Göttinger Predigten im Internet
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Christi Himmelfahrt, 25. Mai 2006
Predigt zu Psalm 139, verfasst von Joachim Ringleben
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Psalm 139: Gott entdecken
Predigt am Himmelfahrtstage im Kloster Bursfelde

Liebe Gemeinde!

Dieser großartige Psalm und wir: welch eine Spannung! Bei uns: die Sprachnot mit dem Wort „Gott“, und hier: die Fülle der Gotteserfahrung. Wo uns das größte Wort unserer Sprache schnell verstummen lässt, da wird es für den Beter des Psalms zu einer sprachlichen Produktivkraft.

Der 139. Psalm ist ein Entdeckungszusammenhang für das Geheimnis, das uns im Wort „Gott“ begegnet. Was hier zur Sprache gefunden hat, hat seinesgleichen kaum in der ganzen Bibel. Auf einzigartige Weise ist ins Wort gefasst, wer Gott ist, und zugleich: wer denn wir selber sind.

Diese hohe Sprachschule des Glaubens, sie ist zugleich eine Schule des Betens. Indem er im Gebet zu ihm redet, entdeckt der Psalmist Gott, und auch wir wollen etwas Ähnliches tun, indem wir uns hineinholen lassen, nachdenkend, meditierend, betend, in diese unvergleichliche Sprache der Bibel, in die sich schon viele Menschengeschlechter hineingebetet haben. Wir nehmen uns dafür jetzt Zeit.

Der Psalm bewegt sich in den weiten Räumen des Gottesnamens; so gelangt er an die Grenzen des irdischen Raums, der erfahrbaren Welt, des Äußeren überhaupt, aber auch an die Grenzen des menschlichen Innern, indem er die Weiten und Tiefen der Seele durchmisst.

Auf diese Entdeckungsreise lassen wir uns mitnehmen. Vielleicht gelingt es, dem weißen Fleck im religiösen Bewusstsein näher zu kommen und Gott im Psalmwort zu entdecken: wie ein weites Land, einen unsichtbaren, aber hörend zu erfahrenden Kontinent. Im Glauben ist ohnehin jeder sein eigener Kolumbus.

I

„Herr, du erforschest mich und kennst mich“ (1).

Gott entdecken – das klingt nach einer schwierigen langwierigen Suche, mit unsicherem Ausgang. Aber der Beter des Psalms ist kein ungewiss-skeptischer Gottsucher, sondern von der ersten Silbe an, in der Anrede seines Gebetes, ist Gott da: „Herr“. Wäre er sonst auch Gott? Mit einem Schlage findet er Gott – und findet sich selber vor Gott: „du erforschst mich und kennst mich“. Er findet sich als einen vor, den Gott schon längst gefunden hat. Er entdeckt Gott als den, der ihm so nahe ist, dass umständliches Suchen nicht mehr nötig ist: wenn man sich darauf einlässt, sich selber im Lichte von Gottes Suche nach uns zu begreifen, dann kann man Gott erfahren – und nur so.

Nur dieser eine Schritt vor die Tür der engen Horizonte des Selbstverständlichen, nur diese Umkehrung des Blickes auf uns selbst, und wir entdecken Gott. Wir werden gesehen, er hat uns im Auge; wir sind nicht die Mitte, nicht einmal unserer kleinen Welt, nicht einmal die Mitte unserer selbst. Gott entdecken, das artikuliert dieser Psalm, bedeutet, dass er uns immer schon zuvorgekommen ist, bedeutet zu entdecken, dass wir immer schon vor seinem Angesicht „leben, weben und sind“ (Act 17,28), bedeutet einzuüben, dass wir einen Herrn haben.

Aber jetzt fängt die Geschichte der Entdeckung Gottes erst richtig an. Gott schon zu kennen heißt immer, ihn doch erst kennen zu lernen. Der ganze restliche Psalm formuliert nur die weiteren Entdeckungen aus, die man dabei macht. Er ist der Weg, sich von Gott entdecken zu lassen. In dem Maße, in dem der Psalmist sich über Gott klarer wird, wird er es auch über sich selbst. In Gottes Nähe kommt er sich selber nahe. „Erforsche mich, Gott, und erfahre mein Herz; prüfe mich und erfahre, wie ich’s meine“ (23). Er will sich vom göttlichen Blick durchleuchten lassen, um über sich aufgeklärt zu werden. Wir sind uns meist für uns selber so dunkel, weil wir uns zu nahe sind, eine terra incognita. Aber wo „Es“ war, soll „Ich“ werden. Die Entdeckungsreise dieses Psalms ist eine Reise ins innere Afrika. Wenn wir auf ihr mitgehen und je mehr wir über Gott und seine Gegenwart erfahren, desto mehr erfahren wir über uns selbst – von Gott aus. Im weiten Sprachraum des Psalms gibt sich eine unausdenkliche und unerschöpfliche Nähe zu entdecken.

II

„Von allen Seiten umgibst du mich und hältst deine Hand über mir“ (5).

Die Nähe Gottes bedeutet Geborgenheit in seiner umgreifenden Gegenwart, einen Schutz und eine Zuflucht in einem Unsichtbaren, das doch wirklicher ist als alle sichtbare Wirklichkeit. Was einem auch von außen und von welcher Seite auch immer zustoßen mag: Gott ist uns immer noch näher; seine bergende Macht hält uns in aller Bedrängnis, macht uns frei, wo uns die Luft zum Atmen fehlt, und aus seiner Hand kann niemand herausfallen. Es gibt keinen Ort und keine Lage, über die er nicht der Herr bleibt. Wie der Raum überall um uns ist und wir in ihm, so ist es Gott auch, denn auch der Raum ist nur sein „Sensorium“, Medium seiner unfasslichen Präsenz. „Von allen Seiten“, das gilt nicht nur von jedem Aufenthalte, den wir haben, und nicht nur von jedem Weg, den wir gehen, es gilt gleichermaßen von unseren inneren „Räumen“: auch hier ist er da – mit seiner unaussagbaren Nähe bei uns.

Das wird zuerst an unserem Lebensraum veranschaulicht. „Ich sitze oder stehe auf, so weißt du es; ich gehe oder liege, so bist du um mich und siehst alle meine Wege“ (2f).

Ob wir passiv nur sitzen oder daliegen; ob wir zielgerichtet aufstehen und irgendwo hingehen, auf etwas losgehen; ob wir vom nächtlichen Liegen aufstehen oder nach festem Stillsitzen uns in Bewegung machen; ob wir verharren oder voranschreiten, uns ausruhen oder in Arbeit stürzen – all diese Zustände und Tätigkeiten, Ruhe und Veränderung, Innehalten und auf etwas Neues zugehen, unser Lebensraum, worin sich dies abspielt, die vertraute Umwelt und unsere Orientierung darin, alles dieses ist zugleich der Raum eines Anderen, ist die Weise, wie Gott dabei, bei uns ist. Das erstreckt sich auch auf die Absichten und Ziele, die wir – verschwiegen oder offen – verfolgen, ja selbst auf die uns selber unbekannten Intentionen unseres Verhaltens und Tuns; denn: „du verstehst meine Gedanken von ferne“ (2b).

Keinen Atemzug können wir tun, ohne dass Gottes schaffendes Leben uns trägt und umgibt. Wie Goethe wusste: „Im Atemholen sind zweierlei Gnaden: die Luft einziehen, sich ihrer entladen ...“. Darum ist Gott auch bei unserem Sprechenkönnen dabei: „Denn siehe, es ist kein Wort auf meiner Zunge, dass du, Herr, nicht alles wissest“ (4). In seiner geistigen Gegenwart reden wir und haben wir überhaupt die Möglichkeit zu sprechen. Weil das Wort schon im Anfang bei Gott war und er mit seinem Wort alles und auch unsere Worte begleitet (Joh 1,1 u. 3), ist Gott unserem Sprechen besonders nahe. In der Sprache „leben, weben und sind wir“ (Act 17,28) – wie im lebendigen Gott selber. Das gilt in gesteigertem Sinn von allem, was wir zu Gott sagen, d.h. vom Beten – dem des Psalmisten hier und unserem eigenen Beten. Denn Gott selber ist in unserem Gebet mit seinem Geiste anwesend (Röm 8,26), und der himmlische Vater „weiß, was wir nötig haben, noch bevor wir ihn bitten“ (Mt 6,8b).

III

Liebe Gemeinde, da mag man schon sagen: „Solche Erkenntnis ist mir zu wunderbar und zu hoch; ich kann sie nicht begreifen“ (6). Der Beter des Psalms weiß selber, dass man die Unentrinnlichkeit der göttlichen Gegenwart nicht ausdenken kann. Immerhin können wir noch sagen, warum das so ist. Gottes Nähe ist unbegreiflich, weil er mir näher ist als ich mir selber, mir innerlicher als mein Innerstes (Augustin).

Ich mag mir selber so nah sein, wie ich will; immer ist da noch eine Distanz, die ich zu mir habe, und sie ist unüberwindlich. Keiner hat sich selber im Besitz oder ist sich völlig durchsichtig. Immer entgeht uns etwas von uns. Gott ist da noch anwesend: im kleinsten Zwischenraum zwischen Mir und meinem Ich, zwischen mir und mir selber. Auch dass ich mir für mich selber irgendwie vertraut bin, hat noch etwas Dunkles an sich; denn wer kennt sich ganz und bis ins letzte? Aber für Gott gilt: „Denn auch Finsternis ist nicht finster bei dir“ (12a); mit dem Licht seiner geistigen Gegenwart durchdringt er auch das an mir, was in meinem Selbst mir selber undurchdringlich bleibt.

So kann ich mich nicht in mein Inneres zurückziehen, um Gottes Nähe zu entgehen. Sie hat etwas Unentrinnliches. Daher kann sie einem wohl auch Angst machen. Der Psalm spricht diesen Fluchtimpuls offen aus: „Wo soll ich hingehen vor deinem Geist, und wo soll ich hinfliehen vor deinem Angesicht?“ (7).

Aber liegt es an Gott, dass wir vor ihm, dem Allwissenden, fliehen möchten und seiner Gegenwart entkommen? Es gibt ja Dinge an uns, die wir selber nicht sehen wollen oder so ansehen möchten, als wären sie nie geschehen, als gäbe es sie gar nicht. Gott erinnert uns an unsere eigene Wirklichkeit, und darum möchten wir uns seinem Blick entziehen. Doch dieser Fluchtversuch ist sinnlos: wir nehmen das mit, wovor wir uns zu verstecken versuchen, wie Adam und Eva (Gen 3,8), und wir tragen in uns, was wir durch kein Nicht-hinsehen los werden können. Denn Gottes Blick geht mit uns mit, er bewohnt unseren Blick auf uns selber, und das Auge, mit dem wir uns selber sehen, ist auch Gottes Auge. Umgekehrt ist auch das Auge, mit dem wir Gott sehen, das Auge, mit dem Gott uns ansieht (M. Eckhart).

Der Psalmist weiß beides: dass er vor Gott fliehen möchte und dass er es doch nicht kann. Denn der Psalm ist davon durchdrungen, dass bewusstes Menschsein heißt: vor Gott zu sein; dass es heißt, im Lichte der Frage zu existieren: „Adam, wo bist du?“ (Gen 3,9).

Obwohl er Gott ausweichen möchte, dankt er schließlich Gott doch wieder für seine schöpferische und schützende Nähe: „Ich danke dir dafür, dass ich wunderbar gemacht bin; wunderbar sind deine Werke, und das erkennt meine Seele wohl“ (14). Er kann nicht anders – im Widerspruch zu seiner Scheu vor Gott - , als das Geheimnis seiner Gegenwart bewundernd anzubeten, obwohl sie seine Erkenntnis übersteigt (8): „Aber wie köstlich sind vor mir, Gott, deine Gedanken! Wie ist ihrer so eine große Summe!“ (17).

IV

Auf zwei Wegen gelangt der Psalmist zu dieser Einsicht in das Gott-Innesein, dem Weg in die Weite der äußeren Welt und dem Weg zur Nähe des eigenen Daseins.

„Wo soll ich hingehen vor deinem Geist ... ? Führe ich gen Himmel, so bist du da. Bettete ich mich in die Hölle, siehe, so bist du auch da. Nähme ich Flügel der Morgenröte und bliebe am äußersten Meer, so würde mich doch deine Hand daselbst führen und deine Rechte mich halten“ (7-10).

Auch die Extreme von Oben und Unten, Himmel und Hölle, umgreift Gottes alldurchdringendes Sein, im absolut Positiven wie in äußerster Negativität, in Seligkeit wie in tiefster Verzweiflung: er ist selber mit dabei. An den Grenzen der äußeren Welt, sei es an fernsten Gestaden, sei es im Ungreifbaren, wo die Morgenröte aufdämmert, überall und immer noch und immer wieder: Er.

Warum? Warum erzeugt sich an Grenzen die Ahnung von Gott, warum stellt sich im Erfahren der Extreme das Wort „Gott“ so schnell ein? Weil die Erfahrung der Grenzen des Äußeren, des Raums, unweigerlich auch eine Erfahrung der Grenzen von einem selber ist. Gottes Allgegenwart ist weder ein überdimensionaler Überraum noch ein gleichmäßig alles erfüllender geheimnisvoller „Äther“. Gottes Voraussein geht mit; überall wo ich nur sein kann, da ist er mir zuvor; ich selber bringe ihn mit als den Uneinholbaren. Ich kann Gott nicht entkommen, weil ich mir selber nicht entkommen kann, bzw.: genau so wenig.

Aber nicht nur die Flucht vor Gott ins Weite des Raumes ist sinnlos. Weil man Gott nicht entdecken kann wie einen fernen Kontinent, ist auch der umgekehrte Versuch, Gott an den Grenzen der Erde zu finden, im Erlebnis exotischer Fremde Gott durch Fernreisen näher zu kommen, vergeblich. Man mag reisen, wohin man will, bis ans Ende der Welt: die Karibik bringt es nicht, und das Nordkap auch nicht. Denn auch hier gilt: „Entfliehst du, vom Hause scheidend, auch vor dir selber?“ (Horaz, Od. II, 18, 19f). Ja, „selbst wer alle Meere durchkreuzt hat, hat nur die eigene Eintönigkeit durchkreuzt“ (F. Pessoa). Wer Gott nicht bei sich selber und in sich findet, dem zeigt sich auch in der äußeren Welt nichts von ihm.

Ach vergeblich das Fahren!
Spät erst erfahren Sie sich:
bleiben und stille bewahren
das sich umgrenzende Ich.
(G. Benn, Reisen; Gedichte 327)

Der zweite Weg führt den Psalm-Beter zur Einkehr bei sich selber; aus dem Weitesten wird er auf sich zurückgeworfen.

„Denn du hast meine Nieren bereitet und hast mich gebildet im Mutterleibe. Ich danke dir dafür, dass ich wunderbar gemacht bin ... Es war dir mein Gebein nicht verhohlen, da ich im Verborgenen gemacht ward, da ich gebildet ward unten in der Erde“ (13-15).

Nicht nur vor uns: Gott und zuletzt nur Gott, sondern auch, wo wir hinter uns zurückzugehen versuchen: wieder nur Er. Wir finden uns zu uns bestimmt schon vor: als dieser einmalige Mensch mit seinem Leib und diesem Ich, das wir sind. Darin sind wir uns selbst einigermaßen „erhellt“; aber hinter uns, woher wir kommen: dasselbe Dunkel wie im Innern unseres eigenen Leibes. Hinter uns nur das Dunkel, aus dem wir an uns entlassen werden, das allein für Gott hell ist, der uns nach Herz und Nieren kennt, der schon bei uns war, ehe noch wir bei uns selber sein konnten. Für ihn ist dies wie alles Dunkel selber noch hell und durchsichtig: „Denn auch Finsternis ist nicht finster bei dir, und die Nacht leuchtet wie der Tag, Finsternis ist wie das Licht“ (12). Gott selber ist alldurchdringendes Licht (1Joh 1,5; Jak 1,17b); darum kann kein Dunkel uns vor ihm verbergen (11).

Wir finden uns leibhaft vor; dahinter kann keiner zurückweichen. Aber ehe wir wurden und sind, ist die Macht, durch die wir sind und jeder „Ich“ ist; sie geht uns unerreichbar voraus. Gott ist der, der uns zu uns selber gebracht, der uns geschaffen hat. Durch ihn, in seinem Licht, sind wir an uns selber uns übergeben und eingelassen in unser bewusstes Dasein. Ehe noch wir waren, wirkt er auf uns hin. Wie sollten wir dahin reichen?

Gott ist da noch, wo wir uns entgehen; aber er ist auch da, wo wir zu uns kommen: „Wenn ich aufwache, bin ich noch bei dir“ (18b). Im Schlafen entgleiten wir uns, aber „der Hüter Israels schläft noch schlummert nicht“ (Ps 121,4; vgl. Ps 63,7). Mit dem Aufwachen werden wir uns selbst wieder geschenkt: als dasselbe Ich. Das ist an sich schon ein kleines Wunder jeden Tag. Der Psalmist aber weiß: dann bin ich auch wieder, und wieder neu, „bei dir“, vor Gott. Ich bin dann wieder lebendig bei mir und so ist Gott immer noch bei mir da.

Der Schlaf, das Sichentgleiten, ist wie ein irdischer Bruder des Todes. Nach dem Tod werden wir aufwachen zu Gott – von ihm geweckt, auferweckt; auch dann: „bin ich noch bei dir“, dem Herrn!

So sind wir von Tag zu Tag, von Nacht zu Nacht, ja von Tag zu Nacht und von Nacht zu Tag „auf dem ewigen Wege“, wie das letzte Wort des Psalms lautet.

Immer leben wir, ob wir denn leben oder sterben (Röm 14,8), im schöpferischen Blick Gottes, der mit uns geht, vom Anfang bis zum Ende. In seinen Augen unsere Vorvergangenheit: „Deine Augen sahen mich, da ich noch nicht bereitet war“ (16a), und in seinen Augen meine unentdeckte Zukunft, die jetzt noch unenthüllt ist: „alle Tage waren in dein Buch geschrieben, die noch werden sollten, als derselben keiner da war“ (16b).

V

Liebe Gemeinde, warum dieser gewaltige Psalm am Fest von Christi Himmelfahrt?

Wir hörten: „Führe ich gen Himmel, so bist du da. Bettete ich mich in die Hölle, siehe, so bist du auch da“ (8).

Der Himmelfahrt Christi, seiner Erhöhung, geht die Höllenfahrt voraus. Er hat die tiefsten Tiefen der Gottesferne und der toten Vergangenheit durchmessen; aber für ihn gilt in Ewigkeit: „Wenn ich aufwache, bin ich noch bei dir“ (18b). Auch er war vom äußersten Dunkel verschlungen, im Grab; auch er hat erfahren, dass Gott dies Dunkel in Licht und Leben zieht: bei ihm ist „Finsternis wie das Licht“ (12b). Er sitzt zur Rechten Gottes und nimmt teil an Gottes allmächtigem Leben. Wie Gott ist Jesus Christus, der Menschensohn, uns näher als wir uns selber.

Der 139. Psalm lässt uns davon etwas ahnen, er lässt uns das Geheimnis des lebendigen Gottes entdecken.

Paulus hat unser Stehen in diesem Geheimnis schlagend formuliert: „Wir sehen jetzt durch einen Spiegel in einen dunklen Ort; dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich’s stückweise, dann aber werde ich erkennen, gleich wie ich erkannt bin“ (1Kor 13,12).

Dazu verhelfe Gott uns allen. Amen.

Abt Prof. Dr. Joachim Ringleben
E-Mail c/o heidi.wuttke@theologie.uni-goettingen.de

 

 


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