Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach, J. Neukirch, C. Dinkel, I. Karle

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10. Sonntag nach Trinitatis (Israelsonntag), 20. August 2006
Predigt zu Jesaja 62, 6-12, verfasst von Christian Tegtmeier
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)


Was Jesaja Juden wie Christen zu sagen hat, ist eine gute Nachricht, eine frohe Botschaft, die nicht nur tröstet, sondern ermutigt und jeden hoffen lässt. Die frohe Botschaft richtet sich an Gottes Volk. Es sind Worte der Freude und Zuversicht an Menschen, die die Hoffnung verloren haben, dass Gott in ihrer Mitte präsent ist, dass er ihr Leben ändert, ihm wieder neuen Glanz gibt, damit sein Heil und sein Gesetz in den kalten Herzen der Menschen neu zu leuchten und kräftig zu wirken beginnt. Die frohe Botschaft sagt, dass er kommt, auf den wir warten. Da heißt es: Saget der Tochter Zion: siehe der Retter nahet dir, er hat seinen Lohn bei sich. Siehe, was er gewann – für euch – ist bei ihm, und was er erwarb – für euch – geht vor ihm her. Mit diesem Heil, mit seinem Segen kommt er zu seinem Volk, nach Zion, in die Mitte nach Jerusalem. Wo er eintrifft, wo Menschen für ihn den Weg frei gemacht haben, wird sich das Leben wandeln. Die mit Tränen säen werden voll Freude sein. Wer verloren ist findet den Weg in die Gemeinschaft. Die zerstreuten Glieder sammeln sich in seinem Namen. Und er wird dieses Volk heilig heißen, Erlöste des Herrn nennen und dich wird man nennen Gesuchte und nicht mehr verlassene Stadt.

Solcher Wandel erfüllt Hoffnungen und Wünsche. Solche Botschaft stillt die Sehnsucht derer, die glauben und ihrem Herrn vertrauen. Solche gute Nachricht erfüllt die gegebenen Verheißungen, dass da Volk Gottes nicht mehr wie Fremde in der Heimat lebt, wie geduldete Knechte in ihrem Haus, sondern zu Hause ist, in seinem angestammten Eigentum souverän sein darf, so leben und sich einrichten kann, wie es seinen Wünschen entspricht. Wo Gott nach Zion kommt, in sein Heiligtum und sein Volk einzieht, da sammelt er die Menschen um sich herum, gewinnt seine Macht an Einfluss und Geltung. Nun stellt sich die Frage, wie Menschen sich vorbereiten und einbringen können, wie sie de Herrn und sein Heil empfangen, damit sie „Erlöste des Herrn“ werden. Damit sie teilhaben können am Segen und an der Kraft des Herrn, die die Mutlosen stark macht, die Traurigen tröstet, die Matten und Müden belebt, Menschen aufbrechen lässt zu den Ufern, an denen das neue Leben um Gottes Willen beginnt. Der Prophet spricht von der unermüdlichen Aufgabe der Wächter auf den Mauern und Zinnen der Stadt Gottes, die wachen und die Menschen stets neu erinnern, wenn sie rufen: „Der Herr kommt! Der Herr kommt zu euch!“ Wer wacht wie sie, sieht, wann und wo er kommt. Der ist bereit, den Gast zu empfangen. Der wird den anderen, die ihn Fragen berichten auf wen er wartet, und wer nun eintreffen wird. Der wird selbst zum Wächter auf hoher Zinne und erzählt von dem Gott, der Heil und Ordnung, Leben und Zukunft bei sich hat Denn wo die Freude fehlt, wo die Hoffnung schwach geworden oder gar erloschen ist, da ist auch das Volk müde geworden im Glauben. Doch nun bahnt sich ein Wandel an: der Herr kommt nach Zion und mit ihm Heil und Leben, ein neuer Anfang.

Solcher Ruf schlägt Brücken, soll uns Christen erreichen, möchte auch unseren Glauben wecken und berühren, liebe Gemeinde. Vielleicht ist es für unser Volk, unsere Kirchen und ihre Gemeinden im Glauben die elfte Stunde, ja sogar schon fünf Minuten vor Zwölf, ohne dass wir die Stimme der Wächter vermissen oder hören. Doch frage ich: haben wir solche Wächter, haben wir noch Künder des Wortes Gottes? Gibt es Propheten, die Gottes Worte weitersagen? Wartet eine Kirchengesellschaft von eingeschriebenen Mitgliedern auf Christus, auf den Retter, den der Prophet Jesaja ankündigt? Wer aufmerksam ist, wer sich mit der Kirche und denen, die darin arbeiten und mitwirken, beschäftigt, hört, dass ihre Herolde des Glaubens vom fehlenden Geld sprechen und in veränderten Strukturen und überschaubaren Großkirchen ihr Heil sehen, aber nicht auf den Herrn warten. Von Jesus Christus als ihrem Erlöser und Heiland haben sie kaum noch etwas zu verkündigen, es sei denn in leeren Formeln und Floskeln zu gewissen Festtagen. Unlängst fragte ein korankundiger Mitbürger: „Auf wen warten Christen, die glauben? Wessen Stimme hören sie und folgen ihr?“ - Nach einer betretenen Pause, in der sein christlicher Gesprächspartner schwieg, fuhr er fort: „Ihre Wächter schauen nicht nach Zion, sie schauen nicht auf Christus, sie erinnern sich und andere selten an das Heil. Das Volk der Christen ist träge, müde geworden im Glauben und in ihren leeren Herzen verhallen die Rufe nach Umkehr, nach der Freude, dass das Heil nahe ist: dass der Herr kommt, um die ausgetrockneten Seelen der Massemenschen zu beleben, um die Armut ihrer gottesdienstlichen Stätten und Veranstaltungen mit seinem Geist zu füllen, um ihren Gebeten und Wünschen Gewicht, Ausrichtung und Ziele zu geben. Dabei hätten sie doch allen Grund, auf Christus zu hoffen, es ihm zu zutrauen, den Einzelnen wie die Gemeinschaft der Glaubenden aus dem Dunkel ihrer gottvergessenen Welt herauszuführen.“ Verwundert fragte der Christ: „ Wie ist das denn denkbar?“ und er bekommt zu hören:“ Euer Gott und Vater ist Schutz und Schirm für alle, die bedroht, geängstigt, verloren und verlassen sind. Ihr nennt ihn doch den guten Hirten. Ihr singt das Lied: Ein feste Burg ist unser Gott und ihr betet :

Von guten Mächten wunderbar geborgen,
erwarten wir getrost, was kommen mag.
Gott ist mit uns am Abend wie am Morgen
und ganz gewiss an jedem neuen Tag.

Um solche Kraft und Fülle an Gottvertrauen seid ihr Christen zu beneiden. Ihr habt für euch eine Quelle des Heils und der Zuversicht, ganz anders als die Menschen, die sich im Befolgen der Gesetze und Regeln ihrer Religion abmühen müssen und doch nur ganz selten das Ziel der Erfüllung erreichen. Jesus Christus schenkt euch den Ort der Ruhe, eine Herberge für aufgescheuchte Seelen , er ruft in seine Mitte, damit ihr ganz neu anfangen könnt. Und das meint in jedem Fall: nicht das Vergangene fortzusetzen , sondern mit seinem Geist, mit seiner Botschaft aufzubrechen in eine Zeit, die euch Christen als Licht der Welt, als Salz der Erde braucht und nach euch ruft.

Nun, wir haben die frohe Botschaft vernommen, liebe Gemeinde. Lassen Sie uns noch einmal die Aufforderung des Propheten hören, wie sie uns gilt:

Gehet ein, gehet ein durch die Tore. Bereitet dem Volk den Weg! Machet Bahn, räumt die Steine der Hindernisse hinweg! Richtet ein Zeichen des Glaubens auf für die Christen in eurem Land, eurer Gemeinde! Siehe, der Herr lässt es hören bis an die Enden der Erde: saget der Tochter Zion: siehe, dein Heil kommt! Siehe, was er (für euch) gewann ist bei ihm; und was er sich (für euch) erwarb, geht vor ihm her!

Auf wen wollen wir noch warten? Die Wächter , die rufen und von Gottes froher Botschaft erzählen, sollen Sie sein, die Sie in unserem Gottesdienst die gute Nachricht, das Evangelium gehört haben. Gebe Gott uns in Jesus Christus seinen Geist, dass wir Wächter sind.

Amen

Liedvorschläge für das Lied nach der Predigt:
EG 596 (ich möchte Glauben haben) oder
EG 262/263 Sonne der Gerechtigkeit.

Christian Tegtmeier
Pfarrer in Kirchberg bei Seesen
gabriele.tegtmeier@t-online.de


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