Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach, J. Neukirch, C. Dinkel, I. Karle

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Letzter Sonntag nach Epiphanias, 28. Januar 2007
Predigt zu Johannes 12, 35+36, verfaßt von Christoph Hildebrandt-Ayasse
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)


Jesus sprach zum Volk:
Es ist das Licht noch eine kleine Zeit bei euch.
Wandelt, solange ihr das Licht habt,
damit euch die Finsternis nicht überfalle.
Wer in der Finsternis wandelt, der weiß nicht, wo er hingeht.
Glaubt an das Licht, solange ihr's habt,
damit ihr Kinder des Lichtes werdet.
Das redete Jesus
und ging weg
und verbarg sich vor ihnen.

Liebe Gemeinde,
wenn man uns nicht kannte, dann wurden wir Kinder von Erwachsenen früher im Dorf gefragt: „Wem seiner bist du denn?“
Und dann konnte man antworten: „dem Pfarrer seiner“ oder „dem Schmidt aus der Ringgasse seiner“ oder „dem Doktor seiner“. Damit war klar, wo man hingehörte und wessen Kind man war.
„Wem seiner“ sind wir? Wo gehören wir hin?
„Glaubt an das Licht, solange ihr's habt,
damit ihr Kinder des Lichtes werdet.“
Dazu fordert uns Jesus auf. Werdet Kinder des Lichtes!
Das ist nun eine sehr bildhafte, symbolische Sprache: „Kinder des Lichtes“, „glaubt an das Licht“.
Aber manches lässt sich besser mit einem Bild oder in einem Symbol ausdrücken als mit trockenen Erklärungen oder Definitionen.
Besonders der Evangelist Johannes überliefert uns diese bildhafte Rede von Jesus. Wer Jesus ist, das lässt sich mit theologischen und religionsgeschichtlichen Worten und Begriffen darlegen. Aber eindrücklicher mit Bildern und Symbolen.
So auch hier in 12. Kapitel des Johannesevangeliums. Da wird berichtet, wie das Volk über den „Menschensohn“ diskutiert. Der Menschensohn, das war ein anderer Begriff für den Heiland, den Retter, den Messias, den Erlöser. Und jeder dieser theologischen Begriffe hat kleine, feine Unterschiede in der Bedeutung.
Wer ist er, der Menschensohn? Wann kommt er? Und wenn er kommt, wird unsere Welt dann mit einem Schlag besser oder muss der Menschensohn erst erhöht werden, entrückt werden oder gar sterben?
Die Leute diskutieren über den Menschensohn und sein Schicksal – und merken nicht, dass er, Jesus, vor ihnen steht.
Sie kennen das bestimmt auch: da steht man in einem Laden vor dem Kühlregal und sucht verzweifelt, sagen wir, die Saure Sahne. Schließlich fragt man eine Angestellte nach der Sahne, nur um festzustellen, dass man die ganze Zeit direkt davor gestanden hat.
So eine Art Betriebsblindheit gibt es auch in spirituellen, geistlichen Dingen. Ein blockierter Glaube, der das Naheliegende nicht sieht. Das passiert Frommen wie Zweiflern.
Da spricht man fromm seine Gebete, liest seine Bibel und singt seine Lieder und merkt nicht, wie Gottes Wort einen ganz neu ansprechen könnte.
Oder da ist man so auf seine Zweifel, seine Skepsis und Kritik am Glauben fixiert, dass man seine liebgewonnenen Urteile nicht loslassen kann, auch wenn es augenscheinlich anders ist.
Aber es gibt solche Momente, die sollte man nicht ungenutzt verstreichen lassen – werdet Kinder des Lichtes!
Licht ist ein starkes Symbol.
Was Jesus für uns bedeutet, überliefert uns der Evangelist Johannes in Bildern und Symbolen. Im Evangelium sagt Jesus von sich: „Ich bin das Brot des Lebens“ oder: Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben“ oder „der gute Hirte“ oder „die Tür“.
Worte, die Bilder und Gefühle in uns auslösen. Bilder zum Nachdenken, zum Meditieren. Bilder, in die man sich nachsinnend hineinzeichen und hineindenken kann.
„Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben.“
Dieses Wort Jesu aus dem Johannesevangelium sagen wir, wenn wir den Neugetauften in unserer Gemeinde die Taufkerze überreichen. Licht für den neuen Lebensweg.
Licht ist ein starkes Symbol.
Niemand ist gern im Finstern unterwegs. Niemand möchte auf der Schattenseite des Lebens gehen müssen. Niemand erinnert sich gerne an die dunklen Momente im Leben. Im Dunkeln findet man keinen Ausweg.
„Wer in der Finsternis wandelt, der weiß nicht, wo er hingeht“, so wie Jesus das sagt, so ist es. Das hat mancher schon erfahren müssen. Wenn man nicht mehr sehen kann, wo der Lebensweg hinführt.
Das Licht am Ende des Tunnels kann man sich nicht selber anzünden. Der Lichtschein, der weiterhilft und aus dem Dunkel führt, kommt von außen. Licht führt zum Leben. Licht ist Leben.
Licht ist das erste Schöpfungswerk Gottes. Es ermöglicht Leben auf unserem Planeten. Licht weist den Israeliten den Weg durch die Wüste und leuchtet als Feuersäule nachts. Gott wohnt in einem Licht. Gott ist Licht. Für viele Religionen ist Licht ein zentrales Symbol. Nicht nur Kinder haben gerne ein Licht, das nachts in der Wohnung leuchtet.
Licht ist ein starkes, lebendiges Symbol; ein Symbol, das auf Jesus Christus hinweist.
„Glaubt an das Licht, solange ihr's habt,
damit ihr Kinder des Lichtes werdet.“
Kinder des Lichtes, Menschen, die an Jesus Christus glauben, haben das Lebensgefühl unter der Sonne Gottes zu leben und einmal in sein Licht zu gehen.
Nun ist aber nicht alles eitel Sonnenschein im Leben.
Auch in den Bericht des Johannes fällt ein Schatten: Jesus ruft die Leute damals, ruft uns heute auf, an ihn, das Licht der Welt zu glauben, in seinem Licht zu leben, Kinder des Lichtes zu werden – und dann geht er weg und verbirgt sich.
Und seine Bewegung spiegelt die ganze Bandbreite unseres Glaubenslebens: zwischen Gottvertrauen und dem Gefühl von Gott und der Welt verlassen zu sein. Zwischen Gottesnähe und Gottesferne.
Aber gerade so sollte es nicht sein, so hin und her geworfen zwischen Glauben und Zweifel, zwischen hell und finster.
„Wandelt, solange ihr das Licht habt“; „Glaubt an das Licht, solange ihr es habt.“
Dieses „solange“ ist so wichtig.
Es bedeutet: verpasst die beglückenden Momente im Glauben nicht. Verpasst nicht diesen „helle Schein im Herzen“ von dem der Apostel Paulus schreibt (vgl. die Schriftlesung: 2. Kor. 4,6), diesen hellen Schein, den der Glaube an Jesus schenkt. Freut euch, wenn der Glaube euch leicht fällt. Dies trägt durch so manche schwere Zeit.
Diese Erfahrung machen wir jedes Jahr in der Vesperkirche hier bei uns in St. Leonhard. Da gibt es Begegnungen, Gespräche, Gebete, Momente die so wertvoll sind, dass sie ein ganzes Jahr lang tragen. Sie sind wie ein innerer Schatz, den man immer wieder hervor holen kann. Dieser helle Schein trägt manche durch dunkle und schwere Zeiten. Und für andere sind sie so wertvoll, dass sie ihren Terminkalender oder Urlaubsplan danach richten.
Momente, die man nicht verpassen darf, solange sie leuchten.
Augenblicke gelungenen Zusammenlebens, die durch das ganze Jahr tragen.
Heute ist der letzte Sonntag nach Epiphanias. Heute enden die Sonntage in der Weihnachtszeit. Und heute werden wir dazu aufgefordert, das Licht der Weihnachtszeit mit zu nehmen in das Jahr, das vor uns liegt.
„Werdet Kinder des Lichtes“ fordert uns Jesus auf.
Tragen wir sein Licht im Herzen?
Ist der Funke des Weihnachtslichtes auf uns übergesprungen?
Gelingt es uns, sein Licht weiter zu geben?
Amen

Christoph Hildebrandt-Ayasse
pfarramt@leonhardskirche.de
www.leonhardskirche.de


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