Göttinger Predigten im Internet, hg. von Ulrich Nembach und Johannes Neukirch

Predigtvorschlag zur Konfirmation, 26.4.1998

Predigt: Pastorin Karin Klement, Göttingen


― Predigtvorschlag zur KONFIRMATION ― Gottesdienst am 26. April 1998, Miserikordias Domini

Liebe Gemeinde! Liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden!

Viele gute Wünsche werden Euch heute gesagt. Einiges davon rauscht an euch vorbei, aber Ihr spürt die freundliche Zuwendung dahinter, die besondere Aufmerksamkeit, die Euch heute zuteil wird. Manches Wort bleibt vielleicht haften, hakt sich (fast unbemerkt) in Euren Köpfen fest. Ihr wißt noch nicht, was Ihr damit anfangen könnt. Aber, wenn Ihr es irgendwann einmal braucht, ist es da. So soll auch Euer Konfirmationsspruch ein treuer, stiller Wegbegleiter sein. Zumeist still im Verborgenen, aber laut und vernehmlich, wenn er nötig ist.

Der heutige Konfirmationstag ist Euer Tag, euer Fest; an dem jedoch nicht nur Eure Familien und gute Freunde teilhaben, sondern auch die Gemeinde hier an unserem Ort. Vorhin seid Ihr Konfirmandinnen und Konfirmanden zusammen mit einem Teil des Kirchenvorstandes und mir unter dem fröhlichen Gesang des Gospelchores und mit beschwingten Schritten in diese Kirche eingezogen. Und alle, die hier versammelt sind, erhoben sich, um Euch zu ehren! Ich glaube, dies war nicht nur für Euch ein aufregender Moment. Auch Eure Eltern nahmen ihn wohl mit einer Mischung aus bewegendem Stolz, Freude und etwas Wehmut wahr. Mit einem Mal wird ihnen bewußt, was über die Jahre hinweg fast unmerklich geschehen ist: Ihr Kind ist groß geworden; es ist auf dem Wege erwachsen zu werden ― im Leben wie im Glauben!

KONFIRMATION hängt heute zwar schon längst nicht mehr mit der Schulentlassung zusammen, aber sie ist dennoch zugleich eine Art "Abschiedsfeier von der Kindheit" und ein "Erwachsen-Werden" im Glauben. Mit eurem Hineinziehen in unsere Kirche, zieht Ihr jungen Menschen in eine neue Phase Eures Lebens ein. Und wir wissen, es ist gut und wichtig, daß Euch nun segnende Hände aufgelegt werden zur Bewahrung, "zu Schutz und Schirm vor allem Bösen, als Stärke und Hilfe zu allem Guten". So wird es Euch bei der Einsegnung zugesprochen.

Schutz und Schirm, Stärke und Hilfe ― das liegt verborgen unter dem Segen Gottes, der Euch nahe sein will, nicht nur heute, sondern ein hoffentlich erfülltes und glückliches Leben lang. Dieser Segen ist nicht einfach nur ein guter Wunsch. Es steckt in ihm eine außergewöhnliche Kraft. Wenn ich sie beschreiben sollte, würde ich sagen: Gottes Segen ist wie ein Magnet, der das Gute anzieht. Oder ― wie es einige von Euch Konfirmanden nennen könnten: Gottes Segen ist "wie, wenn man das höchste Level in einem Computerspiel erreicht hat." Großartigeres ist einfach nicht mehr möglich. Ja, ihr merkt schon, Eure regen Gespräche über Bits und Bites (oft genug im Konfirmandenunterricht) habe ich zwar nicht immer verstanden, aber sie werden mich stets an Euch erinnern!

Mit vielen Themen haben wir uns im Unterricht beschäftigt: Wir haben über Tod und Leben geredet, über Glauben und Zweifel, über Nächstenliebe und Lebensregeln (10 Gebote) und vieles mehr. Nicht alle Fragen konnten wir zu Ende diskutieren. Manches blieb offen. Was wollte ich euch eigentlich mitgeben?

Vielleicht, daß christlicher Glaube weniger aus Theorie, als viel eher aus der Praxis kommt: Aus offenen Gesprächen, aus geübter Toleranz trotz vieler Meinungsverschiedenheiten, aus einem erprobten und bewährten Vertrauen zueinander und einem gemeinschaftlichen Handeln miteinander. Wenn Ihr in den letzten anderthalb Jahren davon etwas mitbekommen habt, würde ich mich sehr freuen!

Als eine der letzten Aufgaben solltet Ihr Euch ein Bibelwort aussuchen, das Euch gut gefällt, mit dem Ihr etwas anfangen könnt, und die Gründe Eurer Spruchauswahl benennen. Keine Sorge! Hier wird jetzt nichts ausgeplaudert, was Ihr mir vielleicht nur im Vertrauen mitteilen wolltet. Für mich war es wichtig, daß Ihr Euch intensiv mit Eurem jeweiligen Bibelwort beschäftigt. Denn es soll eine Art Überschrift über Eurem Lebensweg sein. Es soll Euch wichtig werden in ganz unterschiedlichen Situationen: Wenn in der Schule schwierig wird, oder im Zusammensein mit den Menschen, die Ihr sehr lieb habt. Oder wenn Ihr Euch allein fühlt und nicht mehr weiter wißt. Ich wünsche Euch, daß Euer Konfirmationsspruch zu einem Schlüssel wird, der Euch das eigene Leben aufschließt und verständlicher macht.

Und was können Euch Eure Konfirmationsworte heute sagen? Ich will sie für jeden einzelnen von Euch ansatzweise auslegen. Was sie Euch noch bedeuten können, mögt ihr auf Eurem zukünftigen Lebensweg dann selbst entdecken!

SEBASTIAN hat sich ein Wort aus dem Buch des Propheten JESAJA (40, 31) ausgewählt: Die auf den HERRN harren, kriegen neue Kraft. Das alte Wort "harren" bedeutet hier: Geduldig und vertrauensvoll darauf warten können, daß Gottes Nähe sich im Leben eines Menschen zeigt; von Gott etwas Gutes er―warten, auch wenn dies nicht immer sofort erkennbar ist. Dann kann es geschehen: Wir empfangen innere Stärkung und eine neue Kraft. Lieber Sebastian, für dich ist heute ein doppelter Festtag: Zum einen feierst Du heute Deine geduldig "erarbeitete" Konfirmation, zum anderen Deinen 14. Geburtstag. Zu beiden Anlässen wünschen wir Dir von Herzen alles Liebe und Gottes Segen!! Geduld und Stärke sind in Deinem Bibelwort aufeinander bezogen. Nur, wer Geduld erlernt und einübt, spürt auch die Kraft für andere Dinge neu in sich wachsen. Du weißt selber: Groß und stark wird man nicht gleich geboren; es braucht seine Zeit, sich dahin zu entwickeln. Rückschläge können immer wieder auftreten. Auch Erwachsene werden manchmal "müde und matt", ungeduldig mit sich selber und mit der ganzen Welt. Wir zweifeln an unseren Fähigkeiten, unsere Kräfte erlahmen, unser Selbstvertrauen sinkt. Doch wenn wir müde werden und verzagen, weckt Gott, der Dich und mich und die ganze Welt geschaffen hat, neue Kraft in uns. Und er "läßt uns auffahren wie mit Adlerflügeln".

TOBIAS hat zusammen mit seinen Großeltern ein Wort aus PSALM 91(Vers 11) ausgewählt, das sehr gut zu seinem Namen und der Geschichte seines Namens paßt: Denn er hat seinen Engeln befohlen, daß sie dich behüten auf allen deinen Wegen. In der biblischen Tobit-Geschichte begleitet einer der 7 Erzengel Tobits Sohn, der ebenfalls Tobias heißt, auf einer schwierigen Reise. Am Ende kehrt Tobias wohlbehalten, reich an neuen Erfahrungen und lebendigen Schätzen, nachhause zurück. Der Erzengel RAPHAEL (d.h. Gott heilt) hat ihm beigestanden, sein Leben gefördert und in Gefahren bewahrt. Genauso wünschen wir uns als Eltern/Großeltern die Lebensreise unsere Kinder und Enkel: Daß sie überall ― im Schweren wie im Leichten ― von Gottes Engeln behütet und bewahrt sind. Kein Übel, keine Plage soll ihnen begegnen. Unverletzlich sollen sie bleiben inmitten aller Bedrohungen und Schrecken. Besonders dort, wo wir nicht weiterhelfen können, wo unsere Kräfte und Möglichkeiten zu Ende gehen, hoffen wir darauf, daß Gottes Liebe und Segen uns und die, die wir lieben, von allen Seiten umgibt. Als Eltern kann uns das helfen, unsere Kinder immer weiter ein Stück loszulassen, damit sie ihre eigenen Wege suchen und entdecken. Euch als Heranwachsende kann es helfen, Vertrauen in Euer Leben zu gewinnen. Mit deinem dritten Namen bist Du, Tobias, nach dem Reisebegleiter und Schutzengel genannt: RAPHAEL. Ich verstehe diese Namensgebung so: Du sollst nicht nur selber von Gott behütet und geborgen sein, du sollst und kannst mit all den Begabungen, die in Dir angelegt sind, auch für andere zum Gottesboten, zum Engel werden. Mit Deiner wachsenden Kraft, kannst Du andere unterstützen; mit Deinem klugen Kopf, ihnen auf freundliche Weise ein Licht entzünden. So lernst Du Verantwortung zu übernehmen, nicht nur für Dich selbst, sondern auch für Deine Mitmenschen.

SILKE und SUSANNE haben unabhängig von einander ein- und dasselbe Bibelwort ausgewählt. Im 1. Joh.brief (4, 16+19) heißt es: Gott ist Liebe ― wer in der Liebe lebt, der lebt in Gott, und Gott lebt in ihm/ihr. Wir lieben, weil er uns zuerst geliebt hat. Keine Frage, die LIEBE ist das Wichtigste im Leben überhaupt! Nicht nur in der aufregenden Phase des Erwachsenwerdens spielt sie eine große Rolle, sondern ein ganzes Leben lang. Ihr geheimnisvoller Zauber irritiert uns. Er bringt Empfindungen durcheinander, uns manchmal sogar um den klaren Verstand. Die Liebe läßt sich nicht einordnen, und niemand hat sie ― glücklicherweise! ― unter Kontrolle. Die Sehnsucht danach, geliebt zu sein und selber zu lieben, ist wohl der tiefste Ansporn, der uns in Bewegung hält, der uns immer wieder aufeinander zugehen läßt. Woher kommt diese Sehnsucht? Die Liebe ist in uns angelegt. Wir können leben, atmen, uns selbst und andere lieben, weil wir schon lange zuvor Geliebte sind. Das Geschenk unseres Lebens und der Ursprung unserer Sehnsucht nacheinander verdankt sich einer unerschöpflichen Quelle: Wir nennen sie "GOTT". Als Menschen, die dieser Kraft vertrauen, könnt Ihr beide ― und wir mit Euch ― leben und lieben ― allen widersprechenden Erfahrungen zum Trotz!

HENDRIK gefiel ein Wort aus dem Mk-Ev. (9, 23) besonders gut. Ein verzweifelter Vater bittet Jesus um Hilfe für sein schwererkranktes Kind. Aber er ist unsicher, zweifelt, ob Jesus ihm wirklich helfen kann. Doch Jesus spricht zu ihm: Alle Dinge sind möglich dem, der da glaubt. Allen logischen Zweifeln zum Trotz, sogar der tiefsten Verzweiflung entgegen stellt Jesus das Vertrauen in Gott. Alle Dinge sind möglich ― Gottes Macht ist unbegrenzt. Selbst das völlig Unerwartete kann Wirklichkeit werden, weil es in der Hand des allezeit kreativen Schöpfers liegt. Wer genügend Selbstvertrauen hat, neugierig auf das Leben ist und dabei alles immer ganz genau erklärt haben will; wer in sich selbst gefestigt erscheint ― wie Du diesen Eindruck auf mich machst ― dem fällt es nicht schwer, auch nahezu Unmögliches zu erwarten. Deine Sicherheit, dein Selbstvertrauen basiert wohl auf jenem Urvertrauen, das wir alle unseren Eltern und Erziehern verdanken. An ihnen lernten wir ein Vertrauen zu entwickeln, das den Mut schenkt, Gott bei seinem Wort zu nehmen. Wer vertraut, bindet nicht nur sich selbst, sondern auch den, dem er vertraut. Und Gott will sich von uns ernstnehmen und binden lassen. Er bleibt uns nahe, selbst dort, wo vieles (in uns und um uns) dunkel erscheint und überhaupt nicht zuversichtlich. Christus sagt: Bewahrt Euch Euer Vertrauen, Eure Offenheit, Euren Glauben, denn er versetzt tatsächlich Berge ― und seien es nur die Hindernisse unserer eigenen Vorstellungskraft, die Berge unserer Vorurteile und Ängste.

ALEXANDER wünscht sich als Wegbegleiter seines Lebens einen altbekannten, wohlvertrauten Vers aus PSALM 23 (Vers 1): Der HERR ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln. In diesem Geborgenheit vermittelnden Bild eines Hirten, der sich fürsorglich um seine Herde kümmert, der ihre Bedürfnisse kennt und versorgt, spiegelt sich wieder, was Gott für uns Menschenkinder sein will: Ein Begleiter, der uns einerseits Freiraum läßt, diese Welt zu erkunden und zu gestalten. Und andererseits einer ist, der die Richtung vorgibt, weil er weiß, wo die saftigsten Weiden zu finden sind. Ein guter Hirte setzt sein eigenes Leben ein, um die ihm anvertrauten Leben vor gefährlichen Wölfen zu schützen. Ebenso gibt Gott seinen Sohn dahin: Christus stirbt am Kreuz, durchleidet unsere Schmerzen, unseren Tod und wird auferweckt, damit wir erfahren und glauben können, daß Gott es gut mit uns meint. Damit wir darauf vertrauen können, daß wir auch in finsteren Tälern nie alleingelassen, nie von Gott verlassen sind.

EVA hat ebenfalls ein Psalmwort für sich ausgewählt. In PSALM 36, 10 heißt es: Bei dir ist die Quelle des Lebens, und in deinem Lichte sehen wir das Licht. Alle Menschen suchen nach der Quelle ihres Lebens, suchen jenen Ursprung, der ihr Leben unerschöpflich sprudeln läßt. Sie wollen wissen, woher sie kommen, wozu sie gehören, und wohin sie gehen werden. Aus der Kenntnis über ihr Herkommen, können sie sich selber besser einschätzen und verstehen. Die Quelle ihres Lebens sagt etwas darüber aus, wer sie eigentlich sind und verhilft ihnen zur eigenen Identität. Menschen, die im Schöpfergott ihre Quelle erkennen, wissen sich zu ihm gehörig. Auf ihr Leben fällt ein besonderes Licht, das es wärmt und erleuchtet. So daß sie in seinem Schein ihren Weg gehen können und Orientierung finden. Welch ein köstlicher Anfang aller Tage, die noch kommen sollen!

STEFFEN hat einen kurzen, einprägsamen Satz ausgewählt, der zugleich der Trauspruch seiner Eltern war. In PSALM 145, 20 weiß der Beter: Der Herr behütet alle, die ihn lieben. Das ist eine Erfahrungsaussage, kein Bedingungssatz. Er meint nicht: Du mußt Gott lieben, damit er dich behütet. Sondern umgekehrt: Du bist behütet, darum kannst du Gott lieben. Keine Aufforderung, vielmehr ein Sich-Öffnen-, ein Geschehen-Lassen. Liebe ist immer ein Ereignis, keine gewollte Handlung. Oder habt Ihr Euch schon mal verliebt, nur weil Ihr das wolltet? Das Lieben geschieht uns, widerfährt uns, bringt uns völlig aus dem Gleichgewicht, läßt uns "abheben" und über den Alltagsdingen stehen. Liebe nimmt uns alles aus der Hand, sie läßt sich nicht verfügen oder dirigieren. Man kann sich auch kaum dagegen wehren. Gott lieben?? Eine unsichtbare Gestalt, eine Kraft, die uns umgibt, ohne daß wir sie richtig be―greifen können?? Das ist gewiß etwas anderes als wenn ein Mensch einen anderen liebt. Und dennoch: Die Liebe zwischen Eltern und Kindern, zwischen Mensch und Mitmensch ist ein Abglanz, ein Teil von Gottes großen Liebe. Wer sich geliebt weiß, dem fällt es auch nicht schwer, wieder zu lieben.

Liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden! Alle Eure Sprüche wollen Euch ermutigen, Zuversicht vermitteln. Sie reden von einem Glauben, der Euch die Zukunft eröffnen kann. Ich wünsche Euch gute Erfahrungen mit Euren Bibelworten. Nehmt sie beim Wort! Überprüft sie immer wieder an Eurer eigenen Lebensgeschichte! Dann werdet Ihr vielleicht etwas davon spüren, was unser nächstes Lied besingt: Fruchtbarer Segen ― sogar in Wüsten―Zeiten und an Wüsten―Orten: Wo ein Mensch Vertrauen gibt, fällt ein Tropfen von dem Regen, der aus Wüsten Gärten macht! Auf Gott dürft Ihr Euer Vertrauen setzen ― er wird Euch dorthin führen, wo das Leben blüht!

AMEN

LIED: EG 604, 1- 3

Pastorin Karin Klement, Lange Straße 42, 37077 Göttingen OT Roringen


[Zum Anfang der Seite]

[Zurück zur Hauptseite] [Zum Archiv] [Zur Konzeption] [Diskussion]