Göttinger Predigten im Internet
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Epiphanias, 6. Januar 2006
Predigt über Kolosser 1, 24-29, verfasst von Christian-Erdmann Schott
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)


Liebe Gemeinde, das Evangelium des Epiphaniasfestes – wir haben es eben als Lesung gehört – , die Geschichte von den Weisen aus dem Morgenland, bildet eine deutliche Ergänzung zu der Weihnachtsgeschichte aus dem Lukasevangelium, die an Heilig Abend verlesen wird. Dort wird erzählt, dass die Botschaft von der Geburt Jesu Christi zuerst den Hirten verkündet wurde, Menschen, die am unteren Ende der sozialen Skala standen, aber zum Volk Israel gehörten. Demgegenüber werden uns in der Geschichte von den Weisen aus dem Morgenland Personen geschildert, die weit oben angesiedelt sind, möglicherweise sogar die Spitzen der damaligen Weltweisheit repräsentierten, Gelehrte, vielleicht auch Könige, die aber keine Israeliten sind. Sie kommen aus fernen Gegenden, sind Repräsentanten verschiedener Weltteile und Vertreter der Heiden.

Dieser Gegensatz hat immer das Besondere des Epiphaniasfestes ausgemacht. Es sollte deutlich werden: Die Erscheinung (griechisch Epiphanie) des Heilandes ist nicht allein die große neue Hoffnung für Israel, sondern für die ganze Welt. Sie gilt Juden und Heiden, sie gilt den Armen wie den Hohen und Großen, Ungebildeten wie Gebildeten.

Diesen Grundzug des Heilshandelns Gottes hat vor allem ein Mann ganz früh, noch vor den von Jesus Christus zu seinen Lebenszeiten selbst eingesetzten Aposteln, begriffen: der spät berufene Paulus. Er erkannte die Weltbedeutung der Sendung Jesus Christi. Darum war es sein Ziel, diese Botschaft nun auch in die Welt hinauszutragen. Sein Missionswerk, seine Reisen, seine Gemeindegründungen stehen unter diesem Vorzeichen. Die Kirche ehrte ihn, indem sie ihm den Beinamen „Apostel der Heiden“, „Apostel der Völker“, gegeben hat.

Bei seiner Missionstätigkeit hat Paulus viel durchmachen müssen: Verleumdungen, Anfeindungen, Anklagen, Gefangenschaft, Schiffbruch, Krankheit, Einsamkeit, Strapazen aller Art. Diese Leiden für die Sache und im Dienst Jesu Christi werden in unserem heutigen Predigttext thematisiert. Ich lese:

Nun freue ich mich in den Leiden, die ich für euch leide, und erstatte an meinem Fleisch, was noch mangelt an den Trübsalen Christi, seinem Leibe zugut, welcher ist die Gemeinde.
Ihr Diener bin ich geworden nach dem Ratschluss Gottes, der mir anvertraut ist für euch, um Gottes Wort in seiner Fülle kundzumachen,
nämlich das Geheimnis, das verborgen gewesen ist von allen Zeiten und Geschlechtern her; nun aber ist es offenbart den Heiligen.
Ihnen wollte Gott kundtun, was da sei der herrliche Reichtum dieses Geheimnisses unter den Heiden, welches ist Christus in euch, die Hoffnung der Herrlichkeit.
Den verkündigen wir und vermahnen alle Menschen und lehren alle Menschen mit aller Weisheit, auf dass wir einen jeglichen Menschen darstellen vollkommen in Christus;
daran ich auch arbeite und ringe in der Wirkung des, der in mir kräftig wirkt.

Das Auffälligste an diesen Sätzen ist der Anfang „Ich freue mich in den Leiden, die ich für euch leide“. Es wäre nicht nur für mich auf Anhieb sehr gut nachvollziehbar, wenn Paulus seinem Herzen einmal Luft gemacht und ein kräftiges Klagelied angestimmt hätte über all das viele höchst Widerwärtige, was er auf seinen Missionsreisen erleben muss. Und nicht nur das. Es hätte mir auch sehr eingeleuchtet, wenn er sich einmal über die Zählebigkeit und über die Widerstandskraft des Unglaubens beklagt hätte, auf die das Evangelium, das er in bester Absicht verbreitete, schließlich auch gestoßen ist. Natürlich hat er einige Erfolge gehabt. Aber seine Leiden haben ihm ja zu einem guten Teil gerade die zugefügt, die er nicht überzeugen konnte, die sich gegen das Evangelium wehrten und ihn, den Apostel, dafür schlecht behandelten. Also – ein paar Seufzer, ein paar klagende Worte des großen Mannes hätte ich sehr gut verstehen können.

Statt dessen erklärt er „Ich freue mich in den Leiden, die ich für euch leide“. So wie ich den Apostel verstehe, hat er für diese Haltung zwei Gründe.

Der eine ist, dass er den sehr verschiedenartigen Widerstand, den er hinter seinen Leiden erkennt, als letztlich zukunftslos, ohne wirklich große, mitreißende Perspektive durchschaut. Die Ablehnung, auf die das Evangelium trifft, ist verbissen, ängstlich, kleinkariert. Da ist nichts, was dem Evangelium wirklich gewachsen oder gar überlegen wäre. Die Leute, die sich dagegen stark machen, bangen um ihre Pöstchen, um ihre Bequemlichkeit, haben Angst vor Veränderungen und merken gar nicht, wie alt sie aussehen, wie wenig Freude, Begeisterung, Aufgeschlossenheit, Neugier, Aufbruch, Zukunft von ihnen ausgeht.

Genauso freudlos und ängstlich wie sie selber sind, ist auch die Welt, für die sie sich einsetzen und an der sie festhalten. Diese Leute und diese Welt zeigen mit ihrem Verhalten nur überdeutlich an: Gerade sie brauchten das Evangelium. Aber dagegen verschließen sie sich. Sie klammern sich an die Macht in ihren Händen. Und dort, wo sie an der Macht sind, haben sie auch durchaus Möglichkeiten, dem Apostel zu schaden. Aber im Grunde kann sich jeder nur freuen, wenn er dieser vergangenen, alten, perspektivlosen Welt nicht mehr angehören muss. Das macht den Apostel froh und auch siegesgewiss.

Der andere Grund für die Freude in seinen Leiden ist, dass er sich von Gott gewürdigt sieht, die Botschaft von der Liebe Gottes, die mit der Botschaft des Engels und dem Kommen Jesu Christi an Weihnachten zuerst aufleuchtete, weiterführen und fortsetzen zu dürfen. Er nennt diese Botschaft hier das „Geheimnis“ Gottes. Das ist es ja auch. In der gesamten Religionsgeschichte vor und außerhalb des Christentums ist niemand auf die Idee gekommen, Gott als Vater und als Liebe zu sehen. Diese Botschaft war und ist der Welt – auch wenn sie die Welt inzwischen durch das Christentum kennt – fremd. Die Welt erlebt sich selbst fern von der Liebe Gottes und eher als eine Welt der Gewalt, der Lieblosigkeit, der Lüge und der Ungerechtigkeit.

Aber nun darf der Apostel Paulus als Diener Gottes diese Botschaft in die Welt tragen. Das erfüllt ihn mit Freude und Dankbarkeit. Er weiß: Etwas Besseres gibt es für die Welt nicht. Er sieht allerdings auch, dass diese Botschaft ebenso wie ihre Boten in der Welt Fremdkörper sind – so wie auch Jesus Christus selbst ein Fremdkörper war. Die Welt konnte ihn in der großen Mehrheit nicht ertragen. Sein Leiden und Sterben aber war ein Teil der Botschaft, die er brachte. Denn sein Leiden und Sterben sollte auch die Vergebung Gottes, das heißt die durchgehaltene Liebe Gottes, gegenüber der Ablehnung dieser Botschaft durch die Menschen demonstrieren.

Christus allerdings hat zu seiner Zeit gekämpft und gelitten. Nach ihm kommen die Christen. Sie leiden für die Botschaft Gottes und für Christus in ihrer Zeit; Paulus in der seinen, wir in der unseren. Die Leiden der Christen gehören zu dem Gesamtwerk Gottes, das erst mit der Wiederkunft Christi und der Aufrichtung des Gottesreiches in Herrlichkeit seine Erfüllung und seinen Abschluss finden wird. Das meint Paulus mit dem Satz „Ich erstatte an meinem Fleisch, was noch mangelt an den Trübsalen Christi“. Das heißt aber eben auch: Ich bin gewürdigt, an meiner Stelle und in meiner Zeit an dem von Gott eingeleiteten Erlösungswerk mitzuarbeiten.

Damit wird das Leben und Leiden des Paulus und das Leben und Leiden jedes Christen in die Dimensionen des Reiches Gottes hineingestellt und zugleich ganz irdisch verortet. Jeder bekommt seinen Platz in dieser Welt zugewiesen – nämlich in der Gemeinde. Gerade weil die Welt sich so zäh gegen Gott sperrt, braucht jeder, der an die Zukunft Gottes glaubt, auf sie setzt und für sie eintritt, in dieser Welt eine Heimat, Brüder und Schwestern, die diesen Glauben teilen, sich gegenseitig stärken, trösten, ermutigen. Nicht ohne Grund hat Paulus nicht eine philosophisch-theologische Schule nach Art der antiken Rhetoren und Philosophen gegründet, sondern Gemeinden. Gemeinschaften, in denen das neue Leben in Gott schon hier in dieser noch alten Welt ein Stück weit schon gelebt wurde – mit allen Unvollkommenheiten, von denen wir wissen.

Bei uns heute wird das Leiden der Kirche an der fortdauernden Gottesverweigerung der Welt häufig übertönt durch das Leiden der Kirche an sich selbst, an den allzu menschlichen Zuständen und Defiziten innerhalb der Kirche. Gerade darum ist es wichtig, dass wir uns vom Apostel Paulus an unsere eigentlichen Aufgaben als Kirche und Gemeinde erinnern lassen: Ausbreitung des Glaubens (Mission) und Beheimatung der Glaubenden. Wenn wir vor allem diese großen, eigentlichen Aufgaben sehen, werden die beklagenswerten Erscheinungen in der Kirche nicht aufhören. Aber sie werden nicht dominieren, uns nicht lähmen und handlungsunfähig machen. Vielmehr werden wir durch die großen Perspektiven, in denen wir leben, kämpfen und leiden dürfen, erhoben, begeistert, erfüllt sein. Wir werden dankbar sein, dass wir von Gott und in der Gemeinde gebraucht werden. Dann wird auch der Geist wieder wach werden , der den Apostel Paulus beseelt hat und ihn schreiben ließ „Ich freue mich in meinen Leiden“ und will „kundtun, was da sei der herrliche Reichtum des Geheimnisses (Gottes) unter den Heiden, welches ist Christus in euch, der Hoffnung der Herrlichkeit“. Amen

Dr. Christian-Erdmann Schott
Pfarrer em.
Elsa-Braendstroem-Str. 21
55124 Mainz

ce.schott@surfeu.de







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