so umzugehen, dass sie nicht verdrängt, aber auch nicht zur alles bestimmenden Wirklichkeit werden. Dem Kind wird durch diese Überwindung das Gefühl vermittelt, vom Vater angenommen und bejaht zu sein, gerade so, wie es nun einmal ist und sich fühlt. Es wird Annahme spüren und selbst-bewusst werden, wenn der Vater die Liebe auch dann aufrecht erhält, wenn es selber vielleicht ungerecht gehandelt und ihn enttäuscht hat. Darin wird für mich der Segen eines Vaters für seine Kinder sichtbar, der für die Kinder das Haus ihrer psychischen Stabilität baut. Der Segen ist ja ein Ausdruck des absoluten Wohlwollens, ganz egal ob ein Kind alles richtig macht oder nicht.

Väter bauen gerne Häuser. Na ja, weil das eine praktische, handwerkliche Tätigkeit ist. Väter klagen oft, dass sie mit den kleineren Kindern noch nichts anfangen können. Sie bewerten manchmal das gesprochene Wort und das mit den Händen Gemachte über. Sie können mit ihrem Kleinkind noch keinen Drachen bauen, keinen Flitzebogen oder kein Modellbau-häuschen, - können noch nicht über Autos mit ihm reden oder über Fußballregeln.

Aber Väter sind manchmal, wenn es um ihre Kinder geht, Tiefstapler. Das ist nicht mangelndes Interesse, das ist eher eine falsche Bescheidenheit. Sie denken an später: Warte mal, bis ich dir einen Flitzebogen basteln kann. Das Dumme ist nur, dass in solchen Fällen aus dem Flitzebogen meist auch später nichts wird. Denn zum Flitzebogen basteln gehört nicht in erster Linie ein guter Ast, sondern eine gute Beziehung. Und die ist später nur mühsam nachzuholen. Sie beginnt aber, wenn ich mich als Vater dem kleinen Kind regelmüßig zuwende, schon zu einem Zeitpunkt, wo ich vielleicht nur auf dem Teppich mit ihm sitzen oder kullern kann und die Bauklötze aufhebe, die mein Kind immer wieder aus dem Korb wirft. Mit jedem aufgehobenen Bauklotz scheide ich bereits an einem Stück Folie für den späteren Drachen. So betrachtet, dauert der Bau des ersten Drachen circa fünf Jahre. Der Segen der Väter, das ist wie aller Segen etwas, was auf lange Zeit wirkt und sich aufbaut. Kurzfristig lässt sich überhaupt keine Segenskraft aufbauen, kein Segen weitergeben.

In Taufgesprächen, die ich führe, lasse ich die Eltern immer die Taufsprüche für ihre Kinder aussuchen. Zunächst jeden Elternteil für sich. Frauen suchen ganz oft Sprüche aus, in denen davon die Rede ist, das Gott oder ein Engel das Kind beschützt und behütet. Während Männer oft Sprüche aussuchen wie diesen: Gott sagt: ich will dich behüten, wo du auch hinziehst. Irgendwie scheint das Interesse an der Kraft, auch Trennungen und Wege aus der schützenden Umgebung der Familie heraus zu bewerkstelligen, eher zur Väterlichkeit als zur Mütterlich-keit gehören. Das ist die traditionelle Fähigkeit von Männern zur Abgrenzung und zur Stärkung von Selbständigkeit und Autonomie, die die in der traditionellen Mütterlichkeit eher angelegten symbiotischen Beziehungen ergänzen kann.

Einem Jungen oder Mädchen wird die irgendwann nötige Abgrenzung von den Eltern, das Selbständigwerden leichter fallen, wenn sie bei ihrem Vater neben seinem Verständnis für Trennungen und Loslösungen auch Erfahrungen der liebevollen Zuwendung, des Körperkontaktes, der liebevollen Pflege, von Schutz und Geborgenheit, Verständnis und Verlässlichkeit erlebt haben.

Ich denke, Segen geht von uns Vätern auf unsere Kinder über, wenn Väter sich in ihre Familien einmischen. Väter sollten sich einmischen, damit ihnen nicht ein ganz großartiger Teil an Lebenserfahrung verloren geht; - sie sollten sich einmischen, wenn sie der Meinung sind, dass ihre Kinder zu viel Mutter und zu wenig Vater abbekommen haben. Sie sollten sich einmischen, weil sie wissen, dass mehrere Bindungen heilsam sind, und weil sie erfahren haben, dass sie grundsätzlich fähig in der Betreuung der Kinder von Geburt an sind.

Neue Väter sollten Väter sein, die sich ihrer Eifersucht bewusst werden und sie aushalten können, wenn die Mutter mehr angeschaut, mehr angelächelt oder beachtet wird. Segensreiche Väter sollten viel Energie und Disziplin aufbringen können und nicht aufgeben, wenn sie sich kümmern wollen, obwohl die direkte Belohnung durch das Kind zunächst ausbleibt.

Segensreich sind Väter für ihre Kinder, wenn sie sich in jeder Altersphase ihrer Söhne und Töchter als Umsorger und Schmusebären, aber auch als Entsager zur Verfügung stellen, die die Grenzen der Erlaubten immer wieder verbindlich machen.

Ein solches Vaterbild hat Jesus gelebt und verkündigt. So hat er es andere erfahren und spüren lassen. Nicht „überm Sternenzelt“, da wo er seiner Arbeit nachgeht, fern von seinen Kindern, "muss ein lieber Vater wohnen", der aber sonst nicht greifbar wird. Gott, der im Himmel wohnt, wohnt auch bei seinen Kindern, bei uns Menschen in unserem Alltag. Jesus Christus, der uns das Vater-Unser beten lehrte, lebte selber aus dieser Nähe und Gegenwart des himmlischen Vaters. Jesus hat Gott mit dem aramäischen Wort "Abba" angeredet. Das ist eine vertrauliche Anrede, kein distanziertes "Vater", eher ein zärtliches, liebevolles "Papa". Noch in der Stunde seiner schwersten Entscheidung, hat Jesus im Wissen, was auf ihn zukam, gebetet: "Abba, lieber Vater, du kannst alles. Lass diesen Leidenskelch an mir vorübergehen. Aber es soll geschehen, was du willst, nicht was ich will." (Mark. 14,36)

Jesus hat auf seinen Vater bis zum letzten gehört, er hat in seinen Willen eingewilligt, - aber nicht aus Furcht vor einem strengen, strafenden und fordernden Vater, sondern aus einem unbedingten, grenzenlosen Vertrauen, im Wissen und Vertrauen, dass der Vater im Himmel für seine Kinder nur das Gute will: das Leben, nicht den Tod.

Die Beziehung zwischen Jesus, dem Sohn und Gott, dem himmlischen Vater, war nun wirklich nicht ohne Krisen, ohne Enttäuschungen und Prüfungen. Aber am Ende stand die ungeteilte Gemeinschaft zwischen Vater und Kind, zwischen Vater und Sohn, zwischen Gott und Jesus. Diese Gemeinschaft zwischen Vater und Sohn könnte auf uns heute ausstrahlen, auf uns Väter und Kinder. Amen.

Volker Dieterich-Domröse
Markusgemeinde Stade
Volker.Dieterich@evlka.de


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