Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach, J. Neukirch, C. Dinkel, I. Karle

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Letzter Sonntag des Kirchenjahres, Ewigkeitssonntag, 26. November 2006
Predigt zu Jesaja 65, 17-25, verfaßt von Johannes Boenecke
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)


Liebe Gemeinde,

Bevor am nächsten Sonntag mit dem ersten Advent ein neues Kirchenjahr beginnt, denken wir heute noch einmal zurück auf die hinter uns liegende Zeit. In besonderer Weise denken wir an die Verstorbenen, die im vergangenen Jahr von uns gegangen sind. In vielen Gemeinden werden, wie bei uns, ihre Namen verlesen. Viele Familien gehen heute über den Friedhof, ein Weg, der uns die Vergänglichkeit allen Lebens so schmerzlich bewusst werden lässt. jeder Grabstein erinnert uns an eine Lebensgeschichte, die nicht selten viel zu früh abriss. Es gibt so viel Leid auf dieser Welt, deren Wunden die Zeit nicht so einfach heilen kann. Oft bleiben Fragen zurück, für die man auch nach Jahren noch nach einer Antwort sucht.

Wo Liebe ist, das ist auch Trauer. Es fällt so schwer, den Weg allein weiterzugehen, den man so oft und gern gemeinsam ging! Welchen Trost kann es da geben? Der Name des heutigen Sonntags, Ewigkeitssonntag, zeigt uns eine neue Perspektive. Dazu werden uns die Worte unseres Herrn im Buch des Propheten Jesaja als trostreiches Bild gesagt :

17 Denn siehe, ich will einen neuen Himmel und eine neue Erde schaffen, dass man der vorigen nicht mehr gedenken und sie nicht mehr zu Herzen nehmen wird.
18 Freuet euch und seid fröhlich immerdar über das, was ich schaffe. Denn siehe, ich will Jerusalem zur Wonne machen und sein Volk zur Freude,
19 und ich will fröhlich sein über Jerusalem und mich freuen über mein Volk. Man soll in ihm nicht mehr hören die Stimme des Weinens noch die Stimme des Klagens.
20 Es sollen keine Kinder mehr da sein, die nur einige Tage leben, oder Alte, die ihre Jahre nicht erfüllen, sondern als Knabe gilt, wer hundert Jahre alt stirbt, und wer die hundert Jahre nicht erreicht, gilt als verflucht.
21 Sie werden Häuser bauen und bewohnen, sie werden Weinberge pflanzen und ihre Früchte essen.
22 Sie sollen nicht bauen, was ein anderer bewohne, und nicht pflanzen, was ein anderer esse. Denn die Tage meines Volks werden sein wie die Tage eines Baumes, und ihrer Hände Werk werden meine Auserwählten genießen.
23 Sie sollen nicht umsonst arbeiten und keine Kinder für einen frühen Tod zeugen; denn sie sind das Geschlecht der Gesegneten des HERRN, und ihre Nachkommen sind bei ihnen.
24 Und es soll geschehen: Ehe sie rufen, will ich antworten; wenn sie noch reden, will ich hören.
25 Wolf und Schaf sollen beieinander weiden; der Löwe wird Stroh fressen wie das Rind, aber die Schlange muss Erde fressen. Sie werden weder Bosheit noch Schaden tun auf meinem ganzen heiligen Berge, spricht der HERR.

In diesem Bild gehen Türen auf. Da scheint es keine Grenze mehr zu geben zwischen Leben und Tod. Niemand wird mehr weinen, trauern oder klagen. Ein neuer Himmel und eine neue Erde werden entstehen. Eine Welt wird entstehen, in der Eltern nicht mehr über den Verlust ihres Kindes trauern brauchen, denn als Knabe gilt, wer im Alter von 100 Jahren stirbt. Das klingt wie ein Traum von ewiger Jugend.

Kinder fragen uns manchmal ganz direkt, wie es wohl im Himmel sein mag. Sie machen sich ihre Gedanken. Und manchmal haben sie viel klarere Vorstellungen vom Himmel, als wir Großen. Sie können sagen; „Die Oma oder der Opa sind doch gar nicht tot. Die leben doch jetzt bei Gott!“ Wir selbst tun uns oft sehr schwer damit, den Himmel zu erklären. Was soll man da sagen?

Jesaja zeigt uns solch ein Bild – voller leben und Fröhlichkeit. Die Welt, die er beschreibt, ist eine Welt voller Frieden. Auch Tiere gibt es in dieser Welt. Doch keiner fügt dem anderen auch nur irgendein Leid zu, denn selbst der Löwe wird Stroh fressen wie das Rind. Wird so der Himmel aussehen?

Gott wird einmal einen neuen Himmel und eine neue Erde erschaffen, sagt Jesaja. Und er beschreibt dabei eine Welt, die wie der Himmel auf Erden ist. Doch diese Welt ist noch nicht Gottes Ewigkeit. Sie beschreibt kein grenzenloses Leben. In dieser Welt gibt es den Tod noch: „Als Knabe gilt, wer im Alter von 100 Jahren stirbt.“, spricht der Herr.

Gott verheißt unserer Erde eine Zukunft – eine Verheißung, die uns gerade heute besonders nötig erscheint, nicht nur weil Pole und Gletscher schmelzen. Wir brauchen eine Perspektive für das Leben auf dieser Erde angesichts der Bilder vom erneuten Amoklauf eines Schülers an einer unserer Schulen. Polizei und Einsatzkräfte haben Schlimmeres verhindert, weil sie darauf eingerichtet und geschult waren. Wie können wir in solch dunklen Tagen etwas von dem Licht der Perspektive erahnen, dass uns im Jesajabuch überliefert wurde:

Es wird eine Zukunft geben, in der es kein Leid mehr geben wird. Niemand wird mehr seinen Mitmenschen verletzen – weder mit Worten, noch mit Taten. Niemand braucht mehr Angst zu haben. Sorge wird ein Fremdwort sein. Man wird keine Sorgen mehr kennen.

Diese Worte, die Gott uns vor so langer Zeit durch seinen Propheten verkündet hat, erscheinen uns heute so unerreichbar fern. Wir machen in unserem Leben entgegengesetzte Erfahrungen. Jeder kennt Sorgen und auch Leid. Und wir brauchen nicht mal Schreckensmeldungen, um zu erkennen, wie grausam doch Menschen miteinander umgehen können.

Sorgen bereiten uns Krankheiten, die kein Mensch heilen kann. Und so manches Kreuz am Straßenrand erinnert uns an Menschen, die keine Schuld an dem Verkehrsunfall trugen, bei dem sie ihr Leben verloren. Wie viel Leid entsteht auf unserer Welt durch Leichtsinn und Fahrlässigkeit! Eine Welt ohne Leid. Das klingt für traumhaft und erscheint uns genauso unvorstellbar.

Je mehr wir vom Leben erfahren, desto öfter fragen wir: Hat unsere Welt denn überhaupt eine Zukunft? Ich kann mir auch keine Welt vorstellen, in der ein Raubtier auf seine Beutezüge verzichtet und statt dessen von Stroh lebt.

Aber könnte einer von uns sagen, was bei Gott einmal möglich sein wird? Möglicherweise zeigt uns Gott gerade deshalb so unvorstellbare Bilder, damit wir doch erkennen: Da, wo Gottes Reich beginnt, da wird viel mehr möglich sein, als wir denken und ahnen können.

In Jesus Christus hat Gott uns doch gezeigt, wie grenzenlos seine Kraft und seine Möglichkeiten sind. Unheilbar Kranke wurden durch Jesus gesund. Tote rief er ins Leben zurück. Menschen, deren Geist schwer krank war, wurden geheilt. Das war schon ein teil der Erfüllung aus der Verheißung des Propheten.

Doch wenn Gottes Jüngster Tag beginnt, wird alles Leid in Freude verwandelt werden. Gott wird alle Tränen abwischen, hörten wir aus der Offenbarung des Johannes. Wenn Gott den Himmel und die Erde erneuert, wird es keinen Grund mehr zur Trauer geben. Für de, der Gott vertraut, ist der Tod die Brücke, die zum bleibenden Leben in der Herrlichkeit unseres himmlischen Vaters führt. Dieses Leben wird frei sein von der Last der Schatten. Es ist ein Leben im Licht, für das es keine Grenze gibt.

Wer Gott vertraut, darf sich heute wie morgen und alle Zeit in der Liebe unseres Herrn geborgen wissen. Die Strahlen dieser Liebe unseres Gottes erreichen aber auch heute schon unser Leben. Wo diese Strahlen unsere Erde berühren, da wird das Dunkel dieser Welt ein wenig heller. Da wird bei uns Glauben geweckt, wo kurz zuvor uns noch die Verzweiflung gequält hat.

Schließlich lässt Gott uns ganz deutlich wissen: Das Grab, das wir sehen, ist nicht das Ende, sondern es ist der Übergang zum bleibenden Leben: „Ich lebe, und ihr sollt auch leben!“, sagt uns unser auferstandener Herr. Durch seine Auferstehung hat er uns die Zuversicht geschenkt, in der neuen Welt unseres Gottes leben zu dürfen.

Siehe, ich will einen neuen Himmel und eine neue Erde schaffen, dass man der vorigen nicht mehr gedenken und sie nicht mehr zu Herzen nehmen wird. Freut euch und seid fröhlich über das, was ich schaffe, spricht Gott.

Gottes Zukunft weist über das Leid dieser Erde hinaus. Seine Tore stehen für uns offen. Sein Land ist hell und weit. Seine Liebe zu uns ist so grenzenlos, dass er für jeden von uns eine Zukunft verheißt. In dieser Liebe dürfen wir uns im Leben wie im Sterben in seiner Hand geborgen wissen. Sie trägt uns wie ein starker Arm und umhüllt uns wie ein wärmendes Licht. Es ist das Licht, das von Gott ausgeht.

Gott will, dass wir einmal in diesem Licht leben dürfen, frei von Schatten oder gar Dunkelheit, frei von Leid, Trauer und Schmerz. Wen Gott in seiner Güte zu sich ruft, der wird schon heute befreit vom Dunkel dieser Welt und darf in seinem Licht leben.

Amen.

Johannes Boenecke
boenecke1@compuserve.de


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