Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach, J. Neukirch, C. Dinkel, I. Karle

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4. Sonntag im Advent / Heiliger Abend, 24. Dezember 2006
Predigt zu Johannes 1, 19-23, verfaßt von Christiane Neukirch
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)


Vorbemerkung: Diese Predigt ist für einen Gehörlosengottesdienst verfasst und wird nicht vorgelesen, sondern gebärdet! Sie ist daher sowohl elementar aufgebaut als auch elementar formuliert, da Gehörlose in einer ganz eigenen Sprachwelt leben. Sie nimmt Bezug auf Projekte der evangelischen Gehörlosenmission, die von den evangelischen Gehörlosengemeinden in ganz Deutschland im Jahr 2006 unterstützt wurden. Diese Beispiele können durch andere Projekte (z.B. von Brot für die Welt) ersetzt werden.

Quelle der Fotos: Missionskalender 2007 der Gehörlosenmission
DAFEG, Dt. Arbeitsgemeinschaft für Ev. Gehörlosenseelsorge - www.dafeg.de

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Liebe Gemeinde!

Immer lesen wir die Weihnachtsgeschichte aus dem Lukas-Evangelium. Aber in diesem
Jahr schauen wir auch mal ins erste Kapitel vom Johannesevangelium, in die Verse 19 bis 23. Da begegnet uns Johannes, der Täufer, ein merkwürdiger Mann. Warum begegnet er uns da und wer ist er?
Schon der Prophet Jesaja hat gewusst: es wird jemand kommen und mit lauter Stimme predigen: „In der Wüste bereitet den Weg für den Herrn. Macht eine ebene Straße für unseren Gott. Alle Täler sollen erhöht werden und alle Berge und Hügel sollen niedrig werden. Was uneben ist, soll gerade und was hügelig ist, soll flach werden. Denn die Herrlichkeit des Herrn soll offenbart werden, und alle Menschen und Tiere werden es sehen. Denn des Herrn Mund hat´s geredet.“ Das ist die Predigt von Johannes, dem Täufer – so will er uns vorbereiten auf Weihnachten!
Berge niedrig machen und Täler erhöhen – aber wie soll das gehen?



(-> Download des Fotos in einer höheren Auflösung!)
Das ist Haimanot. Sie ist gehörlos. Sie kommt aus Mendefera in Afrika, in Eritrea, und hat im Juli 2005 die Gehörlosenschule in Keren abgeschlossen. Sie möchte weiter lernen. Das bedeutet für sie: ab Klasse 6 muss sie eine Schule für Hörende besuchen. In dieser Klasse sind 50 bis 60 Kinder. Es gibt keine Gebärden und keine Dolmetscher. Auf dem Bild ist Haimanot beim Weben zu sehen. Das kann sie besonders gut.

Wie ein Berg muss es vor dem Mädchen Haimanot und ihrer Familie gelegen haben: sie ist gehörlos. Wie soll sie etwas schaffen in ihrem Leben? Es gibt sowieso nicht viel zu verdienen in Eritrea, schon gar nicht für eine Frau. Und dann noch für eine Gehörlose?! Ein Tal voller Tränen kann es für Eltern sein, zu merken, dass ihr Kind gehörlos ist!
Aber der Berg ist schon etwas niedriger geworden und das Tal flacher – da gibt es die Schule in Keren, der kleinen Stadt in Eritrea. Eine Schule für gehörlose Kinder, eine Schule, die von Christen aus Europa, aus Deutschland, Finnland und Schweden bezahlt und besucht und begleitet wird. Eine Schule, die vielen von uns am Herzen liegt! Die auch wir durch die evangelische Gehörlosenmission unterstützen!

Berge niedrig machen und Täler erhöhen – noch einmal frage ich: wie?



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Wer macht sich bei uns Gedanken, wenn ein Kugelschreiber nicht mehr schreibt? Wir nehmen einfach einen neuen! Für den Jungen in Keren ist der Kugelschreiber, der nicht mehr schreibt, ein Problem: Woher bekommt er einen neuen?

Wie ein Berg ist die Armut, wie steiniges Gelände. Immer wieder neue Sorgen sind da: Für uns selbstverständlich und nicht besonders wertvoll, für einen Schüler in Eritrea ein Problem: Der kaputte Kugelschreiber. Und andere Probleme gibt es an vielen Punkten: kein Strom für die Nähmaschine, deshalb muss mit den alten fußgetriebenen Maschinen Nähen gelernt werden; nicht genug Wasser – deshalb gibt es im neuen Schulinternat für 36 Mädchen nur eine Dusche. Aber: sie sind stolz auf ihr eigenes Bett und auf ein wenig eigenen Platz im Schrank! Der Berg der Armut ist niedriger geworden und das Tal der Verzweiflung ist nicht mehr so tief. Die Schule besteht weiter. 251,28 € konnte ich vor Weihnachten für den dringend nötigen Schulbus für die Schulkinder in Asmara überweisen! Da steht die zweite Gehörlosenschule von der Gehörlosenmission!

Berge niedrig machen und Täler erhöhen – wir sind dabei, was dazu zu tun!



(-> Download des Fotos in einer höheren Auflösung!)
Jüngere Schüler aus der Gehörlosenschule in Keren. 2005 hat eine deutsche Reisegruppe die Gehörlosenschulen in Keren und Asmara besucht. Hörende und gehörlose Deutsche können jetzt viel erzählen über Gehörlose in Eritrea!

Wie Berge können fremde Sprachen und Gebärden Menschen trennen. Aber der gemeinsame Glaube verbindet uns doch! Das macht die Berge kleiner und die Täler flacher, höher. Wie gut, dass wir helfen können! Dass wir mit anderen mitfühlen können – so wie Gott mit uns mitfühlt. Das erfahren wir im Glauben. Dafür ist Gott Mensch geworden.
(Hier kann ein Weihnachtsbild gezeigt werden)
Darauf weist Johannes hin. Gott ist Mensch geworden im kleinen Christuskind, das wir am Heiligen Abend in unserem Leben begrüßen und feiern. Für Gott ist das Kleinste nicht zu klein, das Schwächste nicht zu schwach und das Ärmste nicht zu arm. Er kommt in unsere Haut und macht uns Mut und Selbstvertrauen: mit seiner Liebe können wir Gutes tun und helfen, er teilt mit uns sein Leben.
Und deshalb wünsche ich Euch allen: Fröhliche, gesegnete Weihnachten! Amen.

Pastorin Christiane Neukirch
Gehörlosenpfarramt Hannover
Evangelisch-lutherische Landeskirche Hannovers
cn@neukirch-online.de


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