Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach, Redaktion: C. Dinkel und I. Karle

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Gründonnerstag, 13. April 2006
Predigt zu 1. Korinther 10, 16-17, verfasst von Karl Rennstich
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)


" Der gesegnete Kelch, den wir segnen, ist der nicht die Gemeinschaft des Blutes Christi? Das Brot, das wir brechen, ist das nicht die Gemeinschaft des Leibes Christi?
Denn ein Brot ist`s: So sind wir viele ein Leib, weil wir alle an einem Brot teilhaben.
(1. Korinther 10, 16-17)

I. Vorüberlegungen

Wenn der Kelch (Blut/ Sterben) Anteil gibt an Christus und das Brot Anteil gibt am Leib, dann wird die feiernde Gemeinde im Abendmahl zu seinem Leib zusammengeschlossen. Paulus will den Korinthern (und auch uns) unmissverständlich deutlich machen: Glaubende gehören zusammen und sind für einander verantwortlich. Daran erinnert Dietrich Bonhoeffer mit seinem Hinweis, dass Christen als Gemeinde existieren.

Das Abendmahl ist ein Gemeinschaftsmahl und verbindet Menschen über und vor aller Sympathie.

Das Neue Testament beginnt, (historisch gesehen) mit dem wichtigen Satz: ”Wir danken Gott allezeit“(eucharistoumen nach 1.Thessalonicher 1, 2. Eucharistie hängt mit Gnade (charis) zusammen. Christen glauben an Gott, der in Jesus Christus den Charme als neue Lebensweise vorgelebt hat.

II. Predigt

Liebe Gemeinde!

Die früheste Form des Gottesdienstes im Neuen Testament ist die Eucharistie. Die Nahrung erinnert uns täglich an unsere Bindung an das Wunder des Le­bens. Die engste Verbindung der Menschen mit den Flüssen und Böden der Erde ist die Nahrung. Von daher ist es auch nicht erstaunlich, dass die meisten Weltreligionen Rituale zur Weihe von Speisen kennen um de­ren Rolle als Stoff des Lebens, zu würdigen. Die Mühsal, ausreichende Nahrung zu beschaffen, war immer ein zentrales Element des menschlichen Daseins. Die frühesten Kulturen konnten sich bilden, weil sie eine neue Strategie zum Nahrungsmittelerwerb organisierten. Voraussetzung dafür war die menschliche Kommunikation. Gemeinschaft (communio) und communicatio finden ihre lebendige Gestalt im Essen und Trinken.

In allen Ländern haben sich die Essgewohnheiten im Laufe der Zeit geändert. An ihren Essgewohnheiten kann man die unterschiedlichen Religionen erkennen. Essen und Trinken sind ein richtiges Sakrament. Neben dem Tempel steht oft das Schlachthaus, denn das Fleisch muss zuerst durch Opfern ”geheiligt“ werden.

Essen trennt aber auch oft menschliche Gemeinschaften. Was man essen und trinken darf, führte zur harten Auseinandersetzung in der ersten christlichen Vollversammlung. In seinem Schreiben an die Gemeinde in Rom ermahnt Paulus die ”Schwachen“ und ”Starken“ durch gemeinsames Essen, sich gegenseitig zu achten.

Die christliche Gemeinde übernimmt die Vorstellung, dass das Mahl keine Privatangelegenheit ist. Deshalb steht die Danksagung im Tisch-Gebet am Anfang. Neuer Reis und Segen (barkat) gehören in der malaiischen Gesellschaft zusammen. Doch der Segen kommt nur, wenn man den Reis mit anderen Menschen teilt. Essen und Trinken werden zum Maßstab des richtigen menschlichen Verhaltens: ”Was ihr getan habt Einem unter diesen meinen geringsten Brüdern, das hab ihr mit getan“, sagt Jesus“. Er stellt dabei Essen und Trinken nach Matthäus 25, 35ff an die erste Stelle. Auch bei Paulus werden beim Abendmahl Essen und rechtes Verhalten der Christen (1.Korinther 8-10 und 11) zum Kriterium für die Gemeinschaft (koinonia).

Bei den Rungus-Dusun in Malaysia heißt das zum Leben Notwendige koposizon und Leben koposizan. Den Ort, wo man das zum Leben Notwendige aufbewahrt, nennt man ”sulap“, Reisscheune. Die Rungus bauen deshalb ihre Kirchen nach dem Model der Reisscheune; sie wollen damit zum Ausdruck bringen, dass das zum Leben Notwendige und das Leben im Gottesdienst sein Kraftzentrum hat. Eucharistie heißt”Mahl des Herrn Jesus.“

Das Mahl des Herrn ist Quelle eines neuen Denkens

Denn sooft ihr von diesem Brot esst und aus dem Kelch trinkt, verkündigt ihr den Tod des Herrn, bis er kommt.

Die Kraft, die aus dem Mahl des Herrn bis heute erwächst, zeigt die folgende Geschichte, die ich vor einigen Jahren in Sabah erlebte.

Als junger Pfarrer aus Deutschland saß ich mit meinem Sprachlehrer vor dem Haus auf der Treppe. Im Garten spielten unsere beiden Töchter. Sie waren gleichen Alters aber unterschiedlich in Größe und in ihren Lebensgewohnheiten. Die eine, erzogen nach europäischen Essgewohnheiten, war größer und übernahm immer die Initiative. Die andere folgte ihr immer. Mein Sprachlehrer meinte resigniert: ” Unsere bansa (Rasse) muss dümmer sein als euere, das kann man an den beiden Kindern sehen“. Ich versuchte ihm zu erklären, dass das nichts mit Rasse zu tun habe, sondern mit den Essgewohnheiten und den daraus resultierenden Eiweißrationen.

Nach langer Diskussion einigten wir uns, dass wir die Essgewohnheiten ändern wollten. Die Frauen pflanzten proteinhaltigere Nahrung. Aber es änderte sich nichts, weil die Männer sich weigerten, die ungewohnten Speisen zu essen. Und weil die Väter die neuen Speisen ablehnten, aßen auch die Kinder nichts. Die Frauen gaben resigniert auf.

Wir einigten nach langen heftigen Diskussionen, dass wir jeden Freitagabend ein großes Essen (pokinakanan) veranstalten wollten, bei dem die neuen Speisen ausprobiert werden sollten. Das Abendessen wurde verbunden mit dem Abendmahl. Das heißt in der Sprache der Rungs pokinakanan di Tuhan Yesus. Und siehe da, alle aßen das für die meisten ungewohnte Essen.

Die Folgen der Veränderung er Essgewohnheiten blieben nicht aus. Bald änderte sich auch die Geburtenrate. Die Frauen wurden häufiger schwanger. Die Kinder starben nicht mehr im ersten Lebensjahr so früher Die neue Form von ”Segen“ erforderte die Umstellung der Landwirtschaft in den Dörfern. Die Einführung von Schulen und der Aufbau eines neuen Gesundheitssystems folgten.

Der Mensch lebt vom (Brot und) Reis aber auch vom Wort. Die heilige Mahlzeit wird Sakrament durch die Verbindung mit dem Heiland. Das christliche Sakrament fasst die wesentlichen Elemente der Mahlzeitsakramente zu einer lebendigen Einheit zusammen. Die Segnung des Bechers, das Brechen des Brotes geschieht im ”Herrn“. Er ist anwesend im Geist und er wird wieder kommen. Das drückt der Ruf aus: Maran atha! –der Gegenwärtiges und Zukünftiges verbindet. Die Vereinigung mit Christus ist gleichzeitige Vereinigung mit den anwesenden Brüdern und Schwestern. Sie ist das Andenken des Herrn, die Anamnese. Im Mysterium der Eucharistie zeigt sich die Gegenwart des Herrn in der Mahlzeit, der Gemeinschaft, der Erinnerung an seinen Tod am Kreuz und der Auferweckung von den Toten.

In mystischer Sprache drückt Jesus das so aus: ”Ich bin das Brot des Lebens“ und ”ich bin die wahre Rebe. Am Brechen des Brotes erkennen die Jünger von Emmaus den Gekreuzigten als den Auferstandenen.

In der Todesangst ruft Jesus am Kreuz: ”Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen. Der christliche Glauben vereinigt Einsamkeit und Gemeinschaft im Leib Christi.

Doch Christen leben in einer korrupten Welt, die Brot und Wein, Leib und Blut missbraucht. Die moderne Wirtschaft verwandelte fünf der sieben so genannten Todsünden des Christen­tums in positive ökonomische Tugenden: Stolz, Neid, Geiz, Habsucht und Wollust. Die christlichen Tugenden Liebe, Dankbarkeit und Bescheidenheit gelten dagegen als "schlecht fürs Geschäft. Die Mahlgemeinschaft wird zum Kennzeichen der christlichen Gemeinde. Miteinander essen wird früh in der christlichen Kirche zum Schlüsselwort für ”Christ“. Im Galaterbrief, in dem Paulus das gemeinsame Essen als Maßstab für Reiche und Arme, Männer und Frauen, Herren und Sklaven betont, formuliert er das Zentrale der Jesusnachfolge mit den Worten: ”Zur Freiheit hat uns Christus befreit. Bleibt daher fest und lasst euch nicht wieder das Joch der Knechtschaft auflegen“(Galater 5, 1).

Die Liebe produziert Gott gewollte Gaben: Lebensfreude, Gesellung, Beglückung durch Schönheit, Zeugungskraft, Zärtlichkeit. Liebe als höchstes Gut, als Umschreibung des Ganzen. Gottfried Wilhelm Leibniz fasst die Liebe so zusammen: ”Lieben heißt geneigt sein, sich zu freuen an der Vollkommenheit, an dem Gut und an dem Glück des anderen.“

Amen

Prof. Dr. Karl W. Rennstich
Lerchenstrasse 17
D-72762 Reutlingen
Email: kwrennstich@gmx.de

 


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