Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach, J. Neukirch, C. Dinkel, I. Karle

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Epiphanias, 6. Januar 2007
Predigt zu Jesaja 60.1-6, verfaßt von Jochen Cornelius-Bundschuh
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)


1 Mache dich auf, werde licht; denn dein Licht kommt, und die Herrlichkeit des HERRN geht auf über dir! 2 Denn siehe, Finsternis bedeckt das Erdreich und Dunkel die Völker; aber über dir geht auf der HERR, und seine Herrlichkeit erscheint über dir. 3 Und die Heiden werden zu deinem Lichte ziehen und die Könige zum Glanz, der über dir aufgeht.

4 Hebe deine Augen auf und sieh umher: Diese alle sind versammelt und kommen zu dir. Deine Söhne werden von ferne kommen und deine Töchter auf dem Arme hergetragen werden. 5 Dann wirst du deine Lust sehen und vor Freude strahlen, und dein Herz wird erbeben und weit werden, wenn sich die Schätze der Völker am Meer zu dir kehren und der Reichtum der Völker zu dir kommt. 6 Denn die Menge der Kamele wird dich bedecken, die jungen Kamele aus Midian und Efa. Sie werden aus Saba alle kommen, Gold und Weihrauch bringen und des HERRN Lob verkündigen.

Steh auf! Die Nacht ist vorüber! Es wird hell! Hebe deine Augen auf und sieh umher!

Was gibt es zu sehen an Epiphanias?

I

Zunächst eine Gotteserscheinung: „Über dir geht auf der Herr und seine Herrlichkeit erscheint über dir.“ Gottes Glanz breitet sich aus und erfüllt Himmel und Erde.

An Weihnachten haben wir uns von den Hirten den Weg zum Stall weisen lassen. Dort finden wir das Kind in der Krippe. Im Halbdunkel, ein Mensch wie wir. Klein, zerbrechlich, gefährdet. Gott wird Mensch, dir Mensch zugute. Das ist die Botschaft von Weihnachten: Wenn ihr Gott sucht, dann geht nach unten: schaut nach im Stall, hört auf die Armen, vertraut den einfachen Leuten. Sicher, der Stern steht über dem Stall und auf vielen Bildern ist ein Leuchten in der Krippe; aber das Weihnachtslicht ist Kerzenlicht. Flackernd und mild, leicht zu übersehen.

An Epiphanias verändert sich die Blickrichtung. Glanz kommt in die Welt. Ein helles, blendendes Licht, das niemand übersehen kann, das die Aufmerksamkeit nach oben zieht. „Der Morgenstern ist aufgedrungen.“ Ein Licht, so strahlend, dass es seine Gegner überwältigt. Ein Himmelslicht wie am Ostermorgen, als das Grab aufspringt und die wachhabenden Soldaten geblendet zu Boden stürzen. An Epiphanias kommt eine neue Bewegung zu der Bewegung von Weihnachten hinzu: Gott wird Mensch, aber nun zugleich: erkennt: dieser Mensch ist Gott! Dieser Gottmensch wird die Welt regieren, wird sein Reich aufrichten. Da hat die Dunkelheit keine Chance mehr, da kommt das Schattenreich an sein Ende.

An Epiphanias gibt es eine Gotteserscheinung zu sehen: „Über dir geht auf der Herr und seine Herrlichkeit erscheint über dir.“ Über dir geht auf die Herrlichkeit Gottes, über dir und mir, über jedem von uns und über uns gemeinsam. Trost breitet sich aus, Gerechtigkeit und Friede. Der Himmel reißt auf, Gottes Herrlichkeit erscheint: „Wenn aus bedecktem Himmel eine Sonnenstrahl in eine trübe Gasse fällt, so ist es einerlei, was er trifft: die Flaschenscherbe am Boden, das zerfetzte Glas an der Wand oder den blonden Flachs eines Kinderkopfes: er bringt Licht, er bringt Zauber, er verwandelt und verklärt.“ (Hermann Hesse) Über dir geht auf der Herr und seine Herrlichkeit erscheint über dir. Das ist die Botschaft des Epiphaniasfestes.

II

Für manche mag das nach Trotz klingen. Nach frommem Gerede der Schrecken in der Welt. Nach Vertröstung nach dem Motto: das muss dich doch gar nicht stören, wenn rings um dich herum die Welt untergeht, über dir geht auf die Herrlichkeit des Herrn!?

Aber so meint es Jesaja nicht! Er ist realistisch. Er sieht die Dunkelheiten. Er hat in einer Zeit gelebt, die weit vom Frieden weg war. Enttäuschung war die Grundstimmung und Verunsicherung! Wie wird es weiter gehen? Denn siehe Finsternis bedeckt das Erdreich und Dunkel die Völker. Er schaut sich um. Ist nicht alles noch so, wie am ersten Tag der Schöpfung: finster und dunkel, wüst und leer. Damals, bevor Gott sein erstes Wort sprach.

Gilt nicht immer noch: Ein Mensch ist des anderen Feind; jeder ist sich selbst der Nächste; rasieren sie sich erst einmal, dann finden sie auch eine Stelle! Survival of the fittest, das ist das Motto der Gesellschaft. Und: Kaufe was, dann bist du was! Die vielen Gewaltbilder in den Medien machen vor unseren Köpfen und Herzen nicht halt. Der Siegeszug der militärischen Gewalt als legitimes Mittel, um internationale Konflikte zu lösen: wie sollen die Kinder in den Schulen, die Menschen in den Familien und Betrieben ihre Konflikte konstruktiv und mit Phantasie lösen, gegenseitig ihre Würde anerkennen, wenn die Großen … Doch halt!

Jesaja ist Realist – und will sich doch nicht vom Dunkel festhalten lassen. Seine Botschaft kommt nicht als Trotz daher, nicht als frommes Gerede oder als Vertröstung. Sie ist Herausforderung und Kraftquelle! Der Glaube gehört in die Schrecken der Welt, das wissen wir seit Weihnachten! Jesus ist da, wo Menschen in Armut leben. Jesus ist da, wo Menschen auf der Flucht sind. Jesus ist da, wo Kinder ermordet werden, weil die Mächtigen keine Grenzen mehr kennen.

Der Glaube gehört in die Schrecken der Welt, aber er wird nicht von diesen Schrecken überwältigt! Das ist die Verheißung von Epiphanias! Gott lässt seine Schöpfung nicht wieder in Finsternis und Chaos versinken, sondern sendet sein Licht und seine Wahrheit: „Über dir geht auf der Herr und seine Herrlichkeit erscheint über dir.

III

An Epiphanias ist Jesus zu sehen: Jesus steigt in den Jordan und wird von Johannes getauft. Er beugt sich unter die Hand eines Menschen und wird untergetaucht. Dann aber tut sich der Himmel auf und Jesus steht aufrecht im Licht! Die Herrlichkeit Gottes geht über ihm auf, umleuchtet Jesus und wir hören Gottes Stimme: „Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe.“

Jesus ist der erste, an dem dies geschehen ist: „Über dir geht auf der Herr und seine Herrlichkeit erscheint über dir.“ Er ist unsere Orientierung für das neue Jahr. Sein Glanz wie sein Elend, sein Weg hinab wie sein Sieg über den Schrecken und die Gewalt. Wir heben unsere Augen auf und sehen ihn: was tut er? Was antwortet er auf die Fragen, die wir stellen, die uns gestellt werden? Mit Jesus zieht Gottes Herrlichkeit ein: in die Probleme des Alltags, in persönliche Sorgen von Krankheit und Tod, in gesellschaftliche Konflikte um Ausgrenzung und Ungerechtigkeit.

Jesaja erzählt, wie das Herz erbebt, wenn der Glanz Gottes einzieht. Ja, Epiphanias ist ein Ereignis in unserem Herzen. Uns kommt Kraft zu, ein Licht geht uns auf, unser Licht, mein Licht. So wie ein strahlend sonniger Wintermorgen manchmal nur für mich da zu sein scheint, mir Freude, Mut und Hoffnung gibt. So ergreift uns die Herrlichkeit Gottes und verändert unser Herz, unser Leben, unser Zusammenleben.

Epiphanias ist auch das Fest der Heiligen drei Könige: Caspar, Melchior, Balthasar. In vielen gemeinden ziehen heute die Sternsinger von Haus zu Haus, um ihr Segenszeichen an die Türen zu malen. Die Magier zeigen die strahlende Macht des Gottesglanzes in besonderer Weise. Gottes Glanz hat weltweite Wirkung, das Licht strahlt auch in fernen Landen und führt alle Völker zusammen zum Lobe Gottes. Junge Kamele nähern sich, wie der Prophet Jesaja es gesehen hat. Sie bringen den Reichtum und die Schätze der Völker, Gold und Weihrauch – und alle loben Gott.

IV

Steh auf! Werde Licht! An Epiphanias gibt es viel zu sehen. Der Glanz Gottes breitet sich aus. Strahlt in unsere Herzen und unser Leben. Unser Licht kommt: Unser Trost! Unser Mut! Unsere Hoffnung! Also: Steh auf! Kumi! Setz dich in Bewegung! Werde Licht!

Kumi, das hebräische Wort, mit dem der Predigttext beginnt, kenne ich aus anderen biblischen Geschichten, aus Heilungsgeschichten. Sie erzählen, wie Menschen gerettet werden. Wie sie Kraft bekommen, aufzustehen, aufrecht vor Gott und vor andere Menschen zu treten. Talita kumi! Ja, steh auf, Mädchen, und geh! Gottes Herrlichkeit ist über dir aufgegangen und hat dich zu neuem Leben erweckt.

Mit Epiphanias beginnt eine bewegte Zeit! Eine Zeit des aufrechten Ganges! Du bist gerettet, gesund, gestärkt. Also kumi! Steh auf! Geh mit Jesus! In seinem Licht findest du deinen Weg. In seinem Licht wirst du Licht!

Steh auf, werde Licht! Denn dein Licht kommt und die Herrlichkeit des Herrn geht auf über dir.

Amen.

Direktor Priv.-Doz. Dr. Jochen Cornelius-Bundschuh
Evangelisches Predigerseminar
der Ev. Kirche von Kurhessen-Waldeck
Gesundbrunnen 10
34369 Hofgeismar
05671-881271
e-mail: cornelius-bundschuh@ekkw.de

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