Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach, Redaktion: C. Dinkel und I. Karle

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Rogate, 21. Mai 2006
Predigt zu Kolosser 4, 2-4, verfasst von Christian Stasch
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)


Liebe Gemeinde !

Das Gebet hat´s nicht leicht. Heute.
Zwei Schüler sind auf dem Heimweg. Der eine „Sag mal, betet ihr zu Hause vor dem Essen?“ Der andere: „Nein, meine Eltern können beide ganz gut kochen.“

Es scheint so, als käme man auch ganz gut ohne das Beten aus. Mir erzählte mal jemand, warum er von Tischgebeten nicht viel hält:: „Bei uns zu Hause war öfters miserable Stimmung, alle schnauzten sich an. Das Essen wurde aufgetragen. Dann mussten wir still sein zum Tischgebet. Und nach dem Gebet wurde weiter gestritten.“ So etwas kann einem das Beten – in der Tat - vermiesen, wenngleich das Gebet selbst wohl nichts dafür kann.

Ja, das Gebet hat´s nicht leicht. Manche lernen das Beten neu, wenn sie Kinder haben. Geben dem Gebet etwas Spielerisches, um es zu fördern. Nehmen z.B. einen Gebetswürfel zu Hilfe. Auf den sechs Seiten des großen Würfels steht je ein Tischgebet. Was nach dem Würfeln obenauf liegt, kommt dran.

Eine Hilfe zum Beten. Auch der Predigttext für den heutigen Sonntag ist eine Hilfe zum Beten. Sie haben den Text vorhin schon gehört. „Seid beharrlich im Gebet und wacht in ihm mit Danksagung! Betet zugleich auch für uns, dass Gott uns eine Tür auftue.“
Das ist der Text. Im Wesentlichen. Kurz und knapp. Und er enthält gleich fünf gute Tipps und Hilfen für das Beten. Fünf Bausteine, die man zusammenfügen kann.

1.
„Seid beharrlich im Gebet...“
So geht es los. Der erste Baustein: Beharrlich sein. Kontinuität.
Ich habe einmal beim Einbecker Altstadtlauf teilgenommen, 5 km auf einem Rundkurs rund um den Marktplatz und die schönen Fachwerkhäuser. Dummerweise war ich ganz untrainiert. Die ersten zwei Runden gingen gut, ab Runde drei ging dann gar nichts mehr, ich war platt, musste sogar eine Weile gehen und konnte erst dann wieder weiterlaufen, erheblich langsamer als zu Beginn. Der Muskelkater hielt eine Woche an und zeigte mir: Ohne Kontinuität läuft im Sport nichts. Wer bei einem richtigen Lauf fit sein will, muss schon früher anfangen. Beharrlich sein. Immer und immer wieder.

Jesus konnte Geschichten davon erzählen:
Von der bittenden Witwe, die immer und immer wider zum Richter geht und ihr Recht einfordert. Er hat keine Lust und schickt sie immer wieder weg, aber sie ist so penetrant, dass er schließlich nachgibt und ihr zu ihrem Recht verhilft.
Oder der bittende Freund, er klopft bei seinem Freund an mitten in der Nacht: „Kannst du mir aushelfen? Hab Überraschungsbesuch bekommen. Hab kein Brot im Haus.“ – „Bist du verrückt, mich mitten in der Nacht zu stören. Du weckst ja das ganze Haus auf.“ – Aber, so erzählt Jesus, der Freund lässt sich nicht abwimmeln, und schließlich bekommt er seine Brote – und hat was er wollte..
Bitten, so dass es fast schon nervig ist. Quengeln. Nicht locker lassen. So empfiehlt es uns Jesus.
Und etwas moderater schreibt es der Briefschreiber an die Gemeinde in Kolossä (das liegt übrigens im Gebiet der heutigen Türkei): Seid beharrlich im Gebet.

Man kann dagegensetzen: Bringt es denn immer was? Das Beten? Die Kritiker des Betens sagen: es ist sinnlos, nutzlos, Selbstgespräch, Zeitvergeudung. Die Welt bleibt wie sie ist, nichts ändert sich.
Stimmt das? Was stimmt, ist dies: Gebete, die ungehört bleiben, sind wirklich eine Anfechtung. Man kann enttäuscht sein, ganz direkt Gott gegenüber enttäuscht sein. In der Bibel lässt sich solche Enttäuschung auch finden: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen.“
Aber: Menschen, deren Gebet scheinbar nicht erhört wurde, machen auch andere Erfahrungen.
Eine Familie hat einen Jungen, er ist 17 Jahre alt, hat seit Jahren eine seltene Form von Krebs, wurde schon oft operiert. Die Familie, die Verwandten und Freunde beten darum, dass er doch noch gesund werden kann. Sie beten beharrlich. Aber es wird immer schlechter mit seinem Gesundheitszustand. Er ist Dauerpatient in der Klinik. Dort hat er seine Bücher und seinen Laptop, das ist sein Zuhause. Er weiß, dass er sterben wird. Er bittet Leute, die ihm wichtig sind, ihn noch mal zu besuchen. Und bei manchen sagt er auch ganz selbstbewusst: nein, der soll nicht kommen. Er sieht dem Tod ins Auge, aber ohne Angst. Weiß, dass letztlich für ihn gesorgt ist und er nicht ins Bodenlose fällt, wenn er stirbt. Und dann ist sein Leben zu Ende, mit 17 Jahren. Und die um ihn trauern, sagen: er hat uns so viel gegeben. Er hat unseren Glauben gestärkt. Und seine Fröhlichkeit werden wir nie vergessen.

War das beharrliche Gebet der Angehörigen wirklich nutzlos? Ist es nicht erhört worden?
Oder vielleicht doch? Nur auf andere Weise...

2.
Wir gehen einen Schritt weiter:
Seid beharrlich im Gebet und wachet in ihm
Unser zweiter Baustein also. Das Wachen.

Mir sagte neulich jemand. „Tja. Ich bete immer abends vor dem Einschlafen. Da kann ich alles noch mal Revue passieren lassen, was am Tag so los war. Aber leider penne ich dabei oft ein.“ Das mit dem Wachbleiben ist so eine Sache. So gesehen kann es auch schön sein, früh morgens zu beten. Ganz wach. Der Tag ist noch frisch. Ein geistlicher Start in das, was kommt. Das muss jeder für sich entscheiden, welche Tageszeit gut geeignet ist. Aber in jedem Fall ist es hilfreich, eine feste Zeit für das Beten festzusetzen. Dann gehört es zum Tagesablauf dazu. Wie das Zähneputzen. Das vergisst man ja in der Regel auch nicht.

Ein altertümliches Wort, dieses „Wachet“. Es kommt so in unserer Sprache kaum vor. Mal abgesehen von dem Wort „Wachtmeister“. Die Gute Nachricht bemüht sich, es moderner zu sagen: „Werdet nicht müde...“
Ich denke bei dem Wort „Wachet“ an die Geschichte von Jesus im Garten Getsemane. Jesus allein mit seinen Jüngern, voller Todesangst, Zuflucht suchend im Dunkel der Olivenbäume, und an seine Jünger die Bitte: „Bleibet hier und wachet“. Das ist dann allerdings leichter gesagt als getan – denn: „alles schläft, (nur) einer wacht“, als die Soldaten kommen. Die Jünger haben das getan, was man halt nachts so tut, nämlich müde werden und schlafen. Und sie haben das Entscheidende „verschlafen“.

Das würde ich mir wünschen als eine Langzeitfolge des Betens: dass man das Entscheidende nicht verschläft, sondern durch das Beten eine gewisse Wachheit geschenkt bekommt. Dass man achtsam und aufmerksam wird, nicht wegguckt, sondern hinschaut. Die Lebenswirklichkeit mit hineinzieht ins Gebet. Und das heißt auch: Wachsam sein auch für Entwicklungen und Veränderungen, in der Politik, an unseren Arbeitsplätzen, in den Pflegeheimen, in unseren Familien. Wachsam sein, und es auch bemerken, wenn dort etwas aus dem Ruder läuft. Betende Menschen sagen nicht zu allem Ja und Amen, sondern sind wachsam-kritisch. Ein kluger Kopf sagte einmal : „Wie wir beten sollen, steht in der Bibel, was wir beten sollen, steht in der Zeitung.“

3.
Es kommt der dritte Schritt hinzu:.
Seid beharrlich im Gebet und wacht in ihm mit Danksagung.
Unser dritter Baustein also: das Danken.
Das Danken hat es wohl noch viel schwerer als andere Bereiche des Betens. Dass man zu Gott klagt, wenn einem das Wasser bis zum Halse steht – das leuchtet noch ein. Der berühmte Ausspruch: „Jetzt hilft nur noch beten.“ Oder auch: „Not lehrt beten.“ Aber Danken? Das geht schnell mal unter.

Im Kolosserbrief wird viel gedankt. Der Briefschreiber ist dankbar für den Glauben dieser frisch gegründeten Gemeinde. Und auch wenn er beim Schreiben des Briefes im Gefängnis sitzt, also unter Christenverfolgung zu leiden hat – das ändert nichts an dem dankbaren Grundton des Briefes. Schön, dass es euch gibt, euch als Christen, euch als Gemeinde. Dank sei Gott dafür.

In der Liturgie unseres Kindergottesdienstes hat das Danken einen festen Ort. Wir beginnen mit etwa drei Klagen und dem Lied „Mein Gott das muss anders werden“, und dann folgt dreimal Dank, mit gesungenem „Halleluja“. Es ist erstaunlich, wofür die Kinder Gott so danken: dass der Hund wieder gesund ist, dass der Papa gestern Abend das Fernsehen erlaubt hat, dass es andere Kinder zum Spielen gibt. So üben wir mit den Kindern Achtsamkeit ein für das Alltägliche.

Für uns Erwachsene ist es eine Hilfe, das mal schriftlich zu machen: sich abends ein paar Minuten hinsetzen, drei Dinge aufschreiben, für die man dankbar ist. Das könnte dazu führen, dass ich ins Staunen gerate: „Mensch, so viel gibt es zum Danken.“ Und den Tag bewusster und aufmerksamer lebe und dabei zufriedener bin.

4.
Unser vierter Baustein: Betet zugleich auch für uns. Also angefügt heißt es dann:
Seid beharrlich im Gebet und wacht in ihm mit Danksagung! Betet zugleich auch für uns.

Beten für. Beten nicht nur für sich selbst, sondern auch für – andere. Über den eignen Tellerrand hinausschauen. Für-Bitte. Wir beten für andere, für Menschen in unserer Nähe oder in der Ferne, für solche, die selber auch beten und genauso für die, die nicht beten. Sie alle sind uns nicht egal. Wir nehmen sie mit in unser Gebet, bringen ihre Situation vor Gott.
Im Gottesdienst finden manche die Fürbitten ziemlich langweilig, wenn sie allgemein formuliert sind: für die Regierenden, für die Notleidenden, für die Alten, für die Suchenden, usw. Das geht wohl im Gottesdienst oft nicht anders. Wir Pastoren und Pastorinnen sind bemüht, so zu beten, dass sich viele drin wiederfinden können.
Aber spannender ist es natürlich, wenn es konkret wird. Hier, in unserm Predigttext, wird es konkret. Weil da Leute den Wunsch an andere äußern: „Betet für uns.“

Haben Sie das schon mal gemacht?
Haben sie schon mal zu ihrem Kind, ihrer Schwester, ihrer Nachbarin oder zu einem guten Freund gesagt: „Bete für mich.“? Es scheint da eine gewisse Scheu zu geben, eine Zurückhaltung. Auch ich selbst mache das hochgradig selten.

Manche haben auch negative Erfahrungen gemacht, fühlten sich unwohl, wenn einer aufdringlich fromm auf sie zukam und sagte: „Ich bete für dich.“ , ohne dass man darum gebeten hätte, dies zu tun. Man muss vorsichtig sein. Im Gebet darf nichts „übergestülpt“ werden, darf keine Macht über andere ausgeübt werden.

Aber das ist doch eine gute Möglichkeit: Zu jemandem zu sagen, mit dem man lange geredet hat und der versteht was los ist, zu dem am Ende zu sagen: „Ich bitte dich, bete für mich. Ich bitte dich, bete für uns.“ Das kann befreiend sein. Und Ihnen als predigthörende Gemeinde sage ich ganz direkt: wir Pastoren und wir Mitarbeitenden in der Kirche, wir brauchen Ihr Gebet. Natürlich auch Ihre kritischen Rückmeldungen auf unsere Arbeit, auch auf unsere Gottesdienste; was Ihnen gefallen hat und was man verbessern könnte. Aber wir brauchen eben auch: Ihr Gebet. Also ich gebe Ihnen die Worte des Kolosserbriefes so direkt mit auf den Weg: „Betet zugleich auch für uns.“

5.
Worum soll nun Gott konkret gebeten werden ? Hier: Dass er eine Tür auftue.
Das ist unser 5. und letzter Baustein: Und das Gesamt-Gebäude heißt dann also:
Seid beharrlich im Gebet und wacht in ihm mit Danksagung! Betet zugleich auch für uns, dass Gott uns eine Tür auftue.

„... dass Gott uns eine Tür auftue.“ Der Kolosserbrief meint damit die Mission. Menschen sollen gewonnen werden für den Glauben. Denen soll die Herzenstür geöffnet werden - damit es nicht muffig und stickig bleibt, sondern der frische Wind des Glaubens einströmen kann.

„... dass Gott eine Tür auftue“ -. Im Januar war Glaubenskurs bei uns im Gemeindehaus. Viele von Ihnen wissen das und waren dabei. 130 Teilnehmer im Schnitt, über 9 Abende hinweg. Ja, da gingen Türen auf. Da wurden Barrieren abgebaut: „Ach so ist das mit dem Kreuz und mit dem Sterben Jesu“. Oder: „Mir ist ganz neu aufgegangen, dass es so viele verschiedene Gottesbilder gibt.“ Hinterher gingen viele nicht sofort nach Hause, sondern standen beieinander, bei einem Snack und einem Glas Wein, redeten offen über Glaubensfragen. Das erlebt man, auch in einer Kirchengemeinde, nicht alle Tage.

„... dass Gott eine Tür auftue“ – es gibt in Deutschland einen Ort, wo diese Bitte ganz besonders oft ausgesprochen wurde – und erhört wurde: die Leipziger Nicolaikirche. 1989 waren es Kerzen und Gebete, die mithalfen, die Tür zu öffnen, die aus Eisen und Stacheldraht, die fest verriegelt war in der Mitte Deutschlands. Und vor einigen Wochen hieß es: „Gott, bitte hilf, dass sich eine Tür auftue im Irak und dass René Bräunlich und Thomas Nitzschke freikommen.“ Die Tür öffnete sich, für die Entführten. Ein Glücksmoment, auch für den Leipziger Pastor Christian Führer: „Wir wussten ja, dass wir nicht in die Luft beten. Jesus sagt doch: „Der Glaube versetzt Berge.“ Dass unsere Hoffnung bestätigt wurde, ist ein großartiges Erlebnis.“ So der dortige Pastor.

Bitten, dass Gott eine Tür auftue. Schauen Sie sich um, schauen wir uns um, in unserem Umfeld, unseren Familien, in unseren Beziehungen. Verschlossene Türen gibt es da jede Menge, von denen man sich wünscht, sie würden geöffnet.

So, liebe Gemeinde, jetzt haben Sie also fünf biblische Tipps für das Beten bekommen.
Seid beharrlich im Gebet
und wacht in ihm
mit Danksagung!
Betet zugleich auch für uns,
dass Gott eine Tür auftue.

Sie werden vielleicht den einen andern Aspekt mal ausprobieren. Und ich wünsche Ihnen, dass Sie dabei ganz neu die Erfahrung machen: „Es tut gut, zu beten. Denn Gott hat ein offenes Ohr für mich. Immer.“

Amen.


P. Christian Stasch, Einbeck
Christian.Stasch@evlka.de


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