Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach, Redaktion: R. Schmidt-Rost

Weihnachten, 24. Dezember 2003
Liedpredigt übe
r EG 24, verfaßt von Irene Mildenberger
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)


Liedpredigt über Vom Himmel hoch, da komm ich her (EG 24)

1. "Vom Himmel hoch da komm ich her,
ich bring euch gute neue Mär;
der guten Mär bring ich so viel,
davon ich sing'n und sagen will.

2. Euch ist ein Kindlein heut geborn
von einer Jungfrau auserkorn,
ein Kindelein so zart und fein,
das soll eur Freud und Wonne sein.

3. Es ist der Herr Christ, unser Gott,
der will euch führn aus aller Not,
er will eur Heiland selber sein,
von allen Sünden machen rein.

4. Er bringt euch alle Seligkeit,
die Gott der Vater hat bereit',
daß ihr mit uns im Himmelreich
sollt leben nun und ewiglich.

5. So merket nun das Zeichen recht:
die Krippe, Windelein so schlecht,
da findet ihr das Kind gelegt,
das alle Welt erhält und trägt."

Liebe Gemeinde!

An Weihnachten dürfen wir alle wieder Kinder werden. Ein Kinderlied auf die Weihnacht Christi hat uns Martin Luther geschenkt. Ein Krippenspiel, mit verteilten Rollen zu singen. Ein Kinder- und Spiellied, bei dem es am Ende die Mitsingenden vor lauter Freude nicht mehr auf ihren Stühlen und Bänken hält. Davon ich allzeit fröhlich sei, zu springen, singen immer frei. So heißt es in der vorletzten Strophe.

Doch noch sind wir nicht soweit, unser Auftritt kommt erst später. Zuerst einmal ist der Engel dran. Er kommt von oben, vom Himmel, darum fängt sein Lied auch ganz oben an, beim höchsten Ton. Vom Himmel hoch , ja von dort komm ich her . Zur Bekräftigung erreicht sein Gesang sofort noch einmal den hohen Anfangston.

Aber der Engel aus dem Himmel will seine Botschaft ja hinunter auf die Erde bringen, zu uns Menschen, darum baut er sich mit der letzten Zeile seiner Melodie eine Leiter in die Tiefe, steigt zu uns herunter mit den Worten: Davon ich singen und sagen will , kommt schließlich auf dem tiefsten Ton an.

Der Engel hat sich übrigens als Marktschreier verkleidet, er hat sein Lied den fahrenden Sängern abgelauscht, die auf den Märkten die neuesten Nachrichten unters Volk bringen:

Ich komm aus fremden Landen her
und bring euch viel der neuen Mär,
der neuen Mär bring ich so viel,
mehr denn ich euch hier sagen will.

So beginnen sie ihr Lied, werben um Aufmerksamkeit. Und nun kommt einer nicht nur aus fremden Landen, sondern sogar aus dem Himmel. Um so gespannter hören wir zu, was er uns zu sagen hat.

Der Engel hält sich recht genau an den Text, den ihm der Evangelist Lukas vorgegeben hat: Euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr. Aber er denkt daran, dass er Kinder vor sich hat, junge und alte Kinder; und damit wir ihn ja richtig verstehen, erklärt er uns das wichtigste und schwierigste Wort ausführlicher: Heiland.

Euer Heiland, das ist der, der euch aus aller Not führen will. Und davon gibt es ja wirklich genug unter uns, ich brauche das jetzt nicht auszumalen. Aber nicht nur Leid und Not wird der Heiland heilen, er wird auch unsere Beziehung zu Gott dem Vater wieder heil machen, macht uns rein von Sünden. Damit ist der Weg frei ins Himmelreich, ins ewige Leben, wo der Tod keine Gewalt mehr haben wird.

Der Engel verkündet uns auch, warum der Heiland das alles kann: Er ist der Herr Christ, unser Gott. Weil er Gott ist, darum kann er uns erlösen.

Zwei Verse hat der Engel gebraucht, um uns das Wort Heiland zu erklären, jetzt kehrt er zum Text des Evangelisten Lukas zurück, nennt die Erkennungszeichen für das Kind. Doch zwischen Krippe und Windelein hat er noch einen Hinweis versteckt, der uns das Kind in göttlichem Licht zeigt. Es ist ein Kind, das alle Welt erhält und trägt . Das Leben zu erhalten und zu bewahren, das ist ja das Amt des Schöpfergottes. Er selber also verbirgt sich in diesem Kind. Wir merken: Die Melodie, die der Engel gewählt hat, passt nicht nur zu ihm selbst, sondern auch zu seiner Mär: Gott kommt zur Welt, steigt mit der Tonleiter vom Himmel zur Erde.

Nun hat der Engel ausgesungen. Fünf Strophen lang haben wir mehr oder weniger geduldig auf unsern Einsatz gewartet, jetzt sind wir dran.

6. Des laßt uns alle fröhlich sein
und mit den Hirten gehn hinein,
zu sehn, was Gott uns hat beschert,
mit seinem lieben Sohn verehrt.

7. Merk auf, mein Herz, und sieh dorthin;
was liegt doch in dem Krippelein?
Wes ist das schöne Kindelein?
Es ist das liebe Jesulein.

Mit den Hirten gehen wir in unserm Krippenspiel nach Bethlehem zur Bescherung. Ganz genau dürfen wir das Weihnachtsgeschenk anschauen, das Gott uns gemacht hat. Alle gehen gemeinsam zur Krippe, haben das gleiche Ziel. Aber schauen und schließlich auch mit dem Kind reden, das kann jeder und jede von uns besser allein. So hat das auch Martin Luther gesehen, der Verfasser unseres Krippenspiel-Liedes, darum lässt er ab der siebten Strophe ein einzelnes Ich singen.

Zuerst ist es völlig mit Schauen und Staunen beschäftigt, führt ein Selbstgespräch: Merk auf mein Herz! so ruft es sich selber zur Aufmerksamkeit. Erkennst du wieder, was der Engel gesagt hat? Siehst du das Kind?

Doch dann beginnt die Zwiesprache mit dem Kind in der Krippe.

8. Sei mir willkommen, edler Gast!
Den Sünder nicht verschmähet hast
und kommst ins Elend her zu mir:
wie soll ich immer danken dir?

9. Ach Herr, du Schöpfer aller Ding,
wie bist du worden so gering,
daß du da liegst auf dürrem Gras,
davon ein Rind und Esel aß!

10. Und wär die Welt vielmal so weit,
von Edelstein und Gold bereit',
so wär sie dir doch viel zu klein,
zu sein ein enges Wiegelein.

11.Der Sammet und die Seiden dein,
das ist grob Heu und Windelein,
darauf du König groß und reich
herprangst, als wärs dein Himmelreich.

Zuerst einmal muss das Kind begrüßt werden, ehrerbietig freilich, der Standesunterschied ist uns durchaus bewusst. Ich Sünderin grüße dich, den edlen Gast, heiße dich willkommen unter uns Menschen. Herr, ich bin es nicht wert, dass du eingehst unter mein Dach, und trotzdem bist du zu mir gekommen, in unser menschliches Elend hinein. Mir bleibt nichts übrig, als dir zu danken, obwohl mir dafür die Worte fehlen.

Und nun fängt das Staunen erst richtig an. Was hat der Engel von dem Kind gesagt? Das alle Welt erhält und trägt? Du Kind bist der Schöpfer, durch den alle Dinge gemacht sind, und liegst auf dürrem Gras? Wie passt das zusammen?

Je länger wir Gottes Bescherung betrachten, desto mehr wundern wir uns. Gott wird Mensch - schon diese Botschaft des Engels war erstaunlich genug. Aber wenn er schon Mensch wird, dann müsste es doch wenigstens prunkvoll sein, in Samt und Seide, mit Gold und Edelsteinen.

Und Dienerschaft müsste drum herum sein. Statt dessen stehen da nur Ochs und Esel. Obwohl, wenn wir es recht bedenken, vielleicht sind die ja ein besserer Hofstaat für das Kind, als wir Menschen. Immerhin heißt es beim Propheten Jesaja: Ein Ochse kennt seinen Herrn und ein Esel die Krippe seines Herrn, aber mein Volk erkennt's nicht und versteht's nicht. Vielleicht haben diese Tiere - von uns als dumm verachtet - ihren Schöpfer gleich erkannt, brauchten nicht erst einen Engel dazu.

Das Staunen hält an: Du großer Gott, unendlich, überall gegenwärtig, die ganze Welt kann dich nicht fassen, ist dir noch zu klein, und jetzt liegst du in diesem engen Krippelein. Und du scheinst dir noch nicht mal was draus zu machen. Als wäre es ein Königspalast, als wäre es sogar der Himmel, so liegst du auf Heu und auf einer Windel. Das ist für große Kinder genau so schwer zu fassen wie für kleine.

Doch nachdem wir Kinder uns lange genug gewundert haben - vier Strophen lang - fangen wir an zu begreifen, was Gott mit seiner Bescherung vielleicht gemeint hat:

12. Das hat also gefallen dir,
die Wahrheit anzuzeigen mir,
wie aller Welt Macht, Ehr und Gut
vor dir nichts gilt, nichts hilft noch tut.

Ja, wenn ich mir anschaue, wie du kleines Kind später gelebt und was du gelehrt hat, dann passt das schon zusammen. Du warst meist mit den Armen und Elenden zusammen. Du hast davor gewarnt, was Reichtum aus Menschen machen kann. Wie hättest du da in einem Palast zur Welt kommen können.

Vor allem aber: Wenn du, Gott, selber so arm und niedrig zu uns kommst, wie sollten wir da Reichtum und Ansehen für etwas so wichtiges halten? Da können wir nicht mehr glauben, du würdest uns eher annehmen, weil wir etwas besitzen, Ehre, Ansehen, Frömmigkeit. Da brauchen wir uns nichts mehr darauf einbilden, dass wir ja anständige Leute sind. Du zeigst uns mit deiner Geburt, dass aller Welt Macht, Ehr und Gut vor dir nichts gilt, nichts hilft noch tut.

So, es ist Zeit, mit den Hirten wieder umzukehren. Wir können nicht für immer stehen und schauen. Aber das, was Gott uns beschert hat, das Kind, das können wir nicht einfach liegen lassen. Darum bitten wir: Du hast die elende Krippe nicht verschmäht, verschmäh doch auch nicht das Bettlein, das ich dir anbiete, mein Herz. Komm zu mir, damit ich nicht vergesse, was ich im Stall gesehen habe.

Und nun kommt Bewegung ins Spiel, nun beginnt der weihnachtliche Freudentanz. Wir springen und singen zugleich dem Kind ein Susaninne, ein Wiegenlied. Tanzend tragen wir die Weihnachtsfreude weiter.

Diese Freude soll kein Ende haben. Aber unser Krippenspiel-Lied, das braucht doch einen Schluss. Dazu stellen sich alle großen und kleinen Kinder noch einmal gemeinsam auf und singen miteinander. Wir bekommen sogar Unterstützung von den Engelscharen. Und so bedanken wir uns alle beim Vater für die wunderbare Bescherung:
Lob und Ehr sei dir, Gott im Himmel, dass du uns deinen Sohn schenkst. Amen.

13. Ach mein herzliebes Jesulein,
mach dir ein rein sanft Bettelein,
zu ruhen in meins Herzens Schrein,
daß ich nimmer vergesse dein.

14. Davon ich allzeit fröhlich sei,
zu springen, singen immer frei
das rechte Susaninne schön,
mit Herzenslust den süßen Ton.

15. Lob, Ehr sei Gott im höchsten Thron,
der uns schenkt seinen eingen Sohn.
Des freuet sich der Engel Schar'
und singet uns solch neues Jahr.

Irene Mildenberger
Liturgiewissenschaftliches Institut der VELKD
liturgie@uni-leipzig.de


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