Göttinger Predigten im Internet, hg. von Ulrich Nembach und Johannes Neukirch


Sonntag: 6. S. nach Trinitatis
Datum: 19.7.1998
Text: Römer 6, 3-8 (9-11)
Verfasser: Friedrich Malkemus


Predigttext:
Römer 6, 3-8
"Oder wißt ihr nicht, daß alle, die wir auf Christus Jesus getauft sind, die sind in seinen Tod getauft? So sind wir ja mit ihm begraben durch die Taufe in den Tod, damit, wie Christus auferweckt ist von den Toten durch die Herrlichkeit des Vaters, auch wir in einem neuen Leben wandeln.
Denn wenn wir mit ihm verbunden und ihm gleichgeworden sind in seinem Tod, so werden wir ihm auch in der Auferstehung gleich sein. Wir wissen ja, daß unser alter Mensch mit ihm gekreuzigt ist, damit der Leib der Sünde vernichtet werde, so daß wir hinfort der Sünde nicht dienen. Denn wer gestorben ist, der ist frei geworden von der Sünde. Sind wir aber mit Christus gestorben, so glauben wir, daß wir auch mit ihm leben werden.

- Am Silbersee, Spieskappel -

Entscheidungen für diese Predigt:

1. Die Gedanken der paulinischen Christologie und Tauflehre sind von hohem Anspruch und voller dogmatischer Reflexionen. Mein Hörerkreis aber ist eine bunt zusammengewürfelte Gemeinde von Besuchern des Naturbadesees Silbersee und seiner schönen Umgebung rund um Spieskappel. Erfahrungsgemäß: Kasachstaner, Deutsche, Holländer und Einheimische, die von dem Feriendorf kommen, von den Umsiedlerheimen und aus den umliegenden Orten. Es sind Kinder, Eltern und Jugendliche, Mountainbiker.

2. Die Lockerheit der Umgebung, ich selbst komme als Vertretung für die urlaubmachenden Pfarrer des Ortes - bedingt eine großzügige, gewagte Heranführung und zugängliche Veranschaulichung des spröden Sachverhaltes für den ungewöhnlichen Gottesdienstbesucher.

Liebe Gemeinde am Silbersee!

Es ist eine Freude für mich und ich hoffe sehr, auch für Euch alle, hier unter freiem Himmel am Sonntagmorgen und am schönen Silbersee einen Gottesdienst zu erleben. Wir sind hierbei verbunden mit den Menschen, die heute in den Kirchen und Kapellen, auch in Festzelten oder wie wir im Freien Gottes Wort hören und ihm in Lob und Dank die Ehre geben.

Ich vertrete gerne die örtlichen Pfarrer, Pfarrerin Weidemeier und Pfarrer Hempel, die sich im Urlaub befinden.

Wir können gar nicht anders, wir müssen hier die wundervolle Natur, Gottes herrliche Schöpfung mit in unseren Lobgesang einbeziehen: die Bäume und Sträucher, die Vögel und die Hunde, die Enten und die Frösche. Wir wollen ganz offen sein für die Botschaft des Himmels hier an der frischen Luft. - Der Apostel und Bote Jesu Christi Paulus ruft es uns vernehmlich zu: Freuet euch an Eurer Taufe! Vergeßt nicht, daß Ihr getauft seid! Euer Name und Jesu Name sind in der heiligen Taufe verbunden und ausgerufen worden. Euer Leben und Jesu Leben sind verknüpft und miteinander verwoben durch die Taufe!

Hier am See kommt uns in den Sinn, daß Johannes der Täufer unter freiem Himmel am Fluß, dem Jordan, und offenem Wasser getauft hat. Und Jesus ließ sich dort von ihm taufen und alle hörten: Dies ist mein lieber Sohn, den sollt ihr hören! - Und von Jesus ging eine unaufhörliche Bewegung aus. Die Jünger befolgten Jesu Befehl: Gehet hin in alle Welt und lehret alle Völker und taufet sie im Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes! Und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe! - Jesu Jünger und Boten gingen und tauften, sie lehrten und predigten, so auch der Paulus selbst. Er machte mit seinen Worten von Jesus Christus Menschen bereit, so daß sie sagten: Ich möchte getauft werden! Ich möchte als Christ leben von der Taufe an! - Eigentlich hätten wir hier heute eine oder mehrere Taufen vornehmen müssen - wie schön und anschaulich wäre das geworden!

Manche von Euch werden sich an ihre Taufe erinnern. Sie waren schon erwachsen und konnten unterwiesen werden. Ich habe hier die lieben Menschen im Sinn, die aus Kasachstan und anderen Regionen Rußlands und des europäischen Ostens herkamen und um Taufunterricht gebeten haben. Sie unterrichten zu dürfen - das gehörte mit zu besonders guten, eindrücklichen Erfahrungen in meinem Dienst als Pfarrer. Wie aufgeschlossen und intensiv folgten sie dem Unterricht.

Die meisten von uns, so denke ich einfach, werden sich nicht an ihre Taufe erinnern. Sie waren als Kinder, als kleine, noch unmündige Kinder zur Taufe getragen worden: Auf den Armen der Eltern oder der Paten. Hier in unserer Schwalmregion tragen sie häufig noch das Taufkleidchen in schönem Weißleinen mit herrlicher Stickerei und werden umhüllt vom Tuch des Paten. Die Vorfahren hatten schon das Taufkleidchen der Familie bei ihrer Taufe um sich.

Und da, bei der Taufe, erzählt der Pfarrer oder die Pfarrerin von Jesus, dem guten Hirten, der die Schafe sucht und hütet und sein Leben für sie einsetzt. Jesus hat die Kinder, auch die großen, lieb und lädt ein mit freundlichen Worten: Lasset die Kinder zu mir kommen und wehret ihnen nicht! - Wer kann schon diesem herzlichen Ruf Jesu widerstehen! Wir sind getauft auf seinen Namen, und heute denken wir daran! Mein Name und Jesu Name, mein Leben und Jesu Leben sind untrennbar und für immer verbunden. Ich möchte an Jesu Seite und in Jesu Nähe sein und er bei mir.

Was das heißt: bei ihm sein, in ihm und mit ihm sein! - In der Taufe nimmt der Pfarrer Wasser und gießt es über den Täufling. Ein spannender Moment für die zuguckenden Kinder. - Am Fluß steigt der Täufling ganz in das Wasser. Und das kühle Naß umgibt ihn ganz. So wie wenn ihr in den Silbersee springt und ganz, ganz naß werdet. Erfrischt, erleichtert kommt ihr heraus - wie ein neuer Mensch, so ist die Taufe: Jesus umgibt uns nun immer ganz und nimmt uns alle Müdigkeit und Angst. Ich bin mit ihm unterwegs und er gibt mir Quelle und Kraft.

Jetzt - so erklärt uns der Paulus - gehören unsere Gedanken und Vorhaben ganz ihm und alles Böse dieser Welt kann mir nicht mehr schaden, mich nicht mehr trennen von Jesus, dem Lebendigen. Auf Jesu Seite sein - ich sage ja zu dem Leben, wie es Jesus will und sage fröhlich und entschieden nein zu dem Leben, das gegen Jesus steht. Jesus nimmt mich an seine Seite und beansprucht mein Leben, er schenkt mir sein Wort und seine Zusage: Ich bin bei Euch alle Tage, bis an der Welt Ende! - Also auch bis an mein Ende ist Jesus an meiner Seite erkennbar und erfahrbar. Das hat Konflikte und Wirkungen zur Folge.

Dem Gewalttäter und Spötter begegnen wir und sagen: Nein! So bitte nicht. Wir machen nicht mit! Dem Fremden sagen wir: Du bist Gottes Geschöpf und willkommen! Du sollst nicht gejagt werden. In meiner Nähe hast du Schutz. Dem Behinderten begegnen wir mit Geduld und helfen ihm - wir denken an Jesus, der den Blinden und die Krüppel sah und zu ihnen ging und sie nicht gering schätzte. Dem Streitenden legen wir nahe, sich zu besinnen und es mit Versöhnung zu versuchen, und wir helfen ihm dabei im Geiste Jesu, neue Wege zu finden. Das ist schwer, sich zu versöhnen, aber er, Jesus, gibt Wege dahin frei.

Wir denken uns, wie Jesus wohl handelte unter den Hooligans. Er würde geduldig mit ihnen reden und die Sinnlosigkeit ihres Handelns bloßstellen und sie zur Erkenntnis führen: Wir können Begeisterung auch gewaltlos, ja, fröhlich und sympathisch darstellen und mitteilen. In Irland wäre der Getaufte dazu da, aufzuspüren, wo Wege zueinander hergestellt werden können und wie der Haß als unbrauchbares Mittel auf die Seite gelegt werden könnte. Getaufte können sich doch nicht ganz feindlich gegenüberstehen! Oder? - Taufe heißt, Jesus ganz in die Leiden und Freuden, in Not und Leid miteinzubeziehen und in allem wissen, das lohnt, das ist schön, Jesu Eigentum zu sein im Leben und Leiden, im Kämpfen und auch im Sterben - sein Sieg und Leben bleiben, sie gelten auch mir. Getaufte gehören und dienen Jesus, dem Lebendigen.

In diesen Tagen erschien das Buch "Kurt Reuber". Da wird ein Pfarrer unserer Landeskirche dargestellt. Er war Pfarrer und Arzt und Maler. Er liebte seine Kirche und die Menschen um ihn her im Geiste Jesu. Er warnte früh als Vikar vor dem Krieg und der Feindschaft gegen andere Völker. Kinder - erzieht sie bitte im Sinne der Taufe als Christus Dienende und dem Menschen auch anderer Völker Helfende! Als Arzt in Rußland verband er die Kranken der deutschen Truppe, aber auch alte, russische Bauern, Flüchtlingsfrauen, kranke und hungernde Kinder. Mit dem Malstift und mit Kohle zeichnete er die Gesichter russischer Menschen: Seht her: Das sind Menschen wie wir und wie ihr. Das sind Gottes Geschöpfe und keine Untermenschen und Halbwilde! Im Chaos der zerstörten Stadt Wolgograd - damals Stalingrad - kurz vor seiner Gefangenschaft und seinem Tod im Krankenlager Jelabuga zeichnete er Maria und das Kind: arm und elend, aber einander in Liebe zugeneigt. Seht, ihr Getauften in Rußland, Getaufte in Deutschland, Kasachstan und überall in Europa: Wendet euch einander zu mit Jesu Liebe und spendet euch Licht und Leben!

Dieses Marienbild aus Stalingrad, heute in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche Berlin im Original, verkündet den Geist, den die Taufe schenkt. Der Apostel fragt uns heute: Wißt ihr nicht, daß alle, die wir auf Christus Jesus getauft sind - ihr seid mit Jesu Leiden und Sterben und mit seiner künftigen Herrlichkeit verbunden!- Wir antworten: Ja, wir wissen es, wir dürfen in einem neuen Leben wandeln!

Amen.

Friedrich Malkemus, Dekan i.R., Vorsitzender des Vereins evang. Pfarrerinnen und Pfarrer in Kurhessen-Waldeck e.V.


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