Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach, J. Neukirch, C. Dinkel, I. Karle

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2. Sonntag nach Epiphanias, 14. Januar 2007
Predigt zu Johannes 2, 1-11, verfaßt von Eva Meile (Dänemark)
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)


Ein Luxuswunder. So hat man das Ereignis genannt, von dem wir soeben gehört haben: Jesu Verwandlung von Wasser in Wein bei der Hochzeit zu Kana. Man versteht den Ausdruck. Denn wenn wir sonst von den Wundern hören, die Jesus tat, dann handelte es sich immer darum, Menschen aus tiefem seelischen oder körperlichem Leiden, ja sogar vom Tod selbst zu befreien. Aber in Kana war ja von Not nicht die Rede. Das Problem mit dem Wein, der fehlte, musste man doch wohl als ein Scheinproblem betrachten. Man würde es wohl kaum sonderbar nennen, wenn jemand sich darüber wunderte, dass Gott es für notwendig erachten sollte, hier einzugreifen.

Wenn Gott sich entschlossen hatte, seinen Sohn auf unsere Erde zu schicken, um uns von der Sünde und vom Tod zu erlösen, wenn er damit eine völlig neue Wirklichkeit eröffnen wollte, nämlich das Reich Gottes – und wenn Jesus dann als seine erste göttliche Handlung auf einer angeheiterten Hochzeit etwas tat, was der Nummer eines Zauberkünstlers glich, was dann die ohnehin schon ausgelassene Stimmung noch steigerte – kann man es da jemanden verdenken, wenn er meint, das sei ehrlich gesagt dummes Zeug?

Aber so dachte jedenfalls der Evangelist Johannes nicht. Er behauptete ganz im Gegenteil, dass dies das erste Zeichen war, das die Herrlichkeit Jesu, seine einzigartige Bestimmung offenbarte!

Kann so wenig so viel bedeuten? Ja, kann es das nicht sehr wohl? Haben nicht alle erlebt, dass nur ganz kleine Zeichen tiefe Zusammenhänge zu entschleiern vermögen? Ein Wort, eine Andeutung, eine Geste kann genügen für den, der Augen hat zu sehen und Ohren zu hören.

Das erste Zeichen, wer Jesus war, war anscheinend nur ein verblüffender, ja mirakulöser gesellschaftlicher Spaß. Aber er bedeutete etwas ganz und gar Entscheidendes, nämlich: Verwandlung ist möglich. Im Größten wie im Kleinsten. Verwandlung von gewöhnlichem Wasser in edlen Wein, Verwandlung des ordinären, engen, selbstgenügsamen Menschenlebens in ein Leben, das vom Geist Gottes durchglüht ist. Verwandlung der alten, kranken und müden Welt in einen neuen Himmel und eine neue Erde. In allen Fällen geht es um ein und dieselbe Geste von Seiten Gottes, um einen Hauch der Erneuerung in eine Welt des Elends.

Es begann in Kana, es galt überall, wo Jesus sich zeigte, es gilt heute, dort wo er bestimmen kann: Dort geschieht die Verwandlung. Und wir mögen es angemessen finden oder nicht, die Verwandlung hört nicht beim rein Geistigen oder Seelischen auf, sie verbreitet sich auch in der materiellen Welt: wenn an ihrem Wege Krüge mit Wasser stehen, was kann sie daran hindern, die Krüge stattdessen voller Wein zu hinterlassen? Ein etwas überflüssiger Luxus – gewiss. Aber Gottes Überfluss ist von der Art, dass er sich mit unseren Maßstäben für groß und klein, für wesentlich und unwesentlich, angemessen und unangemessen nicht messen lässt. Es ist das Wesen der Verwandlung, nicht nur Not und Trauer zu lindern, sondern auch die Freude zu vergrößern, ja sogar die Freude zu krönen, die bereits groß ist – so wie es das Zeichen bei der Hochzeit von Kana zum Ausdruck bringt.

Es würde uns daher gut anstehen, wenn wir unsere Verärgerung darüber beherrschen würden, dass die Hochzeitsgäste an jenem Tag doppelt so betrunken waren, wie sie es sonst gewesen wären. Die Verärgerung offenbart ja nur, wie weit wir davon entfernt sind zu verstehen, dass Jesus es nicht lassen kann, selbst im Kleinen, seine Herrlichkeit zu offenbaren, seinen Willen zu Freude und Glanz und Gemeinschaft.

Ich wundere mich immer wieder darüber, dass das Christentum so sehr missverstanden wird, wie das oft der Fall ist. Wie oft trifft man nicht unter Leuten – und nicht zuletzt in den Medien – auf banale und tief unwissende Äußerungen über das unterdrückende und alle Freude zerstörende Wesen des Christentums. Wie kann man nur Jesus so sehr in den verkehrten Hals bekommen? Ihn, der nicht nur Wasser in Wein verwandelte, sondern der auch unser ganzes Leben verwandelt, indem er sich selbst diesem Menschenleben hingibt, d.h. im Großen wie im Kleinen an ihm teilnimmt, in den erhabenen Augenblicken des Glücks und in den Stunden der Angst und der Todesverlassenheit. Und das alles, um uns zu sagen: Gott hat euch nicht vergessen – wo immer ihr seid, im Licht oder in der Finsternis. Er ist bei euch, um eure Trauer in Freude zu verwandeln, eure Schwäche in Stärke, euer Wasser in Wein.

Das Zeichen von Kana zeigt uns Jesus als den wahren Weinstock, den Weinstock, der in unsere Welt umgepflanzt wurde, damit wir auf ihn gepfropft werden konnten. Ohne Bedingungen, ohne religiöse oder moralische oder zeremonielle Reinigungsprozesse wie denen, wozu die Wasserkrüge in Kana bestimmt waren. Die Verwandlung von Wasser in Wein bedeutet, dass wir keine Prüfung zu bestehen haben, um von Gott angenommen und geliebt zu werden. Seine Liebe strömt uns entgegen von Christus, freigebig, reichlich, ja verschwenderisch.

Das klingt in den Ohren vieler Menschen anstößig, und es hat denn auch die Welt vom ersten Tage an empört, als die frohe Botschaft erklang. Es empört uns kleine, knauserige, neidische, rechthaberische Seelen, die der Meinung sind, dass bestimmte Menschen das Wohlwollen Gottes mehr verdienen als andere. Aber Gott kümmert sich nicht um unsere armselige Auffassung von dem, was gerecht sein mag. Sein Wesen ist Überfluss, er lässt seine Sonne scheinen und seinen Regen fallen auf Gerechte uind Ungerechte gleichermaßen.

Aber eines ist ihm nicht gleichgültig, nämlich ob wir seine Gaben annehmen, uns vom Strom seiner Liebe überschwemmen und unser eigenes Leben in ihrem Bild umformen lassen. Seine Bitte an uns lautet: Leitet den Strom weiter.

Das ist nicht zu viel verlangt. Und dennoch kommt es uns unerreichbar vor. Wir sind und bleiben von anderer Art als er. Aber das Evangelium von der Hochzeit in Kana verkündet uns den Trost, dass Gott eine jede Art verwandeln kann. Auch einen Menschen, der zu 75 Prozent aus Wasser besteht, kann er in anregenden Wein verwandeln, auch die vertrocknete, krumme, verkrampfte Seele kann er in einen fruchtbaren Zweig an seinem eigenen Weinstock verwandeln.

Tut, was immer er zu euch sagt! So sagte Maria, die Mutter Jesu, zu den Dienern auf dem Hochzeitsfest. Das war klug gesagt. Denn wer tut, was Jesus sagt, wird erfahren, dass für ihn oder sie alles geschehen kann. Nichts braucht mehr hoffnungslos oder zum Verzweifeln zu sein. Verwandlung ist möglich.

Amen

Pastorin Eva Meile
C.F. Richs Vej 2
DK-2000 Frederiksberg
Tel.: ++ 45 – 38 33 19 12
e-mail: eva@meile.dk

Übersetzung aus dem Dänischen: Dietrich Harbsmeier


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