Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach, Redaktion: C. Dinkel und I. Karle

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Christi Himmelfahrt, 25. Mai 2006
Predigt zu Offenbarung 1, 4-8, verfasst von Detlef Reichert
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)


Liebe Gemeinde,
es war vor ein paar Wochen in einem der Abendabspanne im Fernsehen auf NDR drei: Eine formulierte Frage als Anregung und Aufforderung. Schreiben Sie uns wie Sie dazu stehen, - das Thema der Diskussionsrunde im Studio Hamburg ist,... und dann folgte die klar formulierte Frage :` Können wir das dulden, dass das Christentum unser Leben bestimmt?´
Die Frage ist mir deswegen nicht aus dem Kopf gegangen, weil sie - ganz gegen ihre Intention, ganz gegen das, was da offensichtlich herausgelockt werden sollte - , weil sie etwas sagt und zur Sprache bringt, was treffender kaum gesagt werden kann : `Der christliche Glaube hat etwas anzubieten.´
Nur, wer etwas anzubieten hat, kann etwas bestimmen. Ich mag das für richtig halten oder für falsch. Es mag mir einleuchten, mich überzeugen. Oder es mag auch sein, dass ich das nicht so sehe, dass ich das anders bewerte, worum es da geht. Aber formuliert wird mit dieser Frage genau das, dass da im christlichen Glauben etwas angeboten wird, das Folgen hat.

Eine dieser Folgen ist das Fest Christi Himmelfahrt. Nicht die abgeschlappte Form eines Vatertages, sondern der Gottesdienst mit seinen bildhaften Erzählungen. So wie wir es eben gehört haben in den Lesungen. Am Ende des Lukasevangeliums : Jesus, der die Jünger segnet aus dem gemeinsam Durchlebten heraus und in den Himmel genommen wird, und genauso am Anfang der Apostelgeschichte die bildhafte Erzählung : Jesus, der das Mahl mit den Jüngern hält und für sie den Geist verheißt in das neue Leben hinein. Himmel und Erde werden verbunden im Menschen. Nicht durch ihn. Jesus Christus verbindet beide durch sich selbst im Menschen. Er verbindet Vergangenes und Kommendes im Menschen unauflöslich. Er hebt den scheinbar ewigen Abstand und die unüberbrückbare Kluft zwischen Hoffen und Bangen, zwischen Wunsch und Wirklichkeit auf, zwischen Gewolltem und Erreichtem, zwischen dem, was war, und dem, was wird.

Das sind bei Lukas Bildgeschichten. Erzählt von der Kirchwerdung. Die gesegneten und mit dem Geist gesendeten. Mag es ein oder auch zwei Generationen später gewesen sein, da nimmt die Offenbarung des Johannes - die Verse sind der Predigttext für den heute - dies auf. Ein Himmelfahrtstext ohne Bilder – wenn auch mit einer Sprache, die wir im Moment so nicht mehr gewohnt sind - , der ganz selbstverständlich auf seine Art davon redet, fast beiläufig. Und man merkt es eigentlich erst, als er damit fertig ist.

„Johannes, den Gemeinden in Asien, Gruß und Friede
von dem, der ist, der war und der kommt.
Und von den sieben Geistern, die vor seinem Thron stehen.
Und von Jesus Christus, dem Zeugen, der vertrauenswürdig ist -zuverlässig- , dem Erstgeborenen der Toten, dem Herrscher über die Könige der Erde. Dem, der uns liebt und uns löst -heraus erlöst- aus unseren Sünden durch sein Blut und uns zum Herrschaftsbereich gemacht hat, zu Priestern für Gott, seinen Vater.
Ihm sei der Ruhm und die Kraft in alle Zeit.
Siehe er kommt in den Wolken und ihn werden alle sehen.
Auch die die ihn getötet haben und nun trauern. Wehklagen werden über ihn alle Völker Amen.
Ich bin das A und das O, spricht Gott der Herr , der ist und der war und der kommt. Der Herrscher über alles.“ (Apc. 1,4-8)

Wie ein Webteppich mit ganz vielen aufeinander bezogenen Fäden wird hier erzählt, erinnert und festgestellt von Gott und Jesus Christus, bis weit hinein in das Alte Testament als eigenen Hintergrund. Ich lasse die Fäden einmal weg, was Johannes da im Einzelnen zitiert und aufnimmt. Ich beschränke mich nur auf das, was wir eben gehört haben, was die Apokalypse wie einen Teppich entwirft und vor Augen malt, auch fast so etwas wie eine Bild. Ich kann das ganz beruhigt tun, denn Johannes, der Apokalyptiker, wollte ja dieses Bild. Darum ging es ihm. Er braucht –anders geht es nicht- dazu die Fäden. Aber nicht wegen der Fäden webt er den Teppich, sondern er webt mit dem Fäden den Teppich um des Bildes willen.

Das ganze ist – erste Worte – ein Gruß. Schon so eine Art sich vorzustellen. Wer bin ich denn, der da zu dir redet. Vor allem aber wird vorgestellt, von wem her, in wessen Auftrag hier einer redet, schreibt und andere anredet: Von dem, der ist, und der war und der kommt. Und von dem soll ich beim Hören oder Lesen oder Vorgelesenbekommen –so wie die damals in Asien- etwas mitbekommen. Das soll ich mitbekommen, was er anzubieten hat. Und das ist nicht etwas zum Aussuchen, sondern es ist alles. Es ist das von dem - letzte Worte - , der Herrscher ist über alles.
„Johannes, den Gemeinden im Asien, Gruß und Friede“ und wie es dann weitergeht, das ist ein Gruß. So gesehen ist das erst einmal nichts Einmaliges. Aber etwas Besonderes hat es schon. Denn die Leute, die da gegrüßt werden, bekommen nicht nur etwas mit über den, der schreibt, und auch nicht nur etwas über den, in dessen Namen und Auftrag er schreibt. Sie bekommen zugleich etwas mit über sicht selbst. Mitten in diesem Gruß an sie, tauchen sie plötzlich selbst mit auf,
„der uns liebt und erlöst hat und zum Herrschaftsbereich gemacht hat und zu Priestern.“

Mag schon sein, dass ich mich gar nicht da mit hineinziehen lassen will, so wie es hinter der Frage im Fernsehen stand, - `können wir dulden...?´ , und das heißt, `wollen wir...?´
Der Himmelfahrtsgruß der Johannesoffenbarung sagt, dass es längst einfach so ist.

Was? Alles das, was Johannes hineinpackt in die Beschreibung von Jesus Christus. Und das ist, so schnell es beim Hören vorbeigeht, ein riesiger Berg. Aneinandergereiht, aufeinandergetürmt ist da alles, was Leben ausmacht, was es trägt und gelingen lässt, - mit dem Wort des Johannes: Was es erlöst.
Einleitend, hinführend, ausführlich.
Mit zwölf Worten werden die Jünger angeredet und zweiundsiebzig Worte folgen dann über den, von dem er grüßt und redet, und mit dem sie selbst in all dem mit drinstecken.

Was ist da alles hineingepackt, beieinander?
Zeit.
Wir erfahren und erleben sie als Teile, jedes für sich. Da war etwas. Irgendwann vorher. Jetzt tue ich dies und das. Irgendetwas kommt auf mich zu. Was hat das eine mit dem anderen zu tun. Wir versuchen Linien zu sehen und zu konstruieren, irgendwie uns einen Zusammenhang plausibel zu machen und erkennbar, damit nicht auseinanderbricht, wohin ich gehöre, was zu mir gehört, was mich ausmacht. Das, was gewesen ist, wo ich nichts mehr verändern kann, nicht mehr eingreifen oder korrigieren, was mich festlegt oder zusammenhanglos schwimmen zu scheinen lässt. Das was kommt, für das ich versuche aus dem, was war, etwas zu bauen , das jetzt zu tun, das mit dem zusammenhängt, was gewesen ist, um mich mit mir beieinander zu halten. Von dem grüßt Johannes, `der da war´, - längst vor mir, vor allem dem, was mich umgibt, - `der da ist´ jetzt, mitten um mich herum,- und `der kommt´, mitten in das hinein, das sein wird, wo ich dann auch sein werde und weit, viel weiter in alles Kommende hinein auch. Und zu ihm gehöre ich. Er hält zusammen, was mir auseinander zu brechen scheint. Immer wieder. Dann, wenn ich daran denke, was war ich, was habe ich gemacht und was nicht. Was tue ich gerade jetzt, und was wird sein mit mir. Er ist der Zusammenhang. In ihm ist beieinander, was mir auseinander fällt. Und er läßt mich grüßen, weil ich zu ihm gehöre. `Er, der ist und der war und der kommt.´
Und Gefühl.
Was ist, wo ich das nicht habe, - jemandem dem ich vertrauen kann, der zuverlässig ist? Wo es keinen gibt, der mich nicht hintergeht, mir nicht mit Schlitzohrigkeit aus der Tasche zieht, was er für sich will. Was ist, wo es keinen gibt, der nicht um Ecken denkt, damit ich nicht dahinter komme, was er wirklich will, sondern der sagt, was ist, was er will und was er meint. Was ist, wo Menschen das nicht haben? Lange braucht sich niemand umsehen und zu suchen, was dann ist, wenn das so ist. Zeitungen sind davon voll und Biographien, und eigene Lebensdaten. Hier ist geredet von dem Gegenteil, von einem, der vertrauenswürdig ist,- so verlässlich, dass es an Überprüfbarkeit grenzt, - `dem Zeugen, der vertrauenswürdig ist.´
Und Leben.
Leben im Ganzen, wo es sich abspielt, vom Geborenwerden, allem Tun im Einzelnen, wo es sich entfaltet, wo es sich erschöpft, bis zum Sterben, in dem es dann doch nicht aufgeht, - `dem Erstgeborenen unter den Toten´. Da wird gar nicht unbescheiden von ihm geredet.
Und Macht.
Alles was Leben ist, wird begriffen und bezogen auf ihn, wie es anfängt, wie es geht, alle Mächte und Zwänge, unter denen wir es führen, die äußeren Machthaber und die internen Machtstrukturen. Alle sind sie begrenzt gesehen ihn ihm, `dem Herrscher über die Könige der Erde´. Schnell lässt sich da sagen, wer´s glaubt.... . Aber was glauben wir auch ohne ihn, Jesus, zu nennen, von einem Tag zum anderen? Dass alles so bleibt, wie es gerade ist? Dass wer die Macht hat, sie ewig hat und ohne Ende? Dass es kein Besseres gibt als das Schlechte heute? Anlässe haben wir genug dazu. Aber belassen wir es wirklich im Innersten dabei? Und wenn wir das nicht tun, was hindert uns dann, zumindest wahrzunehmen, dass von all diesen äußeren Lebensteilen und Lebenslinien so geredet und geglaubt werden kann, dass sie zu ihm gehören, in ihm ihre Grenze, ihr Aufhören und auch ihr Aufgehobenwerden haben?
Und Liebe.
Wie könnte vom Leben auch geredet werden ohne sie. Aber nicht Liebe als Begleiter, nicht als Schönes immer mal wieder, ein Unerlässliches zwischenhinein, sondern -genauso unbescheiden wie vom Leben : Sie ist das, was überhaupt erst mein Leben herauslösen kann aus allen Fallen und Stricken, selbstgebauten und anderen gegrabenen. Seine Liebe ist das, was mich ganz macht, weil er sich ganz gibt. `Der uns liebt und uns erlöst´. Natürlich klingt auch hier ganz schnell das : wer´s glaubt. Aber könnte es überhaupt anders sein, wo die Botschaft von Karfreitag, von dem Sterben von Jesus Christus für mein Leben, wo dies erste einmal das eigene Ich so tief verletzt, wie nichts sonst? Ich sollte nicht können, was ich brauche? Ich sollte angewiesen sein auf einen anderen, damit ich bin? Nur eben auch hier: Was hindert wirklich, das erst einmal zu hören, dass er uns liebt und erlöst? Und dann dabei mit heraus zuhören:
Und wir.
Mit heraushören, dass alles, was er uns tut, dass das uns mit hinein nimmt in seine Zeit, sein Gefühl, sein Leben, seine Macht, seine Liebe. Und dass so alles das unsere Zeit, unser Gefühl, Leben, unsere Macht, unsere Liebe wird, - und so und nicht anders wir wir selbst.

Der Gruß der Johannesoffenbarung füllt mit all dem, was er hier hier aufeinandertürmt, die äußere Bildgeschichte von Himmelfahrt, wie Lukas sie erzählt.
Mit Himmelfahrt verabschiedet Gott sich nicht in Jesus Christus von der Welt, so dass nun alles getan wäre für uns und damit Schluss. Für uns ist alles getan. Aber wir werden mit hineingenommen in der Bereich der Herrschaft dessen, `der kommt´. Und das sollte nicht unser Leben bestimmen?
Amen.

(Neuere Himmelfahrtslieder gibt es im EG nicht, aber das Loben, das mit zum Predigttext gehört, könnte sich mit dem Lied 121 „Wir danken Dir Herr Jesu Christ“ von Michael Praetorius gut anschließen.)“


Sup. Dr. Detlef Reichert 15.5.06
Gneisenaustr. 76
33330 Gütersloh
superintendent-gt@kirchegt.de

 


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