Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach, Redaktion: C. Dinkel und I. Karle

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Letzter Sonntag nach Epiphanias, 5. Februar 2006
Predigt zu Offenbarung 1, 9-18, verfasst von Friedrich Malkemus
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)


Liebe Gemeinde!

Wir sind miteinander und in Verantwortung füreinander verbunden, wir Christen. Ob wir dieses wohl näher beschreiben können? Versuchen wir es jetzt mit der Hilfe des biblischen Textes aus der Offenbarung des Johannes.

Hier am Ende der Bibel wie in einem Vermächtnis stellt sich der Schreiber als Bruder vor. Ein geschwisterliches Verhältnis bestimmt den Zusammenhang und Zusammenhalt von ihm mit den Christen in den Gemeinden, an die er schreibt. Diese familiäre Verbindung kommt allein durch Jesus zustande und ist durch ihn begründet. Die Kunde von Jesus Christus, von seinem Licht und Wort für alle Menschen hat den Johannes erfasst und ist durch sein Wirken zu den Gemeinden in Kleinasien im westen der Türkei vorgedrungen. Hier haben sich christliche Gemeinden gebildet und wussten sich in Jesus verbunden und im Glauben gestärkt. Aber nun sind sie bedrängt und heftig verfolgt durch den römischen Staat unter dem Kaiser Domitian. Sein Gottheitsanspruch, seine Alleinherrchaft und Diktatur sollten das Allerletzte und allein Gültige sein. Da aber das Evangelium aller Tyrannei und Diktatur deutlich widerspricht, muss es unterbunden und mit Gewalt bekämpft werden. Darum also ist Johannes, der Evangelisator auf die Insel Patmos verbannt und damit getrennt von den ihm am Herzen liegenden sieben Gemeinden. So bleibt ihm nur die Möglichkeit, brieflichen Kontakt mit den Gemeinden in der Ferne zu halten und gerade so ihren Glauben zu stärken.

Gerade in Not-, Gefahren- und Leidenszeit brauchen alle Christen Durchhaltekraft und den engen Zusammenhalt in liebevoller Fürsorge füreinander. In der brennenden Sorge um die Christen in den umkämpften Gemeinden wird dem Johannes eine umfangreiche, höchst eindrucksvolle Offenbarung zuteil. Der zukünftige Christus wird ihm gegenwärtig in Visionen, Geschichten und packenden Worten. Christus selbst wird Inhalt der Schreiben und tritt lebendig in die Gemeinde ein.

Liebe Gemeinde! An dieser Stelle unserer Predigt können wir guten Gewissens eine Erinnerung einbringen aus direktem Anlass. Gestern vor einhundert Jahren wurde Dietrich Bonhoeffer geboren. Diesem Theologen war es ein ständiges Anliegen, den Gemeinden Jesu zu verdeutlichen und eindringlich nahezulegen, die unmittelbare und konkrete Verantwortung für den Gang der Ereignisse und geschichtlichen Verhältnisse zu erkennen und zu bejahen. Christen haben direkte Einflussnahme in ihrem Lebensumfeld, also auch im sozialen und politischen Raum auszuüben. Sie können sich nicht aus der öffentlichen Mitverantwortung zurückziehen in einen politikfreien Raum der Schonung, in dem sie unantastbar und untätig sein könnten. So war noch vor Ausbruch des Krieges für Bonhoeffer unmissverständlich klar, dass er nicht als wohlbestellter Lehrer fern und sich in Amerika bleiben dürfe, wenn zugleich in Deutschland eine grausame Diktatur auch gegen die Christen zu wüten beginne. Er kehrte zurück und bildete unter bedrohlichen Verhältnissen in seinem Sinne junge Theologen für den Zeugendienst als Prediger Jesu Christi aus. Die immer chärfer einsetzende Gangart der politischen Entwicklung in Richtung Entrechtung des Einzelnen und bewusste Irreführung de Volksmassen hin zu einem Angriffskrieg drängte ihn, deutliche und wirksame Wege des Widerstandes zu befürworten, um drohendes Urteil, wenn es irgend möglich ist, auch unter gefahrvollem Einsatz der eignen Person vom Volke abzuwenden. Mit seiner hohen Intelligenz und unter dem Einsatz weitreichender internationaler Beziehungen unterstützte er aktiv die Vorbereitung zum Sturz und Überwindung der Hitlerdiktatur. Er wurde verhaftet und bis unmittelbar zum Kriegsende in Einzelhaft gehalten. In Flossenbürg ist er am 9. April 1945 hingerichtet worden. – Seine zahlreichen Schriften und Briefe kreisen um das Thema: Widerstand und Ergebung. Die völlige Ergebenheit gegenüber Jesus Christus hat stets hinzuführen in eine konsequente Nachfolge in einem entschlossenen Mut und in dauerhafter Bindung in der Gemeinde der Christen. Diese Gemeinschaft kann im Ernstfall Leib und Leben fordern. Sie bewahrt aber in der Nähe und Gegenwart des Auferstandenen. – was sich im Leben und im Denken Bonhoeffers ausspricht, nämlich das unbeirrbare Festhalten am Zeugendienst für Christus bei gleichzeitiger Bereitschaft zum Leidensweg, das entspricht dem Ziel des Sehers Johannes. Denn er erreicht mit seinen Briefen und Sendschreiben konkrete Gemeinden in einer von innen und von außen bedrohlichen Situation. Sie benötigen kraftvollen Zuspruch und dauerhaften Mut.

Liebe Gemeinde! Dieses können wir in eigenem Namen nicht geben, sehr wohl aber im Namen des erhöhten Herrn. In den Visionen des Johannes wird die innige Verknüpfung des Sehers mit den fernab liegenden Gemeinden namentlich festgemacht. Auf sie bezieht sich die Sorge und Tröstung des Herrn. Unter Handauflegung wird Johannes mit in die Verantwortung einbezogen. Das Ungeheuerliche der beschriebenen Erscheinung unterstreicht den Ernst und die Dringlichkeit der Botschaft, am Evangelium Jesu in allen Notlagen festzuhalten und vom Glauben nicht abzuweichen.Die unverbrüchliche Treue des auferstandenen Herrn wird strahlend einleuchtend in dem Bilde der sieben Sterne und der sieben Leuchter: vergesst einander nicht bei aller räumlichen Trennung! Gebt euch nicht auf! Schreibt euch nicht ab! – Über alle Entfernungen hinweg gehören die Gemeinden und der prophetische Seher zusammen. Über alle Gefängnismauern und Gitter hinweg gehören die unter Hitlers Diktatur verfolgten Gemeinden und die Briefe, Gedanken und Gedichte Bonhoeffers zusammen. Das ändert auch nicht die Inhaftierung im KZ. Das Siegeswort aus der Ewigkeit schreitet weiter voran in der Gemeinde, auch wenn dort Verzagtheit und Versagen drohen.

Da wo wir füreinander das tröstende und aufbauende Wort aus dem Glauben wagen, stärken wir die Bindung untereinander und Treue zu Christus. Er sagt: Fürchte dich nicht! Ich bin der Erste und der Letzte! Ich habe die Macht über den Tod und sein Reich!

Amen

Liedvorschläge:
EG 281 Erhebet er sich 1-5
EG 67 Herr Christ, der einig 1-5
EG 442 Gottes Wort 4-6
EG 442 7-9

Psalm: 97
Lektion: Matth 17, 1-9
Credo: Nicaenum

Informationen zu der von mir angedachten Gemeinde siehe unter: www.Frielendorf.de

Das Fürbittengebet ist entnommen aus der Agende I der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, S. 146.

Ich grüße alle Nutzer der Materialien herzlich und erbitte für uns einen Mut machenden, gesegneten Dienst!

Friedrich Malkemus
Dekan i.R. Kirchenrat
Wolfgang-Zeller-Straße 13
34613 Schwalmstadt-Ziegenhain
Tel.: 06691 71642


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