Göttinger Predigten im Internet, hg. von Ulrich Nembach und Johannes Neukirch


Heiligabend
Datum: 24.12.1998
Text: Predigt zum Krippenspiel
Verfasserin: Christiane Neukirch


Krippenspiel: "Uns ist ein Kind gegeben. Eine Ratssitzung der himmlischen Heerscharen" in: Gerhard Vicktor, Lucia Hitscherich (Hg.): Da erschrak Herodes. Verlag Ernst Kaufmann, Lahr, 1989, S. 54 ff. - gespielt wird die 1. Szene.

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Predigt zum Krippenspiel

Liebe Gemeinde!

"Ein Kind! Ein Kind! Er gibt ihnen ein Kind. Das ist seine Antwort auf die Entfremdung der Menschen!" verkündet der Erzengel Gabriel den himmlischen Heerscharen.

Direkt von Gott kommt er mit dieser Nachricht.

Wer sonst könnte unserer Welt helfen, könnte uns Menschen friedlich, mutig und getrost machen?! So daß ein Stück Himmel schon hier unter uns Wirklichkeit wird?

Die himmlischen Heerscharen verstehen den Entschluß Gottes nicht. Sie haben den Eindruck: In unserer Welt zählt Macht und Einfluß mehr als Zerbrechlichkeit und Hilflosigkeit. Diktatoren bestimmen, was geschieht; sie lenken Menschen in Richtung Frieden oder in Richtung Krieg. Die Macht der Waffen hat die Welt noch heute fest im Griff. Und die Macht der Angst und des Mißtrauens gegenüber dem, der anders ist, der uns in Frage stellt, auch.

Deswegen wollten sie - die Engel - der Welt ja gerade ihre Macht demonstrieren. Doch - wie Gabriel sagt: Er, Gott, gibt ihnen - gibt uns ein Kind. Dem Einwand, die Menschen hätten keinen Platz für Kinder und ihre Familien, nimmt Gabriel gerne auf: Gerade deshalb soll es ein Kind sein! unterstreicht er. Wie es den Zerbrechlichen, Hilflosen in dieser Welt geht, so wird es diesem Kind ergehen und später dem Mann Jesus aus Nazareth: Er wird ihr Schicksal teilen. Er wird der sein, von dem du sagen kannst: "Der versteht mich!" Nicht nur theoretisch, sondern mit Fleisch und Blut. So tief, so hautnah und herznah wie keiner sonst.

Aber den "himmlischen Heerscharen" aus Geversdorf genügt das nicht. Sie sind der Ansicht: Wir Menschen müßten grundlegend anders werden. Verstanden sein allein - das änderte uns Menschen nicht!? Wir würden doch die Alten bleiben! Einander nicht achten, geschweige denn Gott, nur auf uns selbst bezogen leben.

"Warum soll es wieder einer von ihrer Art sein?" fragt deshalb ein Engel den Erzengel Gabriel. Doch Gabriel hat Gott besser verstanden. Er weiß: Trotz allem Streit, allem Krieg, aller von Menschen gemachter Not setzt Gott noch immer viel Hoffnung in uns! Er gibt uns nicht auf - im Gegenteil: Er investiert alles in uns, was er hat: sein ganzes, eigenes Leben legt er in diesem Jesuskind in unsere Menschenhände. Er wird einer von unserer Art - aber eben nicht einer von unserer Unart. Er wird sogar sein Leben auf dieser Welt für uns lassen am Kreuz von Golgatha. Weil er nichts auf die Macht der Stärke, aber alles auf die Macht der Liebe setzt.

Mitgehen und Verstehen ist nur die eine Seite davon. Bewegen und Verändern ist die andere. Wo diese Macht, wo Liebe Menschen ergreift, das wissen wir, da wird alles grundlegend anders, da wird alles neu, da fängt ein neuer Schöpfungstag an - wie Gabriel sich ausdrückt. Ein Tag, der nie zuende geht. Der Zorn, der einen Menschen kalt macht, schmilzt wie Eis in der Sonne; die Bitterkeit, die Menschen hart macht, wird weich wie Wachs in einer warmen Hand; in der Einsamkeit, die uns wie das Dunkel umfängt, leuchtet das Licht: Der, der mich ganz versteht, der mir sein Leben schenkt, ist da!

Wie berichtet Gabriel? "Wenn ihr das hättet sehen können! In Gottes Augen spiegelte sich die ganze Menschheit vor Freude als er beschloß, mit diesem Kind ans Werk zu gehen."

So laßt uns nun Weihnachten feiern: die Lichter am Tannenbaum verstehen als Boten des Lichts, das Gott uns in Christus geschenkt hat. Mit den Geschenken, die wir empfangen, das größte Geschenk verbinden, das uns je gemacht werden kann: Gottes ganze menschgewordene Hingabe und Liebe selbst.

In den Menschen, an die wir heute denken und auch in uns selbst die finden, die Gott nicht aufgibt, in die er vielmehr alles investiert - damit der Himmel schon hier unter uns immer mehr Wirklichkeit werden kann!

Amen.

Christiane Neukirch, Geversdorf
E-Mail: johannes.neukirch@t-online.de

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