Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach, J. Neukirch, C. Dinkel, I. Karle

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Neujahrstag, 1. Januar 2007
Zur Jahreslosung 2007, verfaßt von Ulrich Nembach
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)


Die Losung für das Jahr 2007:
„Gott spricht: Siehe, ich will ein Neues schaffen: jetzt wächst es auf,
erkennt ihr´s denn nicht?“

Liebe Gemeinde,
wir feierten das neue Jahr heute Nacht, und, wenn wir nicht feierten, so wurden wir mitgefeiert. Das Feiern der Anderen, die Raketen und Böller waren nicht zu überhören.

Vor einer Woche feierten wir Weihnachten. Wir feierten dieses Fest ganz anders – jedenfalls wir in Deutschland. Wir feierten möglichst in der Familie. Weite Reisen nahmen wir dafür in Kauf, Staus auf den Straßen, überfüllte Züge.

Warum feiern wir gleich zweimal in einer Woche? Zwei Feiern, ist das nicht etwas viel – und nicht nur für die Köchinnen und Köche? Zwei Feiern, die zudem ganz unterschiedlich sind - mindestens in Deutschland.

Einmal feiern wir die Geburt eines Kindes und beim zweiten Mal das neue Jahr. Wir haben das Kind und das neue Jahr begrüßt. Das neue Jahr heißen wir willkommen mit dem Zuruf an Nachbarn, Freunde: Ein gutes neues Jahr! Alles Gute zum neuen Jahr!

1. Liegt hier der Schlüssel für das Feiern? Das neue Jahr soll gut werden, besser als das alte, nun zu Ende gegangene. Den Wunsch, „Alles Gute zum neuen Jahr“ hört der im alten Jahr sitzen gebliebene Schüler, hört der arbeitslos gewordene Mann, die an Brustkrebs erkrankte Frau. Den Wunsch hört der Millionär, der nach dem für ihn guten Jahr 2006 auf ein noch besseres Jahr 2007 hofft. Die Hoffnung ist groß, gewaltig. Das Internet bringt es an den Tag. Der Wunsch „Alles Gute zum neuen Jahr“ wird von www.google.de 1.990.000 mal in nur 0,25 Sek. nachgewiesen. Der Wunsch in Englisch formuliert „Happy New Year“ wird von www.google.de gar 155.000.000mal in nur 0,05 Sek. gefunden.

Das Neue steht dafür: es wird alles gut, wenigstens besser. Das neue Jahr soll´s, möge es bringen. Darin liegt eine Erkenntnis. Sie ist alt, denn wir feiern alle Jahre wieder; ob wir 10 Jahre, 20, 30 oder 70 Jahre alt sind, wir feiern. Die Erkenntnis besteht darin, dass wir erkannt haben und immer wieder im Laufe eines Jahres erkennen müssen, dass wir Grenzen haben. Wir können nicht in einen Laden gehen und uns das Besser-Ergehen kaufen. Auch der Millionär kann das nicht. Herr Shaban machte 2006 ein glänzendes Geschäft, als er ProSieben/SAT1 verkaufte. Selbst er konnte das Geschäft nicht allein machen. Es hätte scheitern können wie vorher bei seinen Bemühungen, die Sender an den Springer-Verlag zu verkaufen.

Die Erkenntnis von unseren Grenzen ist nicht neu. Sie veranlasste schon Berthold Brecht in seiner „Dreigroschenoper“ zu dichten:
Ja, mach nur einen Plan.
Sei nur ein großes Licht!
Und mach´ dann noch `nen zweiten Plan,
Geh´n tun sie beide nicht.“

Die Worte zeigen, dass Berthold Brecht pessimistisch ist. Das wird noch deutlicher, wenn man das ganze Lied liest, aus dem das Zitat stammt. Dort heißt es: Der Mensch packt`s nicht, weil er nicht schlau genug ist, weil er nicht schlecht genug ist, weil er nicht anspruchslos genug ist.

Dieser Pessimismus ist eigentlich nicht zu überbieten. Brecht weiß das natürlich auch und versucht deshalb, aus dieser Situation herauszukommen. Die Dreigroschenoper hat ein gutes Ende. Der drohende Tod wird in letzter Minute abgewendet. Aus dem Hut zaubert Brecht einen reitenden Boten, der die glückliche Wende herbeiführt. Dass das ein Trick ist, weiß Brecht auch. Mit einem Trick – ich könnte auch sagen: mit so einem Gag – können wir uns nicht zufrieden geben, schon gar nicht an einem Neujahrstag. Martin Luther war da konsequenter. Er stellt ohne jedes Wenn und Aber fest:
„Mit unsrer Macht ist nichts getan“.

Mit diesen Worten beginnt Luther den zweiten Vers seines Liedes „Ein feste Burg ist unser Gott“. Das Lied ist eine Nachdichtung von Ps. 46. Dieser Psalm beginnt mit den Worten: „Gott ist unsre Zuversicht und Stärke“. Luther kann das sagen, weil wir von Weihnachten herkommen. Was Weihnachten bedeutet, vergessen wir oft. Hier kann uns der Neujahrtag helfen.

2. Wir feierten das neue Jahr oder wurden gefeiert. Wir wünschten uns „Alles Gute zum neuen Jahr“. Damit geht, wie gesagt, das Eingeständnis unserer Schwäche einher.
Das sieht auch Gott so. Israel, das ganze Volk, war zur Zeit des Propheten Jesaja in einer hoffnungslosen Lage; manche leben als Gefangene fern von Jerusalem in Babel; andere, die in Jerusalem bleiben durften, führen dort ein karges Leben. Da verkündet der Prophet Jesaja Heil. Gott will Neues schaffen. Wir lesen in Jes. 43,19a – es ist die Jahreslosung, zugleich unser Predigttext:

„Gott spricht: Siehe, ich will ein Neues schaffen: jetzt wächst es auf,
erkennt ihr´s denn nicht?“

Gott will, ja schafft bereits Neues. Das Neue ist der Kontrast zum Alten. „Gedenkt nicht an das Frühere und achtet nicht auf das Vorherige!“ sagt Gott im Vers davor. Vergesst das Alte! Schaut nicht zurück! Blickt nach vorn! Da ist das Neue.

Und das Neue ist neu im vollen Sinn des Wortes. In der zweiten Hälfte von Vers 19 fährt Gott in seiner Rede fort: „Ich mache einen Weg in der Wüste und Wasserströme in der Einöde.“ Wasser in der Wüste! Wir wissen, was das heißt von unseren Entwicklungshilfeprogrammen. Wir hier in Göttingen haben in einer kleinen Gruppe uns zusammengeschlossen, um Brunnen in Mali zu bauen. Mali, im Nordwesten Afrikas, hat Feuchtsavannen im Süden, Trockengebiete und Wüsten im Norden. Dort fällt oft jahrelang kein Regen. Was bedeuten dort Brunnen?! Wir Göttinger können nicht allein die Brunnen bauen. Wir arbeiten zusammen mit französischen Freunden. Geld wurde und wird gesammelt. Das ist mühsam und dauert. Firmen wurden gesucht, die Brunnen bauen können, dort bauen können. Eine wurde ausgewählt, die gut und nicht zu teuer ist. Im Januar sollen die Verträge unterschreiben werden. Dann sollen die Arbeiten beginnen. Das ist etwas Neues für die Menschen dort in Mali und für uns hier im neuen Jahr. Das Neue Gottes sind Wasser s t r ö m e!

3. Wir brauchen das Neue. Gott sieht das auch so. Er handelt entsprechend. Der Prophet sagt es. Das Wort des Propheten wird uns das ganze Jahr 2007 begleiten wie das Wasser der neuen Brunnen Menschen in Mali.

Dies gilt es allerdings zu erkennen. Das Wasser der neuen Brunnen wird für Menschen in Mali in ein paar Jahren Alltag sein. Vielleicht ist es schon Ende dieses Jahres Alltag. Wir kommen von Weihnachten. Eine Woche ist es erst her und liegt doch schon hinter uns. Weihnachten ist das schlechthin Neue: Gott schickt seinen Sohn zu uns! Wir leben weiter. Gott handelt anders bei dem Neuen, dem sensationellen Neuen. Sein Sohn kommt als Kind zu armen Leuten. Später kommen dann noch 3 Weise, nur 3 an der Zahl. Heute, in diesem Sommer wird Präsident Busch zum G8-Gipfel mit 1.000 Personen nach Deutschland kommen.

Gott weiß, dass wir Neues brauchen und handelt, schafft es auch mit dem Kommen eines Kindes zu armen Leuten, d.h. ohne großes Gefolge. Das Wort „Schaffen“ meint im Deutschen „tun“ und „ein Werk erfolgreich ausführen“. Das Neue Gottes ist oft schwer zu erkennen. „Erkennt ihr´s denn nicht?“, fragt Gott. Damals in Bethlehem kamen nur Hirten. Der große Rest blieb zu Hause. Das Wasser der Brunnen wird Alltag werden.

Unserem Predigttext, der Jahreslosung, folgende Verse berichten davon, besonders V. 22. Dort sagt Gott zum Volk: „Nicht, dass du mich gerufen hättest, Jakob – gemeint ist Israel, das Volk – oder dass du dich um mich bemüht hättest, Israel.“
Berthold Brecht sieht immerhin das Problem der Menschen, aber fragt nicht einmal nach einem neuen Weg. Er zieht sich mit einem Gag aus der Situation.

Schluss: Darum mögen uns die Worte der Jahreslosung aus Jes. 43,19a durch das Jahr begleiten, uns lehren, das Neue Gottes zu sehen. Bildung ist auch in der Kirche notwendig. Wir müssen erkennen, dass Gott sagt:
„Ich will ein Neues schaffen: jetzt wächst es auf.“
Amen

Prof. Dr. Dr. Ulrich Nembach, Göttingen
ulrich.nembach@theologie.uni-goettingen.de


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