Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach, Redaktion: C. Dinkel und I. Karle

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Pfingstmontag, 5. Juni 2006
Predigt zu Epheser 4, 11-16, verfasst von Rolf Dabelstein
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)


Christus hat einige als Apostel eingesetzt, andere als Propheten, einige als Evangelisten, andere als Hirten und Lehrer, (12) damit die Mitglieder der Gemeinde (1) befähigt werden zur Ausübung ihres Dienstes.
Der Leib Christi wird dadurch erbaut, (13) dass wir alle miteinander die Einheit des Glaubens erreichen und zur Erkenntnis des Sohnes Gottes (gelangen), zur vollen Reife, (2) erfüllt mit dem ganzen Reichtum Christi. (3) (14) Denn wir sollen nicht länger unmündige Kinder bleiben, ein Spiel der Wellen, von jedem Wind einer Lehre hin- und her geworfen, der Willkür der Men schen ausgesetzt und ihren heimtückischen Täuschungsmanövern.
(15) Lasst uns aber wahrhaftig sein in der Liebe und in allen Dingen hinwachsen zu Christus. Er ist das Haupt. (16) Durch seine Kraft wird der ganze Leib zusammengefügt und gefestigt in seinen Gliedern und Gelenken. In dem jedes Teil seine Fähigkeiten einsetzt, wächst der Leib zusammen und wird in der Liebe aufgebaut.


Liebe Gemeinde,

Wir feiern den Geburtstag unserer Kirche, - nun schon den zweiten Tag: Pfingstmontag. Jung und lebendig ist sie geblieben, auch wenn sie manche Runzeln und Falten zieren. Sie hat ihre Anziehungskraft behalten über die 2000 Jahre hin, denn Menschen haben in ihr immer wieder Halt und Heimat gefunden und Begleitung in wichtigen Stationen ihres Lebens.
Wodurch bleibt unsere Kirche lebendig? Wodurch wächst sie?
Durch Menschen, die sich in ihr engagieren und in ihr arbeiten und durch die Gaben und Fähigkeiten, die jede und jeder Einzelne mitbringt und einsetzt:
die Frau, die sich im Besuchsdienst engagiert,
der Mann, der den Mittagstisch für Obdachlose und Bedürftige organisiert,
das Mädchen , die die Jungschar leitet,
die Mutter, die Konfirmandenfreizeiten begleitet,
die Oma, die im Kindergarten vorliest,
der Gitarrist, der in der Band bei den Konfirmationen mitspielt,
der Rentner, der das Bauwesen der Gemeinde in die Hand nimmt.
Er hat sein Leben lang in dieser Branche gearbeitet.
Die Erzieherin, die im Kirchenvorstand mitarbeitet.
Sie alle und viele andere engagieren sich auf ihre Weise.

Die Lebendigkeit der Kirche und ihr Wachstum lassen sich nun aber nicht an Statistiken ablesen oder an Erfolgsziffern demonstrieren. Die Kirche ist nicht in der Welt, um Profit zu machen oder um ihre Produkte mit hohem Gewinn zu verkaufen. Ihr Wachstum kann und darf nicht in blendenden Bilanzen gemessen werden. Denn ihr Leben und ihr Wachsen ist ein geistlicher Vorgang. Er vollzieht sich oft genug in unscheinbaren Lebensprozessen. Aber er geschieht. Er geschieht aus der göttlichen Kraft, die in ihr wirksam ist. Denn nicht Menschen haben die Kirche gemacht. Der Heilige Geist hat sie ins Leben gerufen. Er schenkt ihr Lebendigkeit und Ausstrahlung, Zusammenhalt sowie inneres und äußeres Wachstum.

Blicken wir zurück auf die Anfänge unserer Kirche: Nach Ostern hatten sich die Christen in Jerusalem ängstlich verkrochen, aus Furcht, man könne auch sie wie ihren Herrn festnehmen. Doch dann ist an Pfingsten der Heilige Geist über sie gekommen. Er hat sie mit seiner Energie erfüllt, sie von ihrer Furcht befreit und ihnen neuen Glauben geschenkt. Die Jüngerinnen und Jünger haben sich nun wieder ganz für die Sache Jesu eingesetzt und das Evangelium in alle Welt hinaus getragen. Dem Geist und seiner unverwüstlichen Kraft ist es zu verdanken, dass die Kirche damals entstand. Durch seine Gegenwart ist sie immer noch lebendig.

Der Heilige Geist tritt selbst nicht in Erscheinung. Daher können wir uns ihn nur schwer vorstellen. Doch an seinen Wirkungen ist er zu erkennen: Wir erleben ihn dort, wo wir beten, Gottesdienste feiern, uns die Hand zur Versöhnung reichen oder wo wir einander Gutes tun, sei es am Krankenbett, sei es im Kindergarten. Der Heilige Geist wirkt vor allem dort, wo wir glauben und wo wir uns mit Christus verbunden wissen zu einer großen Lebensgemeinschaft. Darum heißt die Kirche auch Gemeinde Jesu Christi oder Leib Christi.

Weil die Kirche eine so lebendige Gemeinschaft bildet, vergleicht die Bibel sie gern mit einem Körper. Sie drückt damit aus: So wie der Körper aus vielen Gliedern besteht, aus Augen, Gelenken, Füßen und Ohren, so gehören zur Kirche auch ganz verschiedene Menschen. So wie die Glieder und Gelenke eines Körpers einander brauchen, damit der Köper leben und wachsen kann, so sind auch wir auf einander angewiesen. So wie in unserem Körper jedes Glied seinen Platz und seine Aufgabe hat – so lebt die Kirche davon, dass sich Menschen in ihr mit dem engagieren, was sie können.

Daher sollen die Einzelnen geachtet werden mit ihren Stärken und Schwächen, jede und jeder mit seiner Person ganz ernst genommen. Eine Lebensgemeinschaft, in der die eine die Schwächen des anderen ausgleicht. Wo es einem gut geht, freuen sich die anderen mit. Wenn einer Kummer hat, trösten ihn die anderen. So lebt die Gemeinde Jesu Christi im Sinne ihres Herrn und in der Verbundenheit mit ihm. „Lasst uns in allen Dingen hinwachsen zu Christus. Er ist das Haupt.“ So beschreibt unser Predigttext das Ziel, auf das hin wir uns ausrichten und wachsen sollen. „Lasst uns in allen Dingen hinwachsen zu Christus. Er ist das Haupt.“

Dieses Wachsen betrifft – wie beim Menschen auch – die äußere Gestalt. Doch gefragt ist nicht imponierende Stärke oder ein Körper nach Idealmaßen. Es geht um den Zusammenhalt und um das gemeinsame Leben und Erleben aller. Einheit ist das Ziel. So hat es Jesus gewollt. Diese Einheit geht verloren, wenn die gemeinsame Grundlage verschwimmt oder wenn Gruppen ihre Interessen mit aller Gewalt durchsetzen wollen. Wo die Einheit zerbricht, leidet die Sache Jesu. Denn Menschen verlieren ihr Zuhause, und kehren der Kirche den Rücken zu.

Daher die Mahnung: „Lasst uns in allen Dingen hinwachsen zu Christus. Er ist unser Haupt.“ - und unser Vorbild. An ihm haben wir uns auszurichten für die äußere Gestalt unsere Kirche, die Einheit, und für unser Verhalten untereinander.

Daher kommt es nicht nur darauf an, welcher Geist uns inspiriert und bewegt. Entscheidend ist auch, in welchem Geist wir miteinander umgehen. Wichtig ist vor allem, in welchem Geist wir denen begegnen, die Kontakt zu unserer Kirche suchen, und wie wir auf die Menschen zugehen, die wir für die Sache Jesu gewinnen wollen. „Lasst uns aber wahrhaftig sein in der Liebe!” so rät uns der Predigttext. Die Wahrheit will bezeugt und die Liebe weitergegeben sein in der Lebensgemeinschaft Kirche. Wer die Wahrheit des Evangeliums vertreten will, kann das nicht mit unlauteren Mitteln tun oder mit verführerischen Methoden. Wahrheit und Liebe gehören zusammen. Wenn beide sich im Leben von Christen auswirken und das Miteinander bestimmen, wird dieser Geist auch nach außen ausstrahlen.

In dem wir uns so an Christus orientieren und uns von ihm her bestimmen lassen, wird auch unser inneres Wachstum durch ihn geprägt sein, das des Einzelnen wie das der Gemeinde. Unser Predigttext nennt dies „Reife“.

Wir sollen zur „vollen Reife“ gelangen. Zu dieser geistlichen Entwicklung gehört vor allem die Gewissheit im Glaubens und Standfestigkeit. So werden wir uns nicht von den Tagesmeinungen irritieren lassen oder uns den schnelllebigen Trends unserer Zeit ausliefern. Wir werden nicht von den Wellen hin und her getrieben werden wie ein kleines seeuntüchtiges Schiff, ohne Kurs halten zu können oder ohne selbst die Richtung unserer Fahrt zu bestimmen.

Zur Reife gelangen, auf Christus hin wachsen - das ist wie alles Leben ein Prozess. Er hält uns und unsere Kirche lebendig. Wo wir so mit Christus verbunden bleiben und uns von seinem Geist inspirieren und leiten lassen, wird unser Glaube an Tiefe und Reichtum gewinnen. „Lasst uns hinwachsen hin zu Christus, er ist unser Haupt. Durch seine Kraft“ - so fährt unser Predigtext fort - „ wird der ganze Leib zusammengefügt und gefestigt in seinen Gliedern und Gelenken. In dem jedes Teil seine Fähigkeiten einsetzt, wächst der Leib zusammen und wird in der Liebe aufgebaut.“

Wenn wir das Heranwachsen eines Menschen begleiten, achten wir immer auch darauf, welche Begabungen sich in ihm oder in ihr zeigen. Sie sollen ans Licht gehoben und ausgebildet werden. Wer handwerklich begabt ist, mag eine Tischlerlehre beginnen. Wer gern mit Menschen zu tun hat, möchte Kindergärtnerin werden oder Lehrer. Wer gerne schreibt, wird sich zum Journalisten ausbilden lassen. Ebenso soll es auch in der Kirche sein. Wir werden darauf achten, welche Fähigkeiten die Menschen mitbringen, die zu uns gehören oder gehören wollen. Unsere Kirche und unsere Gemeinde bleiben dadurch lebendig, dass sich Menschen in ihr engagieren und dass jede und jeder Einzelne die Gaben und Fähigkeiten einsetzen kann, die Gott ihnen gegeben hat. „Besteht der Leib Christi wirklich nur aus einem großen Mund und vielen kleinen Ohren?“ so hat neulich jemand in Bezug auf einen Gottesdienst gefragt. - Es war nicht in unserer Gemeinde. - Gerade an dem zweiten Tag einer Geburtstagsfeier haben wir einmal mehr die Chance, einander deutlicher wahrzunehmen und herauszufinden: Womit kann sich jeder und jeder Einzelnen engagieren und damit zum Leben und Wachsen unserer Kirche beitragen. Wenn wir uns auch hier von Christus und seinem Geist leiten lassen, werden viele Entdeckungen machen.

Amen.

Anmerkungen:
(1) für: »die Heiligen «
(2) »zum vollendeten Mann «
(3) »zum Vollmaß der Fülle Christi «

Pastor Dr. Rolf Dabelstein
Rümpeler Weg 17
23843 Bad Oldesloe
Tel 04531-82251
e-mail: Dr.Dabelstein@gmx.de


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