Göttinger Predigten im Internet
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8. Sonntag nach Trinitatis, 6. August 2006
Predigt zu 1. Kor 6,9 - 14. 18-20, verfasst von Alois Schifferle
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)


Die Menschen wurden gerechtfertigt im Namen unseres Herrn Jesus Christus und im Geiste unseres Gottes!

Dieses 6. Kapitel greift auch heute in das Zeitgeschehen ein und erinnert uns, dass wir erlösungsbedürftig sind. Wir sind hineingeworfen in ein Leben, in eine Welt, deren Sinn heute nicht ohne weiteres ersichtlich ist. Die zeitgenössische Welt ist zerrissen, voller Unheil und Fragwürdigkeiten. Das Konsumbedürfnis, die Lust an der Lust wird ins Uferlose gesteigert und die Selbstverwirklichung des Seins verspricht ein heiles Leben in Werbeslogans wie „Geiz ist geil“ u. a. mehr. Der zeitgenössische Tenor der Selbstverwirklichung verspricht gegenwärtig zum einen die Abwesenheit aller körperlichen und psychischen Beeinträchtigungen, also „Gesundheit“ des Leibes; zum anderen legalisieren wir die zügellose Entfaltung aller Kräfte und Möglichkeiten, die im Menschen stecken. Der Einzelne wird so zur Selbstverwirklichung gedrängt. Im Konsumrausch der heutigen Zeit und Gesellschaft vergessen wir Christinnen und Christen oft, dass der Leib der Tempel des Herrn bedeutet und wir dadurch Glieder Christi sind. Deswegen warnt uns dieses Evangelium in Vers 18, der Unzucht zu entfliehen, denn wer Unzucht treibt, der sündigt gegen seinen eigenen Leib. Es wird hier also darauf hingewiesen, dass der menschliche Leib ein Leib, ja ein Tempel des Heiligen Geistes sei, der in uns wohnt. Daher sind wir angehalten, diesen Leib zu schützen, zu pflegen und durch diesen Leib im Heiligen Geiste zu wachsen.

Einsichtige Menschen spüren, dass wir den Sinn des Lebens nicht in uns allein finden können, etwa in unserem Egoismus, in unseren Eigenheiten, sondern dass wir etwa auf Gemeinschaft angewiesen sind. Dieser Bibeltext zeigt uns, dass der Mensch in Grenzsituationen seines Seins auf Mitmenschlichkeit angewiesen ist, das heißt der einzelne Mensch überschreitet sich selbst; er „transzendiert“ auf etwas Größeres hin; auf Ideale, auf die Menschheit als Ganzes, weil er ein Teil dieses Ganzen ist, auf die Ganzheit des Kosmos – auf den Daseinsgrund, den die Religionen „Gott“ nennen!

Nach Vers 19 f. ist der Leib ein Tempel des Heiligen Geistes, der in uns wohnt und den wir von Gott her erhalten haben. Eine Korrektur unseres heutigen Lebensvollzugs könnte darin liegen, dass unsere Sehnsucht nach dem „Leben in Fülle“ tatsächlich doch im Umkehrschluss zu einem sinnerfüllten Leben führen kann. Der Sinn unseres Daseins bleibt uns zwar oft verborgen; dennoch sind wir als denkende und handelnde Menschen dieser Spannung bewusst, da sie in uns die Sehnsucht nach Erfüllung weckt. Trotzdem fühlen wir uns oft unerlöst und erlösungsbedürftig. Vers 18 bis 20 geben zu verstehen, dass wer Unzucht treibt, gegen seinen eigenen Leib sündigt. In Anlehnung an 1. Kor 6,9 – 14 bzw. 18 – 20 könnte eine christliche Erlösungsbotschaft, ergänzend zu den Seligpreisungen, vernommen werden: „Selig, die arm sind vor Gott; denn ihnen gehört das Himmelreich. Selig die Trauernden; denn sie werden getröstet werden. Selig, die keine Gewalt anwenden; denn sie werden das Land erben. Selig, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit; denn sie werden satt werden. Selig, die Barmherzigen; denn sie werden Erbarmen finden. Selig, die ein reines Herz haben; denn sie werden Gott schauen. Selig, die Frieden stiften; denn sie werden Söhne Gottes genannt werden. Selig, die unter Gerechtigkeitswillen verfolgt werden; denn ihnen gehört das Himmelreich!“

In den Seligpreisungen wird uns deutlich, was in 1 Kor 6,20 angemahnt und in Erinnerung gerufen wird „Denn ihr wurdet erkauft um einen Preis. So verherrlicht den Gott in euerem Leibe!“ Diese Mahnung des Verses 20 enthält eine Erlösungsbotschaft, die jenen gilt, die am meisten der Erlösung bedürfen. Es behilft uns Menschen in unserem Konsumrausch. Es werden hier Menschen angesprochen, die auf verschiedene Weise an sich selbst oder durch Anteilnahme an anderen die Heillosigkeit der Welt erfahren. Wenn wir uns zügeln wird uns verheißen, dass Unglück sich wenden wird durch Gott; ─ ja ─ dass wir Gott schauen werden! Die christliche Freiheit ist kein Freibrief für alles, was uns Spaß macht! So wirkt auch die Botschaft Jesu, dessen Leben selbst eine einzige Erlösungsbotschaft war. Jesus von Nazareth verkündete den Menschen eine neue Zeit, in der Gott ihnen auf eine ganz neue Weise nahe sein würde. Er verschärfte eine neue Optik im Verhalten des Menschen zu seinen Mitmenschen. Er rief sie auf, sich für das Positive des Menschseins, für das Gute im Menschen einzusetzen, den Sinn zu wandeln und sich von allem Bösen abzuwenden. Er befreit die Menschen von Zwängen des Bösen und psychischen Schäden und spendete Versöhnung und Trost. Er erschließt eine sichtbare Hoffnung und eröffnete eine neue Zukunft im solidarischen Handeln, im Mittragen, im Gemeinschaft stiften. Dabei geht es auch um die Ehre Gottes. Und es geht um die alltäglichen Dinge unseres Zusammenlebens mit den anderen, das heißt um die Gottesliebe und um die Nächstenliebe, denn die Ordnung eines Lebens in Verantwortung vor Gott und den Menschen ist grundgelegt in den Zehn Geboten. Nach diesen Geboten Gottes zu leben, ist für alle Menschen, für alle Generationen, für alle Zeiten die grundsätzliche Weisung. Genauso wichtig ist es, dass wir die alltäglichen Dinge ganz ernst nehmen und die Brücke zu Gott hin immer wieder finden. An dem Platz, an dem sich Tag für Tag unser Leben abspielt, genau an diesem Platz sollen wir alles tun, damit Gott die Ehre gegeben wird, und damit wir den Menschen um uns herum Gutes tun durch unser Dasein, durch unsere Leibhaftigkeit aber auch durch den Geist, der uns verheißen ist.

Also: Was wir in unserem Leben tun sollen, das ist im Grunde einfach und schnell gesagt: Im gewöhnlichen Alltag unseres Lebens sollen wir die anfallenden Dinge außergewöhnlich gut tun. Wir brauchen nur die gewöhnlichen Aufgaben mit großem Verantwortungsbewusstsein Tag für Tag gut tun, dann wird alles gut. Das ist die einfache Antwort, und sie ist recht schnell gesagt. Doch darin liegt zugleich das Schwierige! Es ist eben nicht leicht, diesen einfachen Weg des Glaubens und des Lebens im großen Verantwortungsbewusstsein vor Gott und den Menschen täglich zu gehen; es ist nicht leicht, das ist unsere alltägliche Erfahrung! Es ist aber trotzdem eine Herausforderung, diesen Weg zu gehen, an einem jeden Tag! Mit anderen Worten: Jeden Tag müssen wir praktisch neu damit beginnen, diesen einfachen und zugleich schwierigen Weg unseres Glaubens und unseres Lebens zu gehen. In der gläubigen Ahnung, dass unser Leib ein Tempel des Heiligen Geistes sei, zeigt uns zum Beispiel das Vaterunser-Gebet in der sensationellen Anrede: Abba, Vater!, die Grundlinie christlichen Glaubens. Nie hätte es je ein frommer Jude gewagt, das Wort „Abba“ in Zusammenhang mit Gott zu gebrauchen, denn in dem Wort Abba liegt eine Liebkosung, eine Zärtlichkeit, die man auf Gott nicht zu denken, geschweige denn zu sagen sich traute. Aber das ist das ganz Typische für die Verbindung Jesu zu seinem Vater im Himmel. Und das wollte er ja auch seine Jüngern lehren, dass man Gott mit Emotion, mit Zuneigung, mit Vertrauen, ja mit Zärtlichkeit und Liebe ansprechen darf. Vers 17 sagt ja, wer aber dem Herrn anhängt, ist eines Geistes mit ihm. Und gerade deswegen darf man in diesem Gebet und in anderen Gebeten die ganz alltäglichen Notwendigkeiten, die Sorgen, die das Zusammenleben mit anderen bringt, vor ihn hintragen. Auf die Frage „Was sollen wir tun?“ lässt sich im Grunde auf eine einfache und zugleich schwierige Weise wie folgt antworten: Weil wir gar nichts Sensationelles und Spektakuläres in unserem Leben in der Nachfolge Jesu tun müssen, aber an dem Platz, an dem sich Tag für Tag unser Leben abspielt, wir alles versuchen sollten, Gott die Ehre zu geben durch unseren Leib, durch unser Sein, durch unser außergewöhnlich verantwortliches Handeln!

Prof. Dr. Alois Schifferle
Lehrstuhl für Pastoraltheologie
Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt

 


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