Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach

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2. Sonntag nach Epiphanias, 15. Januar 2006
Predigt über 1. Korinther 2, 1-10, verfasst von Sibylle Reh
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)


1 Auch ich, liebe Brüder, als ich zu euch kam, kam ich nicht mit hohen Worten und hoher Weisheit, euch das Geheimnis Gottes zu verkündigen.
2 Denn ich hielt es für richtig, unter euch nichts zu wissen als allein Jesus Christus, den Gekreuzigten.

3 Und ich war bei euch in Schwachheit und in Furcht und mit großem Zittern;4 und mein Wort und meine Predigt geschahen nicht mit überredenden Worten menschlicher Weisheit, sondern in Erweisung des Geistes und der Kraft, 5 damit euer Glaube nicht stehe auf Menschenweisheit, sondern auf Gottes Kraft.
6 Wovon wir aber reden, das ist dennoch Weisheit bei den Vollkommenen; nicht eine Weisheit dieser Welt, auch nicht der Herrscher dieser Welt, die vergehen. 7 Sondern wir reden von der Weisheit Gottes, die im Geheimnis verborgen ist, die Gott vorherbestimmt hat vor aller Zeit zu unserer Herrlichkeit, 8 die keiner von den Herrschern dieser Welt erkannt hat; denn wenn sie die erkannt hätten, so hätten sie den Herrn der Herrlichkeit nicht gekreuzigt. 9 Sondern es ist gekommen, wie geschrieben steht (Jesaja 64,3): „Was kein Auge gesehen hat und kein Ohr gehört hat und in keines Menschen Herz gekommen ist, was Gott bereitet hat denen, die ihn lieben.“
10 Uns aber hat es Gott offenbart durch seinen Geist; denn der Geist erforscht alle Dinge, auch die Tiefen der Gottheit.

Liebe Gemeinde, stellen Sie sich vor, in Korinth hätte etwa vier Jahre nach der Gründung der Gemeinde eine Gemeindeversammlung stattgefunden. Man hätte sich im Wohnzimmer eines reichen Christen versammelt, denn Gemeinderäume gab es noch nicht.

Einer der Gemeindeältesten sagt: „Wir möchten, dass die Gemeinde größer wird, politisch eine Bedeutung erlangt, so dass wir finanzkräftige Mitglieder gewinnen, damit wir uns ein eigenes Gemeindehaus leisten können, wie es andere Religionsgemeinschaften haben.“ Alle sind Feuer und Flamme. Doch wie soll das gehen? „Wir brauchen einen großen Prediger, einen, der die Massen anlockt“ ,sagt einer. „Einen echten Philosophen nach Möglichkeit,“ sagt der Nächste.

„Laden wir Paulus ein?“ „Paulus? Der ist kein gebildeter Redner! Er versteht was vom Glauben, aber er war weder auf einer Rednerschule noch auf einer philosophischen Akademie.„ „Und dann sein schwaches Auftreten. Er ist doch lange krank gewesen. Wenn wir ihn nach vorne stellen, denken doch alle, Christentum, das ist was für Kranke, Alte und Schwache, für Handwerker und Sklaven. Wenn wir die besseren Leute für uns gewinnen wollen, brauchen wir einen anderen Mann!„ „Paulus hat die Gemeinde gegründet.“ „Mag sein, aber um weiterzukommen, brauchen wir ein besseres Geschäftskonzept und bessere Werbung. Wir müssen es so machen wie der neue ägyptische Tempel nebenan. Da gehen die reichen Leute hin!“

Liebe Gemeinde, eine solche Gemeindeversammlung hat es nicht gegeben, oder doch? Wenn es sie gegeben hat, dann hat Paulus im ersten Brief des Paulus an die Gemeinde in Korinth darauf geantwortet.

Paulus war jemand, der Gemeinden gründete, ein „Macher“ könnte man heute sagen. Er war jemand, der meist auf den praktischen Vorteil achtete: „Prüfet alles, behaltet das Beste!“ Aber den Ideen dieser erfundenen Gemeindeversammlung stand er skeptisch gegenüber. Vielleicht hatte seine ablehnende Haltung damit etwas zu tun, dass die Planung an ihm, als Person vorbeiliefen. Aber er hatte noch andere, sachliche Gründe: er stellt die Frage: „Was soll verkündet werden?“ „Ich hielt es für richtig, unter euch nichts zu wissen als allein Jesus Christus, den Gekreuzigten.“

Da gibt es nichts zu beschönigen, in wohlklingende Reden zu verpacken. Darum habe ich es auch nicht versucht. Und ihr habt mir geglaubt

Liebe Gemeinde, die angenommene Gemeindeversammlung hat ein Thema, das von der Zeit des Paulus bis heute hin ununterbrochen aktuell ist: Wie tragen wir dazu bei, dass Gemeinde wächst? Wie gewinnen wir neue Mitglieder, wie machen wir Menschen zu Christen?

Denn im Jahre 2006 ist es nicht selbstverständlich, dass Kinder, die hier geboren werden, als Christen aufwachsen und auch Christen bleiben. Nicht alle Kinder werden getauft und konfirmiert. Noch viel zu viele derer, die immerhin als Christen getauft und konfirmiert werden, treten aus, sobald sie Kirchensteuer zahlen müssten. Es besteht kein Anlass, zu glauben, unsere Zeit sei besonders schlecht. In den meisten Zeiten der Geschichte war die Anzahl der Christen in der Bevölkerung nicht höher, nur gab es mal eine Zeit, da war nicht Austreten einfacher als Austreten. Zu allen Zeiten war Kirche darauf angewiesen, Menschen als Christen zu gewinnen, wenn sie überleben wollte.

Liebe Gemeinde, denken Sie zurück, woran es liegt, dass Sie hier im Gottesdienst sind. Wie hat die Geschichte begonnen? Ich vermute, Sie sind irgendwann in ihrem Leben jemandem begegnet, dem Jesus wichtig war. Das waren vielleicht die Eltern, Großeltern oder Freunde. Vielleicht ein Diakon oder ein Pastor. Ich denke, es waren auf jeden Fall Menschen, denen Sie glaubten, was sie sagten, und Menschen, von denen Sie sich ernst genommen fühlten. Meistens waren es Menschen aus der Umgebung, seltener Stars aus den Medien.

Es gibt Großereignisse, die Menschen zum Glauben führen und darin bestärken. Zum Beispiele gab vor zwei Wochen das Taize-Treffen in Mailand.: Dort trafen sich Zehntausende junger Menschen aus aller Welt, um gemeinsam zu beten.

Aber so wichtig diese Ereignisse auch sind, wir sollten unsere kleinen „normalen“ Gottesdienste, die regelmäßig in Groß Escherde, Sorsum und Emmerke stattfinden, nicht unterschätzen.

Sollte Paulus so gewesen sein, wie er sich selbst beschreibt, dann hätte er in unserer heutigen Gesellschaft wenig Gehör gefunden. Er war kein Talkshow-Talent und außerdem von sehr schwacher Gesundheit. Er hatte wohl nichts an sich, was ihn zum Star gemacht hatte. Zur Zeit des Paulus war das aber nicht anders als heute. Die Menschen waren öffentliche Auftritte und Reden von Menschen gewöhnt, die von Jugend auf gelernt hatten aufzutreten; Redner, die einen Satzbau und eine Stimmgewalt hatten, mit denen der gelernte Handwerker und Theologe Paulus einfach nicht mithalten konnte.

Und doch hörten ihm Menschen zu, wenn er vom gekreuzigten Christus predigte. Nicht alle, nicht einmal besonders viele, aber Einige glaubten.

Der Journalist und Buchautor Christian Nürnberger hat vor zwei Jahren (am 30. November 2003 beim 34. Rheinischen Pfarrerinnen- und Pfarrertag in Bonn) einen Vortrag gehalten mit dem Titel „Warum McKinsey für die Kirche keine Lösung ist“. Er lehnt darin die Versuche der Kirche, durch Unternehmensberater und Werbeagenturen wieder in der Öffentlichkeit mehr wahrgenommen zu werden, ab. Er hält sie schlicht für Geldverschwendung. Als Außenstehender rät er der Kirche, sich nicht so sehr um öffentliche Aufmerksamkeit zu kümmern, sondern mehr um ihre Botschaft. Gott kam seinerzeit auch nicht mit publikumswirksamen Gladiatorenkämpfen oder berühmten Philosophen, sondern in dem Zimmermannssohn Jesus aus Nazareth im abgelegenen Galiläa.

Liebe Gemeinde, wir als Christen haben uns versammelt, weil es eine Botschaft gibt. Wir verkünden Christus, der den Tod kennt. Jesus, der den Tod überwunden hat. Die Botschaft von den Leiden Christi ist nicht immer medienwirksam, aber uns nah. Ich denke an Gemeindeglieder, die nicht hier sind, weil sie krank sind, an Menschen, die sich wünschen, sie hätten die Kraft, hierher zu kommen. Es ist die Botschaft, die wir als Christen verkünden: Das Leiden ist Gott nicht fern, weil Christus am Kreuz gelitten hat. Zur Botschaft vom Kreuz gehört die Botschaft von der Auferstehung: Das Leiden ist nicht das Ende.
Wir verkünden auch Christus, der bei seiner Ankunft Wasser in Wein verwandelt. Christus, der alles verändert, wenn er kommt.
Wir verkünden, dass Gott sich dieser Welt zuwendet.

Liebe Gemeinde, wenn Gemeinde wachsen soll, dann reicht es nicht, wenn hier jeden Sonntag ein Gottesdienst stattfindet, dann reicht es auch nicht, wenn eine Werbeagentur beauftragt wird. Gemeinde wächst, wenn wir, das, was uns Gott, was uns Christus bedeutet, weitersagen. Gemeinde wächst, wenn Oma mit dem Kind betet, der Vater, mal eine Bibelgeschichte erzählt. Gemeinde wächst, wenn eine Frau in der Kneipe, wenn mal wieder alle über die Kirche herziehen, zugibt: „Ich bin Christin.“

Gemeinde wächst, wenn wir weitersagen, was uns herführt.

Sibylle Reh
Hildesheim
sreh@gmx.de


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