Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach, J. Neukirch, C. Dinkel, I. Karle

Spenden Sie dem Förderverein Göttinger Predigten im Internet e.V.
für die Fortführung seiner Arbeit!

4. Sonntag im Advent / Heiliger Abend, 24. Dezember 2006
Predigt zu Johannes 1, 19-28, verfaßt von Friedrich Schleinzer
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)


 

Hinweis:
Texte, Kontexte und exegetische Hinweise finden Sie in der ausführlichen Fassung -> (hier klicken, pdf-Dokument)

Predigt:

An diesem Morgen stehen wir mit einem Bein noch in der Verheißung, während wir am Abend bzw. morgen die Erfüllung feiern, die Erinnerung an die Geburt meines, ihres, unseren Heilandes.

Die Frage an uns, was bedeutet das für mich!

Wenn wir die Fleischwerdung vom Gottes Sohn in und durch Maria bekennen, dann sagen wir ein Ja dazu, daß unser Gott bis in unser Fleisch hinein, an dir und mir wirkmächtig sein kann und letztlich ist, denn unsere ganze Existenz gründet in Christus, denn „alles [ist] durch ihn und zu ihm geschaffen“( Kol 1,16). Der Ich-bin-da, Jahwe, unser Gott, hat dies Geheimnis durch die Kraft des Heiligen Geistes gewirkt. – Wir bitten und beten glaubend und hoffend, daß Gott dies und das für und an uns wirke, - erwarten es auch -, aber das mit Maria, das kann nicht sein, das Kind kommt vom Vater Josef, ist innerweltliche Biologie. – Das ist doch paradox! – Nein, an Maria wurde verifiziert ( vgl. Lk 1,49), daß die Gnade die Niedrigen und Glaubenden erhöht, wie sie freudig lobpreisend bekennt ( Lk 1,48). Diese Freude entspringt aus dem Glauben, daß der Ich-bin-da, Jahwe, auch wirklich mit uns, mit jedem von uns ist, „der mächtig ist und dessen Name heilig ist“ ( Lk 1,49).

Gebe ich Gott in und bei mir Raum, Zeit und liebenden Einlaß?

Maria sagte: „mir geschehe, wie du gesagt“ ( Lk 1,38) und wir?, sind wir bereit Jesus in uns geboren sein zu lassen? – Steht da nicht unser ICH im Weg? – und manch anderes noch!

Wie Maria, so stellt Johannes der Täufer sein ICH zurück. Maria sprach, „ich bin des Herren Magd“ ( Lk 1,39) und Johannes sieht sich nicht würdig für den letzten Dienst eines letzten Sklaven. – Jesus wäscht nicht nur die Füße seiner Jünger, nein er läßt sich noch aus Liebe zu uns ans Kreuz schlagen. – Der Sohn Gottes! – Aus der Einstellung, daß alles was ich bin und habe von Gott ein Geschenk ist, – das absolute sich Verdanken –, erwächst die Kraft, das eigene Vermögen weiterzuschenken bzw. den anderen in Liebe begegnen zu können, ihn anzunehmen. Indem ich so den anderen groß mache, macht mich Christus im anderen groß. Der Anruf Gottes im Du wartet auf die Antwort meines ICHs und findet im Du „meines Heilandes“ ( Lk 1,47) im Sinn des ausgemachten Ziels Ruhe, obwohl noch unterwegs und das oft noch mühsam.

Vielleicht muß ich erst „mit meinem Gott über Mauern springen“ ( Ps 18,30(1)), – meine Mauern –, um DIE, auf die man, – ja auch ich –, mit den Fingern zeige, auf DIE man lauthals schimpft, denen man schier das Menschsein abspricht, - denken wir nur an die momentanen Kriegsgebiete –, wieder den Mitmensch erkennen, der auch unterwegs ist. Sie sind alle, wie ich ein Menschenkind, das von Gott geliebt ist, der gerade den Sünder suchte und immer noch ihm nachgeht ( vgl. Lk 5,32(2)). Da steht es doch uns erst recht an, die wir selbst von Gott geliebt werden wollen, ihm in Liebe zu begegnen, zumindest sich eines niedermachenden Urteils zu enthalten, das ja ohnehin nur mein Ich ins rechte Licht stellen will. – Nein, ich tue das nicht! – Gleichzeitig sind wir glaubend und hoffend unterwegs, daß sich an uns erfüllt, weshalb der Gottes Sohn gekommen ist, dessen Geburt wir heute noch in Erinnerung feiern werden: Jesus Christus, der Menschensohn ist gekommen, zu suchen und selig zu machen, was verloren ist“ ( Lk 19,10 ).

Dieser Beginn der Gnadenzeit, die mit dem Kommen des Herrn, unseres Kyrios, begann und für die der Täufer ein Vorzeichen war, „eine Stimme eines Predigers in der Wüste“ ( Joh 1,23 ), der heute unter uns noch eine viel größere Wüste vorfinden würde, läßt uns zu seinem Volk zählen, weshalb wir jauchen können ( vgl. EG 9,1; Ps 102,19 ).

Glaubst du das?

Allein der Glaube wird uns retten, weil er mein ICH umprägt, das am Kreuz vorbei will. – Wer will das Ziel nicht bequem erreichen? – Mein Kreuz wird getragen, wenn ich das des Anderen in Liebe mittrage. Das fängt in der Familie an, setzt sich im Alltag fort und ist auch dort zur Stelle, wo wir nicht mit anderen heulen, andere nicht ausgrenzen, immer dann, wenn es heißt. – DIE da! –

Mit unseren muslimischen Mitbürgern bekennen wir Gott als den Barmherzigen, dessen „Barmherzigkeit währt von Geschlecht zu Geschlecht, bei denen, die ihn achten“ ( Lk 1,50). Seine Liebe zu uns ist Barmherzigkeit, weil wir die neue Welt nicht selbst machen müssen, denn sie kommt von Gott ( Offb 21,2), so wie unser Retter vom Vater kam, der Sohn Gottes, den Johannes verkünden konnte, weil es ihm geoffenbart war. Maria, die vom Heiligen Geist berührt wurde, sie öffnete ihm das Tor zur Welt. Das Kommen Christi war unspektakulär für die Umwelt, deren Götterwelt den Menschen höchstens als Diener gelten ließ, während Christus, der Sohn Gottes als Diener für uns, zu unserem Heil in die Welt kam. Lassen wir uns wie Johannes in Dienst nehmen, und im Dienst am Nächsten, der Nächsten, wird uns Christus durch den bzw. die Andere groß machen.

Sind wir dazu bereit?

Christus ist auch heute „mitten unter“ uns ( Joh 1,26) und wir erkennen IHN nicht in der Schwester und im Bruder in Not, weil wir durch unser ICH blind sind. – Ich, Du, Wir. – Durch die Taufe sind wir Veränderte, dürfen uns Christen nennen, nicht im Sinne einer Vereinszugehörigkeit oder Lebensversicherung, sondern nur dann, wenn wir tun was der Vater will ( vgl. Joh 14,21(3)). – Zählen wir nicht zu dem, der sagte, „Ja, Herr! und ging nicht hin“ ( Mt 21,30(4)). Öffnen wir uns, verbunden mit einem Hinkehren zum Herrn, und lassen wir uns von IHM heilen, d.h. verändern. Christus ist für alle gekommen, deshalb konnte Dorothee Sölle sagen:

„»Die große Veränderung,
die an uns und durch uns geschieht,
wird mit allen geschehen«“ (5)

Das ist unser Trost im Glauben, der uns trotzdem jauchzen läßt, „weil durch seinen Tod und Sterben, [ER für uns bereithält] was ewig währen tut“ ( EG Nr. 9,2).

Anmerkungen:

(1) Ps [ LUT] 18,30 „30 Denn mit dir kann ich Kriegsvolk zerschlagen und mit meinem Gott über Mauern springen.“

(2) Lk [ LUT] 5,32 „ Ich bin gekommen, die Sünder zur Buße zu rufen und nicht die Gerechten.“

(3) Joh 14,21 [ LUT] „ Wer meine Gebote hat und hält sie, der ist's, der mich liebt. Wer mich aber liebt, der wird von meinem Vater geliebt werden, und ich werde ihn lieben und mich ihm offenbaren.“

(4) Mt [ LUT ] 21,30 „Und der Vater ging zum zweiten Sohn und sagte dasselbe. Der aber antwortete und sprach: Ja, Herr! und ging nicht hin.“

(5) Bovon, F., Das Evangelium nach Lukas (EKK III/1). Lk 1,1-9,50, Zürich/Neukirchen-Vluyn 1989, 94; [vgl. Sölle, D., Meditation über Lukas 1, in: Dies., Die revolutionäre Geduld. Gedichte, Berlin 1974, 26.].

Univ.-Prof. Dr. Friedrich Schleinzer
Salzburg
Friedrich.Schleinzer@sbg.ac.at


(zurück zum Seitenanfang)