Göttinger Predigten im Internet, hg. von Ulrich Nembach und Johannes Neukirch


Buß- und Bettag
Datum: 18.11.1998
Text: Römer 2,1-11
Verfasser: Uwe Erdmann

 

Liebe Gemeinde,

eine Schülerin kam von der Schule nach Hause. Sie hatten eine Klassenarbeit wiederbekommen.

"Na, was hast Du denn in der Arbeit?" lautete die Frage der Eltern, gerade nachdem sie zur Tür hereingekommen war.

"Ich bin nicht die Schlechteste in unserer Klasse", antwortete sie, fast noch mit einem Anflug von Stolz in der Stimme.

Statt mit ihrem schlechten Abschneiden herauszurücken, setzte sie sich in einen Vergleich mit anderen und konnte herausfinden, daß andere noch schlechter waren als sie.

Ich denke, es ist verständlich, daß Eltern diesem Kind sagen, sie soll doch bitte nicht ihre eigene Leistung verharmlosen. Eine fünf ist eben eine fünf. Versäumnisse beim Lernen finden nun einmal ihren Niederschlag in schlechten Noten.

"Das muß sich aber ändern, du mußt fleißiger werden, mehr üben, auch einmal auf die eine oder andere Fernsehsendung verzichten", so hören wir dann Eltern reagieren.

Wenn Fehler auftreten, dann müssen sie korrigiert werden. Auch das ist ein ganz normaler Vorgang.

"O Mensch, du kannst dich nicht entschuldigen, wer du auch bist, der du richtest", mit diesem Worten beginnt der Abschnitt aus dem Römerbrief, der für diesen Tag ausgewählt wurde.

Das Verhalten der Schülerin aus unseren Tagen beschreibt einen Vorgang, der auch Paulus damals bereits bekannt war.

Wenn wir selber etwas Schlechtes tun, wenn uns etwas mißlingt, dann versuchen wir, bei anderen etwas zu finden, was noch schlechter ist.

Wenn wir etwas nicht gut können, dann finden wir bestimmt andere, die das noch weniger gut können.

"O Mensch, du kannst dich nicht entschuldigen, wer du auch bist."

Was du auch tust, so möchte ich hinzufügen.

Ein hartes Urteil, ein abschließendes zudem. Jedenfalls hört es sich so an.

Ein Mann hat sein Leben lang versucht, für sich und seine Lieben das Beste aus allem zu machen. Manchmal mußte er ein wenig schlitzohrig sein. Das ging lange Jahre gut. Doch dann traf er eine Entscheidung, bei der das jemand anderes gemerkt und sich gewehrt hat. Erst war es nicht weiter schlimm, doch dann änderten sich die Zeiten und der Mann ahnte, daß das Problem nun nicht mehr zu lösen war.

"Die anderen wollen mich betrügen, da muß man was gegen machen, die haben den Fehler gemacht..."

Daß wir so oft auf andere verweisen, daß wir so oft versuchen, uns mit den Verhältnissen zu entschuldigen, das hat wohl damit zu tun, daß wir uns selber schützen wollen. Schützen z.B. vor einem Urteil, das uns einen Fehler bescheinigt.

Schützen vor der Einsicht, daß wir nicht perfekt sind, obwohl doch alles um uns herum ständig perfekt zu funktionieren scheint. Schützen vor der Einsicht, daß auch Versäumnisse anderer nicht von den eigenen ablenken können.

Schützen schließlich vor der Erkenntnis, daß wir nicht so leben, wie wir könnten, wie wir es nach Gottes Willen tun sollten.

Müssen wir uns denn wundern, daß Gott zornig ist über all das Mißlingen, daß er zornig ist darüber, daß wir es noch nicht einmal zur Kenntnis nehmen wollen, Fehler, Schuld von uns weisen und auf andere zeigen!?

Wenn wir so handeln, so reden und denken, dann ist uns der Zorn Gottes sicher.

Wir sind keine perfekten Wesen, eben weil wir Geschöpfe und nicht Herren sind.

Das hindert uns aber dennoch nicht, immer mehr in diese Richtung streben, Herren zu sein.

Und so wenden wir bewußt oder unbewußt Kniffe und Tricks an, um uns rein zu waschen.

Ob da auch im Hintergrund steht, daß es kein Entschulden gibt, ob da auch mit Hintergrund steht, daß es keine Gnade gibt, keine neue Chance?

So jedenfalls erleben wir es in unserer Gesellschaft. Wer einmal etwas Verwerfliches getan hat, der hat unsere Verurteilung, wem einmal etwas mißlungen ist, den belegen wir mit unserem Urteil.

Das soll uns bitte nicht so gehen. Wir können eine endgültige Absage, ein endgültiges Urteil nur schwer ertragen.

Die Gefahr ist dann, daß wir vor lauter Ausflüchten, die Wirklichkeit nicht mehr in den Blick bekommen.

Wenn wir wie die Schülerin auf andere verweisen, die noch schlechter sind, die noch Schlimmeres getan haben, dann hat es oft damit sein Bewenden. Wenn wir auf die Fehler anderer weisen, nehmen wir die eigenen nicht wahr. Wir bewegen uns nicht, wir versuchen, alles beim Alten zu lassen, uns nicht zu verändern.

Daß solches Eltern die Zornesröte ins Gesicht treibt, kann man wohl verstehen.

Ist es nicht die Liebe unseres Vaters im Himmel, daß er uns auf den rechten Weg weisen, daß er uns auf die gute Seite bringen will?

Weil Paulus um die Wirklichkeit von Schuld und Versagen weiß, weil er um die Unentschuldbarkeit weiß, darum schreibt er so eifrig, darum müssen wir uns mit dem Zorn Gottes auseinandersetzen.

Doch dann dieser Satz : "Weißt du nicht, daß dich Gottes Güte zur Umkehr treibt".

Hast du Mensch bei allen Entschuldungsversuchen übersehen, daß es einen Weg gibt, heraus aus dem Dilemma? Hast du es übersehen, willst du es überhaupt bemerken?

Ich höre die Mahnung des Paulus:

Mensch, du mußt nicht in diesem Verhalten verharren, Mensch, du hast einen Weg, der heraus führt aus diesem Teufelskreis. Gott ist mit seiner Güte auf deiner Seite.

Paulus weiß, daß wir sündhaft sind, er weiß, daß wir immer wieder in den alten Trott zurückfallen werden, daß wir eben nicht perfekt sind, auch nicht auf dem Weg der Umkehr, auf dem Weg der Buße.

Wenn wir uns denn nur eingestehen könnten, daß wir ohne Gottes Güte nicht weiter können, wenn wir uns nur eingestehen könnten, daß nur bei Gott Gnade und Freispruch von Schuld zu finden ist, wenn wir nur dies begreifen könnten, es wäre schon vieles gewonnen.

Von einer Schülerin würden wir erwarten, daß sie sich hinsetzt und ihr Lernverhalten ändert. Das ist für uns logisch und vernünftig.

Das wir unser Verhalten überprüfen und ändern, ist das nicht auch logisch und vernünftig? Gott lädt uns dazu ein.

Amen

Uwe Erdmann, Hemmoor-Warstade
E-Mail: uwe.erdmann@t-online.de

 

[Zum Anfang der Seite]

[Zurück zur Hauptseite] [Zum Archiv] [Zur Konzeption] [Diskussion]