Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach, J. Neukirch, C. Dinkel, I. Karle

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4. Sonntag im Advent / Heiliger Abend, 24. Dezember 2006
Predigt zu Hesekiel 37, 24 – 28, verfaßt von Dankwart Arndt
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)


Vorbemerkung: Ich konzentriere mich auf folgende Verse:
„So spricht der Herr: Mein Knecht soll ihr König sein und der einzige Hirte für sie alle. Und sie sollen wandeln in meinen Rechten und meine Gebote halten und danach tun. Und ich will mit ihnen einen Bund des Friedens schließen; der soll ein ewiger Bund mit ihnen sein. Ich will unter ihnen wohnen und will ihr Gott sein; und sie sollen mein Volk sein.“

„Lieber Gott, wenn es Dich wirklich gibt, komm zu uns auf die Erde. Dann kannst Du Dir diesen ganzen Schlamassel mal selbst ansehen. Amen.“
Johanna, 15, Österreich, aus: „Der andere Advent“ zum 07.12.2006

Es wäre nicht angemessen, wollten wir in dieser Christnacht 06 die Augen vor dem verschließen, was in den letzten Wochen und Tagen auf uns eingestürmt ist in aufwühlenden Bildern und Nachrichten – aus der Ferne und aus der Nähe. Stünde dadurch diese Nacht „unter einem anderen Stern“ als andere Christgeburtsnächte in anderen Jahren? Absichtlich benutze ich diesen zweideutigen Ausdruck „unter einem anderen Stern“. Denn: unter welchen Stern wir uns letztendlich in dieser Nacht zu stellen gewillt sind, wird sich entscheiden daran, ob wir die Botschaft dieser Nacht hören und beherzigen und – ob aus der gehörten Botschaft etwas wächst fürs Leben.

Der Predigttext für diesen Abend ist insofern hilfreich und auch heilsam, als er keinesfalls die Neigung unterstützt, nach einem frösteln-machenden Weg durch die Nacht im warmen Schein der vielen Kerzen in unserem Gotteshaus in Träumereien zu verfallen. Nacht-Finsternis-Kühle draußen, und nun: Licht, Wärme, Geborgenheit hinter den starken Mauern: das muss nicht ver-führen, das könnte aber hin-führen auf ein „ganzes“, auf ein „erwachsenes“ Weihnachten.

Aus mancherlei Finsternis sind wir gekommen in den warmen Schein der Kerzen: auch unter uns, auch in unseren Städten und Dörfern: Arbeitslose. Bei den Wachen unter uns: wachsende Besorgnis um „Friede auf Erden“, um Frieden unter den Völkern, Besorgnis um Frieden zwischen Mensch und Natur, um friedlichen Ausgleich zwischen Interessen-Gegensätzen. Aus mancherlei Finsternis sind wir gekommen in den warmen Schein der Kerzen: haben mitgebracht verletzte Gewissen, verwundete, enttäuschte Herzen, und auch Trauer: auf Friedhöfen frische Gräber; nicht nur sie, sie aber auch Hinweis auf Kummer, auf Wunden, auf Tränen. Und: nicht wenige unter uns befürchten – und verzagen dabei schier - , ob nicht unsere Welt von Gott und jedem guten Geist verlassen ist.

Ich denke schön: aus mancherlei Finsternis und mit allerlei schweren Gedanken beladen sind wir allesamt aus der Nacht in den Schein der Kerzen gekommen.

Lassen Sie uns also versuchen, uns dem zu stellen und standzuhalten, was ist, und nicht die Augen zu verschließen und für eine Stunde verträumtes Vergessen zu suchen. Lassen Sie uns versuchen, im Gegenteil Augen, Sinne und Herzen besonders weit zu öffnen einer „erwachsenen“ Weihnacht!

Dazu helfen uns die Worte der Schrift aus dem Buch Hesekiel, weil sie uns in dieser Nacht der Erfüllung wiederum Erwartung zumuten, weil sie uns, die wir vor der Krippe stille stehen und Gottes Schritt auf uns zu feiern, Schritte nun auch uns zumuten; die Worte der Schrift helfen uns zu „erwachsener“ Weihnacht, weil sie uns die Botschaft der reinen, vorbehaltlos schenkenden und unbedingt annehmenden Liebe Gottes zusagen und – ebenso – Sein Gebot, Sein Recht und also Gehorsam zumuten.

Freilich – in der „gehörigen“ Reihenfolge, in der „gehörten“ Reihenfolge: „Mein Knecht, spricht der Herr, soll ihr König sein und der einzige Hirte für alle: ich will einen Bund des Friedens schließen; ich will unter ihnen Wohnung nehmen und will ihr Gott sein.“

Gott nimmt Wohnung unter uns Menschen, - unter denen, die immer wieder ein zerschundenes, zerschlagenes Herz und einen zermürbten Sinn haben und kaum noch Gutes zu erhoffen wagen. Er nimmt Wohnung bei denen, die am Verzweifeln sind oder schon der Verzweiflung anheim gefallen sind. Er nimmt Wohnung auch bei denen, die ihn zynisch herausfordern oder ihn – anklagend entweder oder resignierend – ablehnen. Gott nimmt Wohnung bei den Menschen – bei denen, die ihn erwarten, die von ihm alles erwarten und sich mit nichts anderem abspeisen lassen. Bei ihnen allen hat Gott Wohnung genommen, unabhängig von ihrem Verhalten, unabhängig von ihrem Recht – oder Unrecht-Tun. Eine ungeheuerliche Botschaft!

Gott hat in einem Menschen bei uns Menschen Wohnung genommen. Nicht in einer Festung. Verletzlich, angreifbar hat er sich gemacht. Er hat sich glühendem Hass, kalter Ablehnung und mieser Mittelmäßigkeit ausgeliefert. Er hat Verfolgung erlitten und Nachfolge erlebt. Gott hat Wohnung genommen unter den Menschen.

Damit hat er dem Wesen seiner Liebe entsprochen, sie ausgelegt und ausgelebt. Seine Güte hat hell gemacht, was dunkel war; sie hat Verschuldete entlastet; sie hat Verzagte aufgerichtet, hat Erstarrung gelöst, hat Versagen gelöscht. Gottes Liebe – „eingewohnt“ im wahren Menschen: Jesus. Sie hat Anfänge geschenkt denen, die „am Ende“ waren, - hat Heil denen gewährt, die verwundet und „wie tot“ waren.

Gott hat Wohnung genommen bei uns Menschen und uns „den Himmel aufgeschlossen“; er hat uns hineinblicken lass „in sein Herz“, diesen „Backofen voller Liebe“ (Luther). So tief hat er sich herabgebeugt, so weit sich geöffnet, dass dies alles geschehen ist durch das Kind in der Krippe; Ohnmächtig, wehrlos, kündbar von jedermann, ohne schützendes, strafbewehrendes Gesetz ist der als Mensch unter Menschen wohnende Gott in seinem Leben geworden. Bis heute geschieht das: Gott nimmt Wohnung unter den Menschen. Und der „Stern von Bethlehem“ will nun die Schritte lenken, die seine „Einwohnung“ uns zumutet.

Das ist die Entscheidung, vor der wir stehen: ob wir uns ducken im fahlen Licht „ungünstiger Sterne“, die in der Welt und von der Welt her auch über diesen Festtagen sichtbar werden, oder ob wir uns dem „Stern von Bethlehem“ anvertrauen; das aber meint dann: ob wir uns Schritte des Gehorsams zumuten lassen, ob wir uns von dem Fest der reinen, vorbehaltlosen Liebe das Gebot zumuten lassen.

„Mein Knecht soll der einzige Hirte für alle sein!“

Der gute Hirte geht voran, voran im Gehorsam, in der Geduld, in der Hingabe; voran in die Hoffnung und ins Leben. Rufend, gebietend, wegweisend geht der Hirte voran; und in alledem ganz gewiss auch: segnend, behütend, bewahrend. Bei ihm bleiben, die ihm nachfolgen; und er bleibt Hirte denen, die ihm nachfolgen, die sich sein „Gebot“, seine „Rechte“ zumuten lassen.

Sein Gebot aber ist dies: Welt und Leben, die vielen guten Möglichkeiten, die reichen Gaben und Kräfte als seine gute Schöpfung ansehen, annehmen und pflegen. Sein Gebot: im Alltag die kleinen und großen Schritte des Gehorsams gehen auf den Nächsten zu, damit der zu seinem Recht komme, damit Dunkelheit erhellt wird, Kälte verrieben, geduldige Zuwendung geübt, Mahnung gewagt werden, - damit Schuld abgetragen, Verkrampfungen gelöst, Verzicht ohne Murren angenommen werden...

Das alles ist freilich in „gehöriger“ Reihenfolge, also auf dem Grund der Verheißung dieser Botschaft: „Der Herr hat Wohnung genommen unter den Menschen.“

Seine Herrschaft, seine Herrlichkeit will er ausbreiten in den Schritten unseres freien und fröhlichen Gehorsams, in dem wagenden Zutrauen derer, die hören und nicht vergessen, die reich werden und abgeben, die getröstet sind und Trost zu geben vermögen, die befreit sind in der Nähe Gottes und Freiheit gewähren, di in den Lichterglanz des Herrn getreten sind und ihn widerspiegeln. Die so leben, sind wirklich – wirksam und unwiderruflich – in den Bund des Friedens hineingenommen, den der Herr gestiftet hat – in jener Nacht, da er „zur Welt kam“ und Wohnung nahm in einer Höhle der judäischen Berge.

Amen

Dr. Dankwart Arndt
Pastor i. R.
Auf dem Breckels 1
24329 Grebin

 


 


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