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Andachten (2003)
"Erntedank", verfaßt von Rainer Müller-Brandes (-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de) |
Erntedank Jesus sagte ihnen ein Gleichnis: Und Jesus schloß: "So steht es mit allen, die für sich selber Besitz aufhäufen, aber bei Gott nichts besitzen." Harter Tobak, diese Geschichte oder? Im Lukasevangelium im 12. Kapitel steht die. Und ich fühl´ mich schon angesprochen. Denn für mich steckt in dieser Geschichte etwas von einer bestimmten Lebenshaltung, die - glaube ich - in ganz vielen von uns steckt. Und davon will ich reden. Für mich ist das die Geschichte von einem, dessen Lebensinhalt
- wie soll ich das sagen - im Schaffen besteht, z.B. Zeit zu haben für die Familie, für die Kinder, weil er
in seiner knapp bemessenen Freizeit abends vor dem Fernseher und morgens
hinter der Zeitung sitzt. Wenn das alles zu kurz kommt, kann das irgendwann einmal bitter werden. Nämlich dann, wenn Gott wie in der Geschichte zu uns sagt: Heute nacht ist es soweit, heute nacht wird man dein Leben von dir zurückfordern. Wir modernen Menschen heute, wir wissen, daß Leistung - auch Besitz - zählt. Daß Leistung entscheidet. Wir haben volle Terminkalender, weil wir sonst in den Augen andrer und in den eigenen Augen nichts zählen. Ja, und manchmal denke ich dann, ob wir nicht das Wesentliche übersehen. Jetzt am Wochenende traf einen alten Mann, über 90 Jahre alt aus meiner alten Gemeinde. Und dort hörte ich den nicht unbekannten Satz: "Ach wissen Sie, Herr Pastor, früher war doch alles anderes." Und wenn ich dann frage: "Was denn?", dann kam eben nicht die Antwort, daß die Alten von heute früher viel besser erzogen wurden und viel schwerer arbeiten mußten und so weiter, nein, der alte Mann sagte:" Als ich jung war, hatten wir doch noch mehr Zeit als die jungen Leute heute." Die Antwort hat mir zu denken gegeben. Manchmal denke ich: Vergessen
wir nicht bei allem, was wir so tun, das Wesentliche? Betreiben wir nicht manchmal Raubbau an unserem Körper, weil es immer weitergehen muß? Und in diesem Zusammenhang: Im Konfirmandenunterricht habe ich einmal einen Wunschlebenslauf zeichnen lassen: Die Jungen und Mädchen sollten auf einer Zeitleiste aufmalen oder aufschreiben, was sie sich für ihr Leben wünschen. Was wünsche ich mir, wenn ich 20, 30, 40, 50, 60 oder 70 Jahre alt bin, bis zu dem Tag, an dem ich sterben werde? Gut, bei durchaus nicht wenigen stand und es war nett zu lesen: " Mit 28", so eine Konfirmandin, "heirate ich einen netten und gutaussehenden Mann, später machen wir uns ein schönes Leben und mein Sohn wird Rechtsanwalt und meine Tochter Ärztin. Außerdem ziehen wir nach Florida." Klare Vorstellungen. Aber es stand auch da: "Ich will arbeiten, und glücklich sein.
Allerdings will ich immer Zeit übrig haben für meine Träume." Und eine andere schrieb bei jedem Jahrzehnt neben ihren Vorstellungen von Hausbau, Auto, etc. die Worte "Glücklich sein". Neben die 30 Jahre glücklich sein. Neben die 40. Neben die 60. Bis zum Schluß -glücklich sein. Welche Dinge muß ich eigentlich tun, um glücklich zu sein? Vielleicht mal ein paar Tage nur mit meiner Frau wegfahren? Oder mal - ganz banal - bei dem vielen Sitzen etwas für die Gesundheit tun? Anders ausgedrückt: Überlegen Sie mal -Was sind die Quellen meiner Kraft? Wie erreiche ich es, glücklich zu sein? Wofür möchte ich mehr Zeit haben? Und wenn ich mir jetzt vor meinen geistigen Auge mal Montag, Dienstag, Mittwoch, also meine normale Woche vorstelle, wo habe ich mir Platz für diese Dinge eingeräumt? Ich will mich nicht so verkalkulieren wie der reiche Kornbauer in dem Gleichnis, der nur an die größere Kornscheune dachte. Viel zu haben auf den verschiedensten Konten, aber kein Zeitkonto für mich, für mein Familie, kein Konto für Gott- das kann es ja irgendwie nicht sein. Denn Gott will, daß es mir gut geht. Daß ich solche Vorräte in meine Scheune sammle, das wünsch
ich mir. EG 585 Gebet: Pastor Rainer Müller-Brandes, Hannover |
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