Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach, Redaktion: C. Dinkel und I. Karle

Spenden Sie dem Förderverein Göttinger Predigten im Internet e.V.
für die Fortführung seiner Arbeit!

Pfingstsonntag, 4. Juni 2006
Predigt zu 1. Korinther 2, 12-16, verfasst von Christine Hubka
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)


Vorbemerkung:
In der Evang. Pauluskirche ist es seit Jahren Tradition, dass der Gottesdienst zu Pfingsten von Gemeindemitgliedern ausländischer Herkunft mitgestaltet wird: Die Lesungen werden in verschiedenen Sprachen (heuer sind es finnisch, japanisch, kroatisch und spanisch) gelesen, die Fürbitten – als Friedensgebet gestaltet – in diesen Sprachen gesprochen.

"Wir haben nicht empfangen den Geist der Welt, sondern den Geist aus Gott, dass wir wissen können, was uns von Gott geschenkt ist. Und davon reden wir auch nicht mit Worten, wie sie menschliche Weisheit lehren kann, sondern mit Worten, die der Geist lehrt, und deuten geistliche Dinge für geistliche Menschen. Der natürliche Mensch aber vernimmt nichts vom Geist Gottes; es ist ihm eine Torheit, und er kann es nicht erkennen; denn es muss geistlich beurteilt werden. Der geistliche Mensch aber beurteilt alles und wird doch selber von niemandem beurteilt. Denn „wer hat des Herrn Sinn erkannt, oder wer will ihn unterweisen“. Wir aber haben Christi Sinn." 1. Kor. 2, 12 - 16

Der Hl. Geist ist ein gefährliches Thema:
Wer sich auf ihn beruft,
hat auf jeden Fall das letzte Wort.
Denn es gibt kein Argument gegen den Satz:
Wir haben nicht empfangen den Geist der Welt, sondern den Geist aus Gott.
Es gibt kein Argument,
wenn jemand etwas „aus geistlichen Gründen“
tut oder nicht tut.

Denn: Was soll man dem entgegnen,
der erklärt:
Meine Meinung, meine Sicht der Dinge,
hat mit Gottes Geist zu tun.
Auf ihn berufe ich mich jetzt.

Was ist denn eigentlich „geistlich“.
Oder wie kann man sagen,
hier ist der Hl. Geist am Werk?

Bevor ich versuche, eine positive Antwort zu finden,
muss ich eine Abgrenzung vornehmen:

Der Hl. Geist –
so kann man sagen –
ist eine gefährliche Waffe.
Er ist – so, wie Gottes Name auch –
immer auch in Gefahr,
missbräuchlich eingesetzt zu werden.
Wenn einer sich auf Gottes Geist beruft,
scheint mir Vorsicht angebracht zu sein.

In meiner Bibel steht
als zusammenfassende Inhaltsangabe
über den Anfang des 1. Korintherbriefes:
Spaltungen und Missstände.

Was auch immer von Paulus
hier über Gottes Geist gesagt wird,
ist also im Zusammenhang mit einer Auseinandersetzung gesagt.
Wir werden wachsam sein müssen:

Denn Gottes Geist ist kein Vogerl,
das man in den Käfig sperrt.
Und bei Bedarf hält man dann diesen Käfig
über das Haupt des Widersachers,
damit das Vogerl auf Kommando
den anderen anpatzt.

Gottes Geist ist kein Kampfargument
in Auseinandersetzungen.
Weder zwischen einzelnen
und auch nicht zwischen Gruppen.

Paulus teilt hier aber die Menschen
in zwei Gruppen:
Die geistlichen Menschen
und die natürlichen Menschen.

Ich kann diese Zweiteilung nicht bestätigen.
Meine Erfahrung ist anders:
Auch geistliche Menschen
haben sehr natürliche Impulse
und geben ihnen mitunter auch nach.
Auch geistliche Menschen können dahin kommen,
dass ihnen das Geistliche davon fliegt
und sie sehr natürlich reagieren.

Und ich kenne Menschen,
die mit Paulus eher einzuordnen wären
unter „natürliche“ Menschen,
die sich in extremen und kritischen Situationen
einfach wohltuend verhalten
und den geistlichen Maßstäben,
die Paulus hier wohl im Sinn hat,
durchaus entsprechen.
Sie selber würden dies aber nie so sehen
und von sich auch nicht sagen:
ich bin ein geistlicher Mensch.

Wie gesagt:
Im Hintergrund dieses Abschnittes steht ein Konflikt
zwischen Paulus und einigen Leuten
in der Gemeinde in Korinth.
In einem Konflikt stoßen
Anschauungen und Meinungen aufeinander.

Hinter jedem Konflikt stehen wohl auch immer
ganz persönlichen Erfahrungen und Verletzungen.
Dahinter stehen auch immer
Vorstellungen und Ängste,
was passieren wird, wenn …

Nehmen wir nur als Beispiel –
weil heute Pfingsten ist – die Frage,
wie Menschen mit einer anderen Familiensprache als deutsch hier in Österreich leben sollen.

Es gab Zeiten, wo man gesagt hat:
Die Kinder solcher Familien dürfen in der Schule
nur deutsch sprechen.
Deutsch, deutsch und wieder deutsch.
Ein Kind, das in der Pause zu einem anderen Kind
etwas in türkischer Sprache gesagt hat,
wurde bestraft.

Inzwischen gibt es in den Schulen
Den sog. „muttersprachlichen Unterricht“.
Die Herkunftssprache des Kindes wird gewürdigt
und in ihrem Wert für die Entwicklung der Persönlichkeit gesehen.
Die Notwendigkeit deutsch zu lernen und zu sprechen wird dadurch nicht gefährdet
und auch nicht in Frage gestellt.

Es geht also in diesem Beispiel,
wie in jedem Konflikt, ums beurteilen.

Paulus schreibt dazu:

Der geistliche Mensch aber beurteilt alles und wird doch selber von niemandem beurteilt.

Ich versuche jetzt meine Abneigung gegen diese Sicht zu überwinden,
diesen Satz nicht gleich als „unerträglich“ zu beurteilen, sondern ihn im Zusammenhang mit Pfingsten zu sehen.

Ich will es als Frage formulieren,
weil ich im Zusammenhang mit dem Hl. Geist,
meine, dass nur Fragen,
nicht Behauptungen, angemessen sind:

Kann es sein, dass Menschen,
in Momenten, wo sie offen sind für Gott,
Probleme und Fragen auch mit einer Offenheit sehen und daher originelle, kreative – einfach neue und erfrischend Gedanken dazu haben?
Die dann eben anders zu beurteilen sind,
als herkömmliche Gedanken?

Ein Beispiel aus der Bibel:
Damals in Jerusalem –
sind so viele neu zur Gemeinde dazugekommen:

Menschen mit ganz unterschiedlichem kulturellem Hintergrund,
Menschen mit ganz verschiedenen Sprachen,
Männer, Frauen, Sklaven, Sklavenhalter.
Da hat keiner geschrieen und gesagt:
Wir werden überfremdet durch die vielen Ausländer.
Da hat keiner den Einwand gehabt:
Wir werden gesellschaftlich unmöglich sein,
wenn Männer und Frauen an einem Tisch gemeinsam Abendmahl feiern.
Niemand von den Sklavenhaltern hat befürchtet:
Wir werden uns lächerlich machen vor unsern Kollegen, wenn wir mit unseren Sklaven zusammen den Gottesdienst feiern und das Brot brechen.

Sie haben sich gefreut,
über die vielen aus den verschiedenen Ländern und Kulturen, die dazu gekommen sind zur Gemeinde.
Sie haben es als Geschenk gesehen:
Wir haben nicht empfangen den Geist der Welt, sondern den Geist aus Gott, dass wir wissen können, was uns von Gott geschenkt ist.

Wenn wir in der Apostelgeschichte weiter lesen,
dann hat eben dieses Geschenk später
zu Konflikten geführt.

Weil die verschiedenen Nationalitäten mit Misstrauen geschaut haben, ob nicht die eine der anderen vorgezogen wird.
Und tatsächlich sind damals auch Unachtsamkeiten und Ungerechtigkeiten passiert.

Als das zu einem heftigen Konflikt geführt hat,
wurden Lösungen gesucht:
Das Amt des Diakons wurde erfunden …
Dieses Amt hat sich in der Geschichte der Kirchen bewährt, und ist ein Segen bis heute,
für viele Arme und für Menschen am Rand der Gesellschaft. Auch in unserer Kirche.
Aus dem Konflikt ist also letztlich Segen für die Gemeinde geworden:
Wir haben nicht empfangen den Geist der Welt, sondern den Geist aus Gott, dass wir wissen können, was uns von Gott geschenkt ist.

So kehre ich zum Schluss noch einmal zurück
Zur Frage des Anfangs:

Was ist denn eigentlich „geistlich“.
Oder wie kann man sagen,
hier ist der Hl. Geist am Werk?

Ich sehe für mich folgende Antwort:
Dort, wo aus einer Sache,
die durchaus unerfreulich ist,
die sich niemand gewünscht hat,
am Ende etwas Gutes herauskommt,
da hat wohl Gottes Geist seinen Teil dazu beigetragen.
Und wenn dann am Ende wir fähig sind,
in all den Schwierigkeiten und Unannehmlichkeiten
auch das Geschenk zu sehen,
das Gott uns hier mittendrin gemacht hat,
dann ist das wohl eine geistliche Beurteilung
der Dinge.

Das aber kann man weder fordern
Noch sich selber vornehmen.
Das bleibt wohl immer unverfügbar.
Ein Geschenk, das wir immer wieder neu empfangen von Gott.
Und dafür sei Gott Lob und Preis in Ewigkeit.

Dr. Christine Hubka, evang. Pfarrerin
1030 Wien,
Sebastianplatz 4

christine.hubka@gmx.at


(zurück zum Seitenanfang)