Göttinger Predigten im Internet, hg. von Ulrich Nembach und Johannes Neukirch


Septuagesimae
Datum: 31.1.1999
Predigttext: Lukas 17, 7-10
Verfasser: Friedrich Malkemus



Predigttext zum 31.01.1999, Septuagesimae, Lukas 17, 7-10
EG: 156, 441 V.1-5, 495 V 1-5, 441 V 6+7, 494 V 1+4+5, PS. 43 (EG 724), PS. 31 (EG 716)


Liebe Gemeinde!

Von der Arbeit heimkommen! Das ist ein besonderer Augenblick im Tagesablauf. Da treffen unterschiedliche Erfahrungen und Erwartungen, Empfindungen und Gereiztheiten aufeinander. Das ist heute so - wie vor zweitausend Jahren. - Jesus konzentriert seine Beobachtung auf diesen spannungsvollen Augenblick. Er nimmt uns mit in seine Betrachtung hinein: Eine Szene von prägnanter Kürze! Und in ihr liegt eingebettet unsere Erfahrung, wenn auch historisch unter anderen Bedingungen. -

Ein harter Arbeitstag ist zu Ende gegangen. Stellen Sie sich das vor unter den klimatischen und technischen Bedingungen des orientalischen Altertums! Die Zugtiere sind müde vom Ackern auf trockenem Boden in der Gluthitze des Tages, die Herde ist müde von den weiten Wanderungen bei wenig Wasser und trockenem Gras. Und müde und sonnenverbrannt der Mensch - ausgelaugt. Endlich geht die Sonne mit einem feuerroten Glutball plötzlich unter. Heimkommen vom Feld. Endlich heimkommen! - Der Knecht freut sich, ist voller Hoffnung auf Entspannung und Ruhe. Da ist aber der Herr mit seiner Erwartung an den Knecht. Schürze dich! Bereite mir das Essen! - Das wirkt sehr hart auf unsere Seele ein. Im modernen Haushalt treffen die Feierabenderwartungen sehr oft auch ganz konträr aufeinander. Da kommt der Mann heim, da die Frau. Und jeder Partner ist in der Rolle Knecht und in der Rolle des Herrn! - "Du mußt noch ganz schnell jetzt vor dem Essen noch zur Apotheke und Medizin holen für die Kleine. Die hat Fieber!" oder "Du mußt heute das Abendessen selbst anrichten. Ich habe solche Kopfschmerzen. Ich kann einfach nicht!" -

Jetzt muß der Knecht - Frau oder Mann - seine intimen Wünsche, seine Erwartungen an den Feierabend noch einmal ein ganzes Stück zurückstellen, obwohl hundemüde, obwohl sonnen-verbrannt und kaputt. Ich möchte mich am liebsten auf die Liege werfen und ruhen - endlich und endlich meine Beine langstrecken! Aber der Herr, der Fordernde! - Dabei soll uns nicht der Gedanke kommen, als wäre dieser Herr besonders herrisch und rücksichtslos. Der verhält sich so wie die anderen Herren! Er fordert den Dienst ganz, auch am Abend und in dieser Situation. Er läßt nicht zu, daß der Knecht sich gehen läßt und schont: Schürze dich und diene mir! -

Jesus kritisiert den Herrn in seinem Beispiel nicht als arrogant und kaltblütig. Er stimmt kein wehleidiges Lied auf den armen ausgebeutelten Knecht an. Er entfaltet seine Klassenkampftheorie der Knechte gegen die Herren.

Ihr seid Knechte! Ihr seid Diener des Herrn! Und zwar nicht eines ländlichen Grundbesitzers, ihr seid Diener des Herrn der Welt. Euer Leben ist ein Dienst vor Gott und für Gott! Euer Leben ist ein Einsatz und Dienst, im Streß und im Feierabend! Bischof Dibelius hat einmal das Wort geprägt: "Christen sind immer im Dienst". So nannte er auch sein Buch. Viele fühlten sich dadurch bestätigt in ihrem Einsatz als Christen, noch mehr Christen wohl haben sich geärgert und diese Idee abgelehnt als überholt und nicht anwendbar in der modernen Dienst- und Leistungsgesellschaft. So kann man den Menschen doch nicht beanspruchen! Das geht zu weit! Dem Menschen, auch dem willigen Christen gegenüber gilt doch auch, ihm seine Ruhe und Verschnaufpause zuzubilligen! Darf er wirklich nicht einmal vom Platz des Wettkampfes herunter und auf der Ausbank sich neue Kräfte holen? - Nun im Betrachtungsfeld Jesu kommt der Dienst am Herrn zu seiner vollen Geltung. Der Knecht muß die letzten Reserven noch mobilisieren und sich ganz einsetzen. Dann aber folgt auch: - Das sollen wir hören! - Danach sollst du auch essen und trinken. Der Herr läßt die Fürsorge nicht außer Acht. Alles hat seine Ordnung, eine vom Herrn vorgegebene Ordnung. Was wir daraus für uns ableiten können? Wir stehen bei dem Schaffen und Ruhen, beim Werken und bei dem Erholen im Dienste des Herrn. Gott gibt uns den Raum, die Sinnerfüllung für unsere Tätigkeiten am Pflug oder Hirtenstab, in Büro oder in der Fabrik, auf der Straße oder in der Wohnstube. Von ihm empfangen wir unsere Kräfte und Gaben, unsere Freude und unsere Mühsal. Dem Herrn dienen - das ist nie und nimmer nur ein Spalt eine Sparte unserer Lebenszeit. Da gibt es den Anteil an Zeit nicht, von dem es heißen könnte, hier bin ich nicht im Dienste Gottes, hier bin ich fern von Gott und fern von seinem Auftrag. Überall ist Gottes Feld und Acker, Straße und Haus. Diener zu sein, ist mein Beruf, meine Erwähltheit. Überall stehe oder sitze oder liege, arbeite oder ruhe ich als sein Diener.
Das reicht - meint Jesus.
Amen


Entscheidungen für die Predigt:

1. Eine höchst komplexe Erzähleinheit, miniaturhaft komprimiert und gestrafft. Das Herrsein und Knechtsein bieten zahlreiche wechselseitige Betrachtungsweisen: Meine Zeit steht in deinen Händen! Die Gefahr in sozialgeschichtliche Erörterung abzugleiten, muß vermieden werden. Der Beruf des Christen im Dienen und Führen sollte im Gedanken der Predigt das tragende und erfüllende Element werden.

2. In den beiden Gemeinden Loshausen und Zella - typischen Dörfern der traditionsreichen Schwalmregion - besteht ein reges Vereinsleben. Ländliche Höfe und Struktur herrschen vor. Der Anteil der arbeitenden Bevölkerung hat erheblich zugenommen. Die von Jesus geschilderte Situation: "Nach der Arbeit des Tages heimkommen" ist auch hier alltägliche Wahrnehmung und liegt dem Menschen nahe. Zumal viele Menschen weite Wege als Berufspendler zurücklegen - Tag für Tag. Den Segen und die Verheißung in allen Teilen des Lebens und Tages gilt es darzulegen - auch die Härte der Anforderungen.

Friedrich Malkemus, Dekan i.R., Kirchenrat, Wolfgang-Zeller-Str. 13, 34613 Schwalmstadt-Ziegenhain, Tel.: 06691 / 71642

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