Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach, Redaktion: C. Dinkel und I. Karle

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1. Sonntag nach Trinitatis, 18. Juni 2006
Predigt zu Jeremia 23, 16-29, verfasst von Friedrich Schleinzer
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23,16 So spricht der HERR Zebaoth (1) : Hört nicht auf die Worte der Propheten, die euch weissagen! Sie betrügen euch; denn sie verkünden euch Gesichte aus ihrem Herzen und nicht aus dem Mund des HERRN.
23,17 Sie sagen denen, die des HERRN Wort verachten: Es wird euch wohlgehen -, und allen, die nach ihrem verstockten Herzen wandeln, sagen sie: Es wird kein Unheil über euch kommen.
23,18 Denn wer hat im Rat des HERRN gestanden, daß er sein Wort gesehen und gehört hätte ? Wer hat auf sein Wort gelauscht und gehört?
23,19 Siehe, ein Sturmwind des HERRN, sein Grimm, ist hervorgebrochen, ein wirbelnder Sturmwind; auf den Kopf der Gottlosen wirbelt er herab.
23,20 Nicht wendet sich der Zorn des HERRN, bis er getan und bis er ausgeführt hat die Pläne seines Herzens. Am Ende der Tage werdet ihr das voll verstehen.
23,21 Ich habe die Propheten nicht gesandt, und doch sind sie gelaufen. Ich habe nicht zu ihnen geredet, und doch haben sie geweissagt.
23,22 Denn wenn sie in meinem Rat gestanden hätten, so hätten sie meine Worte meinem Volk gepredigt, um es von seinem bösen Wandel und von seinem bösen Tun zu bekehren.
23,23 Bin ich nur ein Gott aus der Nähe, spricht der HERR, und nicht auch ein Gott aus der Ferne ?
23,24 Meinst du, daß sich jemand so heimlich verbergen könne, daß ich ihn nicht sehe? spricht der HERR. Bin ich es nicht, der Himmel und Erde erfüllt? spricht der HERR.
23,25 Ich höre es wohl, was die Propheten reden, die Lüge weissagen in meinem Namen und sprechen: Mir hat geträumt, mir hat geträumt.
23,26 Wie lange noch? Haben die Propheten etwa im Sinn - sie, die Lüge weissagen und Propheten des Truges ihres Herzens sind -,
23,27 und wollen, daß mein Volk meinen Namen vergesse über ihren Träumen, die einer dem andern erzählt, wie auch ihre Väter meinen Namen vergaßen über dem Baal?
23,28 Ein Prophet, der Träume hat, der erzähle Träume; wer aber mein Wort hat, der predige mein Wort recht. Wie reimen sich Stroh und Weizen zusammen? spricht der HERR.
23,29 Ist mein Wort nicht wie ein Feuer, spricht der HERR, und wie ein Hammer, der Felsen zerschmeißt?

Kommentar:

Der Text dürfte nachexilisch sein ( also nach Edikt von Kyros 538 v.Chr.). Die Unterscheidung stellte sich wahrscheinlicherst den Überlebenden der Katastrophe und ihren Nachfahren. (2)

V 16-29 gibt eine „»Psychologie des Prophetseins«“ (3) , eine Beschreibung der Vorgänge im Propheten, seien sie wahre oder falsche. „Das mit der Botenformel eröffnete Mahnwort warnt nicht näher genannte Personen“ (4) , die auf Prophetenworte hören.

Die Epistel weist 6mal das Wort JHWHs, „so spricht der Herr“ ( Spruch des Herrn [EÜ]) auf.

V 16: Wir werden in eine Thronrede JHWHs durch einen Anwesenden hineingenommen. Es geht um eine sehr ernste Angelegenheit. Propheten, falsche wie echte, die sich auf das Wort Gottes berufen bzw. verkünden, sie verachten das Wort Gottes und reden nach ihrem eigenen Herzen. - „’Traumpredigten’ (Luther“ (5) .

V 17: Trotzdem manche das Wort Gottes verachten verkünden (6) sie sicheres Heil ( Schalom) und denen, die nach ihrer Herzenslust leben, kein Unheil ( existentielles) wird euch treffen. – V 17 und 22 enthalten den Maßstab für wahre Rede/Prophetie! (7) ( vgl. Jer 5,12; 13,10; 16,12; 18,12 (8) )

V 18: Verweist auf die Thronrede in V 16. Dort wird verkündet. Davon spricht der Herr, berichtet der Anwesende. – Die Kritik der falschen rede richtet sich auf die Relevanz, die der Prophetie der falschen Propheten fehlt. – egoistische Schwätzer, gewissenlose Politiker; solche die Sand in die Augen streuen, die Umstände schönen um die Menschen in Sicherheit zu wiegen. Menschen Fehlorientierung. ( vgl. Ps 35,7 (9) )

V 19: Der Allmächtige setzt die Naturgewalten, die mächtigste Erfahrung der Menschen, gegen die Frevler ( Gegensatz zum Gerechter (10) ) ein.

V 20: Am Ende der Tage trifft auf das eigene Ende zu. Der Zorn Gottes trifft die, die das Leben verunmöglichen, weil Gott Leben schenkt und dies in Fülle.

V 21f: Nicht ausgesandt : laufen dennoch; nicht zu ihnen gesprochen : trotzdem weissagen sie. Die falschen Propheten werden bloßgestellt. – es ist nur ihre eigene „Betriebsamkeit“ (11) .

Würden sie teilgenommen haben an seinen Ratsversammlungen, dann könnten sie das Volk zur UMKEHR bewegen, schlechten Wegen u. böten Taten. Das Volk geht in die Irre und kehrt nicht um, weil falsche Propheten sie verleiten und besänftigen mit ihrem Geschwätz. Dabei wäre es möglich das Wahre zu erkennen, lieben den Nächsten und halten die Gesetze ( vgl. Joh 13,34f; 14,21 (12) )

V 23: So spricht der Herr, ER ist nahe, jedoch nicht verfügbar bzw. instrumentalisierbar. Ferner sind seine Wege und Gedanken gegenüber unseren und damit auch unserer Liebe. ( vgl. Dtjes 55,8-11 (13) ). (14) Der Herr ist denen nahe, die ihn anrufen und die seinen Willen tun ( Ps 145,18; Ps 34,19; 119,151 (15) ).

V 24 Ein Erklärung des V 23. So spricht der Herr (JHWH) sagt mit Himmel/Erde aus, daß er die Welt/Kosmos ausfüllt und auch gar nichts passieren kann, ohne daß er es weiß; so spricht der Herr. Die Allgegenwart, die schon anfangs mit Zebaoth angesprochen wird, wird hier nochmals erwähnt. – Keiner kann sich verstecken ( vgl. Ps 139,7-12 (16) ). JHWH durchdringt die ganze Schöpfung und im Kol heißt es: alles ist in Christus erschaffen ( vgl. Kol 1,16-20 (17) ).

V 25f: Im Namen JHWHs lügen sie und betrügen durch Selbsterdachtes. (18) Für uns bleibt der Aufruf: „’Prüfet die Geister’!“ (19)

V 27: Die falschen Propheten verkünden nur ihre eigenen Träume.
Wer hingegen JHWHs Wort hat würde Wort Gottes verkünden.
Gottes Wort ist Feuer und die falsche Rede der Propheten ist wie Stroh.

Predigtanregung

Die falschen Propheten haben heute Konjunktur, die verkünden ihre eigenen Träume. Sie verbinden sich zu einem undurchschaubaren Moloch, mit dem Ziel, das eigene Denken und Hinhören der Menschen zu übertönen, damit sie die Gesellschaft zu ihrem Vorteil politisch und ökonomisch manipulieren können, indem sie ihr eine heile Welt vorgaukeln, damit das Geld rollt, das andere anhäufen, während die Zahl der Lazeruse steigt. Jugendliche, Frauen und Männer verlieren unschuldig ihre Arbeit, weil anderswo Menschen in anderen Verhältnissen vom scheinbar guten Lohn betört werden, um über kurz oder lang wieder auf der Straße zu stehen und dann ärmer sind als zuvor, weil anderswo der Raub an der Arbeitskraft von neuem praktiziert wird, denn der Mensch wird nicht mehr als Mensch, sondern nur mehr als Kostenfaktor gesehen. Nur die, die das alles ersinnen, sie haben für sich das gute Leben in Sonderverträgen auf Kosten anderer verbrieft. Es werden Konsumtempel aus dem Boden gestampft, eine Spaß- und Konsumgesellschaft kreiert, der das Heute als Ewigkeit verkauft wird. Traumurlaube verheißen Glück, der Walkman übertönt jede Frage des Herzens, der Animateur hat für den Event zu sorgen, der Mensch darf nicht zur Besinnung kommen. Bei Wellness und Gourmetgenüssen verkapselt sich die einzelne Seele in Selbstzufriedenheit, unfähig die Lazeruse noch wahrzunehmen.

Aber auch auf religiösen Gebiet ist das Wort »Sünde« verpönt, wird psychologisch weggeredet, bis allerorten Unschuld glänzt. Das Wort Gottes wird nur als Wohlfühldroge akzeptiert, Gott zum Softi gemacht, der keinen mehr beunruhigt und sich jeder so in Abrahams Schoß geborgen weiß, weil man ja sein Christentum, den Glauben verbrieft im Taufschein in der Tasche hat.

Die Lesung holt uns aus unserer Träumerei und Selbstgewißheit heraus. Wir sind aufgerufen zu hören, was der allgewaltige Herr uns zu sagen hat. Wir sind an seinen Thron gerufen.

Prophetische Rede ist nur wahr, wenn sie, die Not des anderen zum Inhalt hat und zum Teilen ermuntert, die Barmherzigkeit aufruft, die wir letztlich am Ende unserer Tage für uns vom Herrn erwarten. Die Welt ist nicht da, um es sich gut gehen zu lassen, sondern mit dem anderen zusammen ein lebenswertes Leben zu führen. Kommen wir alleine ans Ziel unserer Tage, haben wir die Lazeruse, die es überall gibt übersehen und so unser Heil verfehlt, weil wir im anderen Christus nicht erkannt haben, da uns das eigene Glück auf Erden wichtiger war. - Das wahre Glück ist untrennbar mit dem Heil verbunden. - Wenn wir andere glücklich machen, indem wir ihre Wunden an Leib und Seele nach Kräften zu heil versuchen, wie der Samariter, dann geben wir Kunde von unserem Glück, das uns trägt. Dies ist der Glaube in der Nachfolge an den Auferstandenen, unseren Herrn, Jesus Christus, der in seinem Leben den Menschen nachgegangen ist und sie heilte an Leib und Seele und so die Liebe des Vaters zu uns Menschen offenbar gemacht hat.

Gotteswort brennt wie Feuer, es macht unruhig meine Seele, es läßt mich suchen den Herrn und sein Wort leben, das Liebe ist, womit ich für andere das Reich Gottes erfahrbar mache. - Diese Liebe ist Ausweis unseres Glaubens. - Die Welt wird uns erkennen als Christin und Christ und nur dann bleiben wir der Stachel im Fleisch der falschen Propheten, weil die wahre Liebe den/die andere(n) sucht und nicht ruht, bis er/sie glücklich ist, womit wir die Welt zum Guten verändert haben, weil wir Gott durch uns wirken haben lassen. Die Selbstsucht nach dem eigenen Glück versperrt nicht nur das eigene Heil, sondern macht uns schuldig am anderen. Gelebte Liebe im Glauben läßt uns keinen Mangel an einem Gut haben, weil wir in der Liebe mit Christus verbunden sind. – Gott allein genügt. – Dann dürfen wir im Glauben hoffen, daß wir am Ende der Tage in Christus geborgen sind, weil wir heute schon mit Christus leben.

(1) Stärke und Machtfülle kommt in diesem militärischen Ausdruck zur Geltung. „Der Allgewaltige“!; vgl. Reiterer, F. V., Stubhann, M. (Hg.), Die Bibel von A-Z. Das aktuelle Lexikon zur Bibel, Augsburg 1985, 779.

(2) Werner, Wolfgang, Das Buch Jeremia. Kapitel 1-25 (SKK.AT 19/1), Stuttgart 1997, 204.

(3) Schneider, D., Der Prophet Jeremia (WStB), Wuppertal 1977, 165.

(4)Wanke, Gunther, Jeremia 1. Jeremia 1,1-25,14 (ZBK), Zürich 1995, 213.

(5)Lamparter, Helmut, Prophet wider Willen. Der Prophet Jeremia (BAT 20), Stuttgart 1964, 213.

(6)Das hier stehende Partizip gibt Dauer an. Beständig falsche Prophetie!; vgl. Fischer, Georg, Jeremia 1-25 (HThKAT), Freiburg/Basel/Wien, 695.

(7)Vgl. Wanke, 214.

(8)[EÜ] Jer 5,12 „Sie haben den Herrn verleugnet und gesagt: Er ist ein Nichts! Kein Unheil kommt über uns, weder Schwert noch Hunger werden wir spüren.“ ... 13,10 „Dieses böse Volk weigert sich, auf meine Worte zu hören, es folgt dem Trieb seines Herzens und läuft anderen Göttern nach, um ihnen zu dienen und sie anzubeten; es soll daher wie dieser Gürtel werden, der zu nichts mehr zu gebrauchen ist.“ ... 16:12 „Ihr selbst aber habt es noch schlimmer getrieben als eure Väter. Seht, jeder von euch folgt dem Trieb seines bösen Herzens, ohne auf mich zu hören.“ ... 18,12 „Aber sie werden sagen: Vergebliche Mühe! Wir wollen unseren eigenen Plänen folgen, und jeder von uns will nach dem Trieb seines bösen Herzens handeln.“

(9) [EÜ] Ps 35,7 „Denn sie haben mir ohne Grund ein Netz gelegt, mir ohne Grund eine Grube gegraben.“

(10) Bewußte Empörung gegen Gott und sein Gesetz, was zur Folge hat, daß Leben verunmöglicht wird. Frevler sind auch die, welche von Gott abfallen. Wer glaubt wird den Willen des Vaters tun. Gutes tun ist ein Indiz für Gläubige.

(11) Weiser, 206.

(12) Joh 13,34f „ 34 Ein neues Gebot gebe ich euch: Liebt einander! Wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben. 35 Daran werden alle erkennen, daß ihr meine Jünger seid: wenn ihr einander liebt.“ ... 14,21 „Wer meine Gebote hat und sie hält, der ist es, der mich liebt; wer mich aber liebt, wird von meinem Vater geliebt werden und auch ich werde ihn lieben und mich ihm offenbaren.

(13) [EÜ] Dtjes 55,8 „ 8 Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken, und eure Wege sind nicht meine Wege - Spruch des Herrn. 9 So hoch der Himmel über der Erde ist, so hoch erhaben sind meine Wege über eure Wege und meine Gedanken über eure Gedanken. 10 Denn wie der Regen und der Schnee vom Himmel fällt und nicht dorthin zurückkehrt, sondern die Erde tränkt und sie zum Keimen und Sprossen bringt, wie er dem Sämann Samen gibt und Brot zum Essen, 11 so ist es auch mit dem Wort, das meinen Mund verläßt: Es kehrt nicht leer zu mir zurück, sondern bewirkt, was ich will, und erreicht all das, wozu ich es ausgesandt habe.

(14) Nahe und ferne sind atl auch Worte, die zeitliche Dimensionen beschreiben; vgl. Wanke, 215.

(15) [EÜ] Pss 34,19 „Nahe ist der Herr den zerbrochenen Herzen, er hilft denen auf, die zerknirscht sind.“ ... 119,151 „Doch du bist nahe, Herr, und alle deine Gebote sind Wahrheit.“ ... 145,18 „Der Herr ist allen, die ihn anrufen, nahe, allen, die zu ihm aufrichtig rufen.“

(16) „Huldigung an den Allwissenden“ [EÜ] Ps 139 „ 7 Wohin könnte ich fliehen vor deinem Geist, wohin mich vor deinem Angesicht flüchten? 8 Steige ich hinauf in den Himmel, so bist du dort; bette ich mich in der Unterwelt, bist du zugegen. 9 Nehme ich die Flügel des Morgenrots und lasse mich nieder am äußersten Meer, 10 auch dort wird deine Hand mich ergreifen und deine Rechte mich fassen. 11 Würde ich sagen: «Finsternis soll mich bedecken, / statt Licht soll Nacht mich umgeben», 12 auch die Finsternis wäre für dich nicht finster, die Nacht würde leuchten wie der Tag, die Finsternis wäre wie Licht.“

(17) [EÜ] Kol 1,16-20 „ 16 Denn in ihm wurde alles erschaffen im Himmel und auf Erden, das Sichtbare und das Unsichtbare, Throne und Herrschaften, Mächte und Gewalten; alles ist durch ihn und auf ihn hin geschaffen. 17 Er ist vor aller Schöpfung, in ihm hat alles Bestand. 18 Er ist das Haupt des Leibes, der Leib aber ist die Kirche. Er ist der Ursprung, der Erstgeborene der Toten; so hat er in allem den Vorrang. 19 Denn Gott wollte mit seiner ganzen Fülle in ihm wohnen, 20 um durch ihn alles zu versöhnen. Alles im Himmel und auf Erden wollte er zu Christus führen, der Friede gestiftet hat am Kreuz durch sein Blut.“

(18) Dagegen sagt Paulus von sich: [EÜ] 1 Kor 2,9f „ 9 Nein, wir verkündigen, wie es in der Schrift heißt, was kein Auge gesehen und kein Ohr gehört hat, was keinem Menschen in den Sinn gekommen ist: das Große, das Gott denen bereitet hat, die ihn lieben. 10 Denn uns hat es Gott enthüllt durch den Geist. Der Geist ergründet nämlich alles, auch die Tiefen Gottes.“

(19) Weiser, Artur, Das Buch Jeremia (ATD 20/21), Göttingen 51966, 205.

 

Univ.-Prof. Dr. Friedrich Schleinzer
Salzburg
Friedrich.Schleinzer@sbg.ac.at

 


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