Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach, J. Neukirch, C. Dinkel, I. Karle

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17. Sonntag nach Trinitatis, 8. Oktober 2006
Predigt zu Jesaja 49, 1-6, verfaßt von Anne Töpfer
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)


Liebe Gemeinde!

Das Ergebnis zählt!
Das ist in unserem Leben häufig so. In der Wirtschaft ist der Gewinn entscheidend. Das will der Unternehmer und die Aktieninhaber haben genau deshalb investiert.
Ergebnis- und Gewinnorientierung zählen jedoch nicht nur dort … Kundengewinnung, Wählerstimmen, Vereinsmitglieder, Konzert- und Theaterbesucher und Kircheneintritte.
Wie viele können wir gewinnen? Erreichen wir unsere Ziele? Haben wir Erfolg?
Das sind Fragen, die die Konzepte bestimmen und nach denen Werbung gestaltet wird.
Wir wollen ja schließlich Erfolg haben. Unsere Anstrengungen sollen Früchte tragen und zwar nicht nur im eigenen Garten …
Zielorientiert wird geplant, organisiert und durchgeführt.
Sei es im Beruf, auch hier in Kenia, wo nicht so schnell Ergebnisse zu sehen sind … sei es in der Entwicklungszusammenarbeit, in der Ausbildung und in der Verbesserung der medizinischen Versorgung, der Aufklärung und der Reduzierung von HIV/Aids, der Bekämpfung von Malaria, der Verbesserung der Wohnsituationen der vielen Slumbewohner, der Katastrophenhilfe und wohl auch in vielen anderen Bereichen, in denen sie tätig sind.

Auch bei Kirchen hier und in Europa hat die Ergebnisorientierung zugenommen. Schwindende Mitgliederzahlen in Europa, Kirchenmüdigkeit und Überalterung und fehlendes Geld haben in Europa dazu beigetragen, dass neue Konzepte entwickelt werden. Gemeindeaufbau, zielgruppenorientierte oder integrative Arbeit, Kontaktpflege, Management Kurse für Kirchenleitende und Pastoren. Ziel oder Ergebnis hier: Mitgliedergewinnung und Belebung der kirchlichen Arbeit.
Im kenianischen Umfeld gewinne ich den Eindruck, dass es diese Probleme hier nicht in demselben Maße gibt. Viele Gottesdienste sind voll. Die Menschen fühlen sich angezogen. Sie suchen etwas und zwar in den Kirchen, so verschieden sie auch sind. Und das mit dem fehlenden Geld in Kirchen gilt hier lange nicht bei allen Gemeinden. Manche wachsen, blühen und gedeihen. Menschen werden angezogen, weil sie sich vom Glauben auch gefüllte Taschen erwarten, gewissermaßen als Belohnung für ihren richtigen Glauben. Die Ergebnisorientierung ist bei so manchen fest verankert. Und es gibt sie ja, die Vorzeigebeispiele, bei denen es geklappt hat … und so werden weitere angezogen.

So wie ich davon rede, kann ich nicht verheimlichen, dass ich solcher Ergebnisorientierung kritisch gegenüber stehe.
Ich glaube, dass es so einfach mit unserem Glauben und unserem Leben nicht ist und auch nicht mit unserem Gott.
Gewiss wünsche ich mir, dass mein Glaube und meine Arbeit Früchte tragen. Es wäre schön, wenn ich nicht das Gefühl haben müsste: Es ist alles umsonst, sondern: Auch ich kann und du kannst etwas dazu beitragen, dass Menschen von diesem Gott angesprochen werden, sich aufgehoben fühlen, einen Sinn in ihrem Leben sehen – wer kann diesen Wunsch schon ganz von der Hand weisen, wenn wir doch daran festhalten wollen, dass dieser Glaube gut ist, dass Gott es gut mit uns meint?
Aber das ist uns nicht immer geschenkt.

Sollen wir uns davon jetzt entmutigen lassen? Wohl kaum, denn es gibt genügend Beispiele, nicht nur biblische Beispiele, die uns trösten – auch oder gerade in der Erfolglosigkeit ohne diese selbst zu einem Lebensziel werden zu lassen. Ein Beispiel ist unser heutiger Predigttext (wenn noch nicht zu Beginn der Predigt verlesen, so kann der Predigttext hier vorgelesen werden oder besser von anderer Stimme vorlesen lassen)

„Hört mir zu …“ Da redet einer, dem alles andere als Erfolg beschieden ist. Da redet einer zu Menschen, die immer noch mitten in einer Niederlage leben müssen. Die ersten Hörer sind eine Gruppe von Menschen aus dem Volk Israel. Sie haben alles hinter sich lassen müssen. Fern ihrer Heimat leben sie in einem fremden Land, in Babylon. Das ist das Ergebnis des Siegs der Anderen. Der Tempel, ihre spirituelle Heimat, ist – im wahrsten Sinne des Wortes – am Boden zerstört. Sie hadern … mit sich und mit Gott. Und dieser schickt ihnen jemanden. Im zweiten Teil des Buches Jesaja hören wir von ihm, dem Knecht Gottes. Unser heutiger Predigttext ist sein zweites Lied.

Dieser Knecht Gottes konfrontiert die Israeliten mit einem anderen Gottesbild. Nicht in ihrem Sinne ergebnisorientiert, sondern tröstend und rettend ist Gott auch in der Erfolglosigkeit. Er redet von Hoffnung und verspricht neues Leben. Er wirkt behutsam und im Stillen und nicht als Marktschreier für das beste Produkt, was es vermeintlich zu erwerben gilt. Und selbst leise und behutsam wie sein Knecht, sein Bote daher kommt, hat dieser keinen Erfolg. So tröstlich wie seine Worte für die Niedergeschlagenen hätten sein müssen, sie hören nicht, sie wollen nicht, sie halten fest an ihren Vorstellungen.

Und so steht auch der Knecht Gottes da, erfolglos! „Ich aber dachte, ich arbeitete vergeblich und verzehrte meine Kraft umsonst und unnütz, …“ Aus die Maus … alles umsonst. Wozu sollen wir uns dann eigentlich anstrengen? Was nützt das denn?

Aber Gott bleibt dran! Nicht dass das Ergebnis nicht zählt, aber es zählt anders als bei uns. Er misst nicht in Zahlen, seien es Menschen oder Geld. Vorübergehende Vergeblichkeit hier lässt ihn weiterdenken und weiterblicken. „Es ist zu wenig, dass du mein Knecht bist, die Stämme Jakobs aufzurichten und die Zerstreuten Israels wiederzubringen, sondern ich habe dich auch zum Licht der Völker gemacht, dass du seist mein Heil bis an die Enden der Erde.“ Gott will mehr! Und das wohlwissend, dass das Ziel für uns nicht erreichbar ist. Aber er lässt nicht locker und mutet seinem Knecht und uns zu, dass auch wir uns nicht entmutigen lassen. Er möchte alle Menschen erreichen … neben seinem bleibenden Volk Israel auch uns aus den anderen Völkern. Aber er schlägt einen anderen Weg ein, als den, den wir nur zu gut kennen, auf dem immer wieder Entmutigung und Vergeblichkeit vorprogrammiert sind, so sehr uns auch andere etwas anderes vermitteln wollen. Diese durchaus schmerzliche und zutiefst menschliche Erfahrung hat er auch selbst machen müssen – von daher weiß er sehr wohl, was er von uns erwartet. Immer wieder hat er sich auf den Weg gemacht zu uns, hat Boten geschickt, um Zeugnis abzulegen von ihm … ist selbst Mensch geworden, einer von uns, und nach menschlichen Maßstäben gescheitert. Am Kreuz landete er, wie ein Verbrecher.

Und doch wirkt er bis heute. Er hat uns zusammengebracht hier heute Morgen. Und Millionen anderer Menschen rund um die Erde ebenso. Sein Erfolg ist anders, als der, den wir uns so oft wünschen. Er rückt uns auf die Pelle und füllt nicht unser Portemonnaie und unser Bankkonto. Er setzt sich in unseren Herzen fest und wirkt da weit erfolgreicher als das viele Erfolge in unserem Leben könnten, so schön wie sie sind, aber auch so vergänglich wie sie sind. Die Vergeblichkeit wird oftmals bleiben, dies soll uns jedoch nicht verstummen lassen. Denn: Wes das Herz voll ist, des geht der Mund über. Reden wir davon und geben wir in Gottes Hände, sein Werk zu vollenden. Ein guter Lehrmeister dafür ist der Knecht Gottes aus dem Buch des Propheten Jesaja und Jesus Christus und auch viele in seiner Nachfolge.
AMEN

Evangelische Gemeinde Deutscher Sprache Kenia/
German Speaking Evangelical Lutheran Congregation in Kenya
Anne Töpfer
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Kenya
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