Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach, J. Neukirch, C. Dinkel, I. Karle

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Letzter Sonntag des Kirchenjahres, Ewigkeitssonntag, 26. November 2006
Predigt zu Matthäus 11, 25-30, verfaßt von Hanne Sander (Dänemark)
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)


(Text der dänischen Perikopenordnung)

Die Trinitatiszeit ist heute zuende mit dem letzten Sonntag des Kirchenjahres. Die Zeit, die im Juni begonnen hat, hat auch mit Worten aus dem Matthäusevangelium begonnen, nämlich mit den Worten, mit denen Jesus die Jünger in die Welt schickt, wenn sie ”alle Völker zu seinen Jüngern machen sollen, indem sie sie taufen und sie lehren: ’Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden.’”

Und jetzt endet das Kirchenjahr mit einem ähnlichen Wort:
”Alles hat mein Vater mir übergeben, – er, der der Herr des Himmels und der Erde ist.”

Die Worte klangen so machtvoll – damals im Sommer – und sie entsprachen in gewisser Weise der Lebensstimmung dieser Jahreszeit, als die Tage hell und lang waren und wir glaubten, so viel bewältigen zu können.

Auf der anderen Seite finde ich, dass sich im Evangelientext des heutigen Tages eine andere Lebensstimmung bemerkbar macht. Gewiss ist von Macht und Willen und Vollmacht die Rede, aber sie ist von anderer Art – nicht so hochsommerlich – nicht so sicher.

Das mögen nun bloße Gefühle und willkürlicher Vergleich sein, aber die Macht bleibt, jetzt aber deutlich erkennbar problematisiert.

Warum preist Jesus Gott darum, dass er den Weisen und Klugen etwas verborgen hat, was er den Unmündigen offenbart hat?
Und was ist es, das er verborgen hat?

Paulus diskutiert es seinerseits hin und her mit der Gemeinde in Korinth, und in dem Brief des Paulus, den wir aus dieser Korrespondenz noch heute besitzen, wird deutlicher, was da Anstoß erregt, was am Christentum so unverständlich ist, sobald die Überlegungen und Diskussionen von Macht handeln und um die Frage gehen, wer Macht über was besitzt.

Es gelingt Paulus, sich gegenüber der Gemeinde in Korinth so zu formulieren, dass kein Zweifel bestehen kann:
„Denn ich hielt es für richtig, unter euch nichts zu wissen als allein Jesus Christus, den Gekreuzigten.“

Mit anderen Worten: Paulus sagt direkt, dass das Christentum, das er predigt, und der Gott, den er verkündet, weder ein besseres Leben noch Lösung von Problemen versprechen. Paulus zeichnet nicht das Bild von Gott, das zu zeichnen wir gelegentlich versucht sein können, nämlich von einem Gott, der alles in Ordnung bringen können soll, Kriege verhindern, Krankheit und Tod abwehren, Willkürlichkeit und Ungerechtigkeit erklären können soll, als ob wir meinten, dass es genau dies sei, wozu man einen Gott habe.

Nein, „ich hielt es für richtig, unter euch nichts zu wissen als allein Jesus Christus, den Gekreuzigten“, schreibt Paulus entschlossen, wohl wissend, wie problematisch es ist.

Denn im selben Brief schreibt Paulus nahezu dasselbe, was Matthäus als Worte Jesu referiert: „Denn was töricht ist vor der Welt, das hat Gott erwählt, damit er die Weisen zuschanden mache; und was schwach ist vor der Welt, das hat Gott erwählt, damit er zuschanden mache, was stark ist; und das Geringe vor der Welt und das Verachtete hat Gott erwählt, das, was nichts ist, damit er zunichte mache, was etwas ist, damit sich kein Mensch vor Gott rühme.“

Das heißt, zwei Dinge im selben Atemzug zu sagen – aber zwei Dinge, die miteinander zusammenhängen.

Jesus Christus nur als den Gekreuzigten predigen zu wollen ist dasselbe, wofür Jesus Gott preist, dass er es den Weisen und Klugen verberge und den Unmündigen offenbare, nämlich von Gott zu reden und Gott in Christus zu sehen – nicht als den Allmächtigen und deshalb im Verhältnis zu unseren Erfahrungen Fernen – sondern als den Mitleidenden und Gegenwärtigen.

Das Christentum und der Glaube an Christus befreien uns ja nicht von unseren menschlichen Lebensbedingungen, wo es auch Unglück und Trauer und Zweifel gibt. Die Wirklichkeit ist ja nicht so, dass wir davon befreit wären, Lasten zu tragen, sondern die Predigt über Jesus als den Gekreuzigten ist eine Zusage der Nähe, wir wissen, dass wir die Lasten nicht allein tragen müssen.

Nehmt mein Joch auf euch und lernt von mir. Das heißt auch: seht der Wirklichkeit in die Augen, macht euch nichts vor, denn auch wenn es nicht immer Hochsommer ist, sondern auf alle möglichen Weisen Herbst und Winter in unserem Leben kommen, so soll es euch nicht den Glauben nehmen. Gott ist nicht nur in dem hohen Licht, in den Tagen, wenn sie hell und klar sind, sondern Gott ist auch bei uns, wenn das Licht abnimmt und die Tage kürzer werden, wenn wir nicht mehr so klar sehen können, ja, wenn wir nahe daran sind, aufzugeben, weil wir die Finsternis und Furcht nicht begreifen, die in uns sein können wie ein Herbststurm, der alles zerreißt.

Was an diesem letzten Sonntag im Kirchenjahr wichtig sein kann zu hören und was der Evangelientext sagt, ist dies, dass die gute Sommerstimmung richtig war; die hohen Zeiten sind wirklich, aber wir brauchen nicht darum herumzulügen, dass wir die Sommerstimmung nicht haben festhalten können. Wir haben entgegengesetzte und widersprechende Erfahrungen gemacht Die Tage wurden dunkler und kälter. Aber die Verheißung der Nähe gilt nach wie vor: ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.

Deshalb können wir singen: „Herr Christus, dir zu Ehren schließen wir unser Kirchenjahr, trostvoll soll unser Abschied sein.“

Amen

Pastor Hanne Sander
Prins Valdemarsvej 62
DK-2820 Gentofte
Tel.: +45 39 65 52 72
e-mail: sa@km.dk

Übersetzung aus dem Dänischen: Dietrich Harbsmeier

 


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