Göttinger Predigten im Internet
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Epiphanias, 6. Januar 2006
Predigt über Kolosser 1, 24-27, verfasst von Jasper Burmester
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)


Den Predigttext für diesen Gottesdienst schreibt Paulus an die Gemeinde der Kolosser:
Jetzt freue ich mich in den für euch erlittenen Leiden und erfülle die Bedrängnisse Christi, die noch ausstehen, an meinem Körper für seinen Leib, das ist die Kirche. Ihr Diener bin ich geworden nach dem göttlichen Amt, das mir für euch verliehen wurde, das Wort Gottes zu erfüllen; nämlich das Geheimnis Gottes, das vor ewigen Weltzeiten und Menschengeschlechtern verborgen war, jetzt aber seinen Heiligen offenkundig geworden ist. Ihnen wollte Gott kundtun, welches der Reichtum dieses Geheimnisses unter den Völkern sei: Christus in euch, die Hoffnung auf Herrlichkeit.
Übersetzung nach Wilkens, Conzelmann (NTD), Schweizer (EKK)

Liebe Gemeinde am Epiphaniasfest -
Um Erscheinungen geht es heute. Es erscheint etwas. Es scheint etwas auf. Gott erscheint. Gott offenbart sich. Er erscheint, er offenbart sich in der Geburt eines Kindes, dieses Kindes Jesus. So kommt er in unsere Welt. Der Ewige, dem alle Gewalt im Himmel und auf Erden gehört, wird geboren, wie jede und jeder von uns. Gott wird Mensch. Ein unscheinbarer Vorgang, alltäglich - ein Kind wird geboren, in einer Hütte. Und zugleich: Ein Weltereignis, ein Geschehen, das Himmel und Erde bewegt.

I Eine gute Nachricht breitet sich aus und die drei Magier machen sich auf die Suche.
Der Evangelist Matthäus erzählt, dass zu dieser Zeit ein neuer Stern am Nachthimmel erscheint. Sternenkundige sind sie, die drei Männer aus fernem Land, die sich auf die Suche nach der Ur-Sache dieser himmlischen Erscheinung machen. Sie finden, nicht ohne Schwierigkeiten und diplomatische Verwicklungen, schließlich den ganz irdischen Ort dieser Himmelserscheinungen. Und siehe, der Stern, den sie im Morgenland gesehen hatten, ging vor ihnen her, bis er über dem Ort stand, wo das Kindlein war. Als sie den Stern sahen, wurden sie hoch erfreut und gingen in das Haus und fanden das Kindlein mit Maria, seiner Mutter, und fielen nieder und beteten es an und taten ihre Schätze auf und schenkten ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe. Waren die ersten Zeugen der Geburt, die Hirten von den Hürden Bethlehems, bodenständige, erdverbundene Menschen, die verstanden, dass da in der Mitte ihres Volkes etwas ihnen zugut geschehen war, so sind diese drei weitgereisten Männer Zeugen der alle Grenzen überschreitenden Bedeutung dieser Geburt des Ewigen in die Welt.

Dieses Kind, so heißt es, aber wuchs und wurde stark, voller Weisheit, und Gottes Gnade war bei ihm. Aus diesem Kind wurde vordergründig der Zimmermannssohn Jesus aus Nazareth, ein Wanderprediger, der den Selbstgerechten die Leviten las, ein Heiler, der an Kranken und Zerbrochenen mancherlei Wunderbares vollbrachte, ein Gerechter, der den Tod der Ungerechten starb. Ein besonderer Mensch also, einer an dem man sich orientieren oder reiben, dem man nacheifern und den man verdammen kann. Dass aber dieser Jesus der Christus ist, der Frieden bringt zwischen dem ewigen Gott und der verlorenen Welt: das ist nicht vordergründig sichtbar, davon weiß nur der Glaube. Dass seine Wunder und seine Worte mehr waren, als man sah und hörte, dass sie Zeichen waren für Gott, der in seine Welt kommt und sie heimsucht und heimholt aus der Entfremdung - das muss geglaubt werden, das ist das Geheimnis, das da offenbart wird. Es erschließt sich nur dem Glauben, dass dieser als Gekreuzigter nicht im Tode blieb, sondern auferweckt am dritten Tag seinen Jüngern anvertraute: Gehet hin in alle Welt und macht zu Jüngern alle Völker.

II Eine gute Nachricht breitet sich aus - und Paulus macht sich auf den Weg in die Welt
Durch Paulus und seinen geistgewirkten Mut, konnte die Gute Nachricht vom Zur-Welt-Kommen Gottes in Jesus Christus die Grenzen des jüdischen Glaubens- und des aramäischen Sprachraums zu überschreiten - er ging tatsächlich hin „in alle Welt”, in die damals bekannte des römischen Weltreichs und der griechischen Sprache und Denke und damit und dadurch über alle Grenzen hinweg zu allen Menschen. Das ging für ihn und alle, die nach ihm kamen, nicht ohne leidvolle Erfahrungen. Davon spricht unser Predigttext, wohl aus dem Gefängnis heraus verfasst: Jetzt freue ich mich in den für euch erlittenen Leiden und erfülle die Bedrängnisse Christi, die noch ausstehen, an meinem Körper für seinen Leib, das ist die Kirche. Ihr Diener bin ich geworden nach dem göttlichen Amt, das mir für euch verliehen wurde, das Wort Gottes zu erfüllen. Vielleicht sind wir irritiert von der „Freude” am erlittenen Leiden. Dabei kennen wir das auch - dass wir für ein Ziel gerne bereit sind, Opfer zu bringen, ein Maß an Leid auf uns zu nehmen, sei es die Geburt eines Kindes, die Rettung eines Menschenlebens, sei es ein Auftrag, eine Arbeit, die wir ganz und gar zu unserer Sache gemacht haben, so wie Paulus seinen Auftrag, das Wort vom Ewigen, der inmitten der Welt erschien, weiterzusagen. Was er zu sagen hat ist nicht weniger als dieses: Das Geheimnis Gottes, das vor ewigen Weltzeiten und Menschengeschlechtern verborgen war, jetzt aber seinen Heiligen offenkundig geworden ist. Ihnen wollte Gott kundtun, welches der Reichtum dieses Geheimnisses unter den Völkern sei: Christus in euch, die Hoffnung auf Herrlichkeit.

Auch hier geht es um Epihanie, um eine Erscheinung. Jetzt aber, so sagt es Paulus, jetzt wird offenbar, jetzt kommt zur Welt und ans Licht, was in den unergründlichen Tiefen Gottes, in seinem Heilsplan für die Welt, beschlossen und bereitet war. Diese Offenbarung beginnt mit der Geburt Jesu und sie endet nicht mit der Kreuzigung, nicht mit Auferstehung und Himmelfahrt, sondern geschieht immer noch. Sie geschieht allerdings nicht so, dass sie jede und jeder versteht, sie geschieht nicht allgemein und jedem Menschen, sondern „seinen Heiligen”. Damit sind allerdings nicht nur die Frömmsten der Frommen gemeint, sondern die von Gott in der Taufe berufenen und geheiligten. Also auch wir.

III Eine gute Nachricht breitet sich aus und so kommt Christus auch in uns. Das kann auch hier und heute geschehen, denn die Epiphanie geht weiter. Natürlich ist die Bibel abgeschlossen, ein fertiges Dokument, dem wir nichts hinzuzufügen haben. Aber wenn sie nicht weitergegeben, weitererzählt, übersetzt und ausgelegt wird, dann ist sie -wie so viele alte Bücher- ein Stück Geschichte, Literatur- und Kulturgeschichte, aber nichts lebendiges mehr. In diesem Sinne geht die Offenbarung weiter, dass auch heute Menschen einander von der guten Nachricht erzählen, die Alten den Jungen, die Engagierten den Gleichgültigen, die Wissenden den Nichtwissenden. Das geschieht nicht nur, aber ganz zentral eben auch im Gottesdienst, in der Predigt. Sie ist das Wort, von dem Paulus den Kolossern schreibt, dass es erfüllt, werden solle, ausgebreitet, weitergesagt. Und wenn es wahr ist, was Paulus seinen Gemeinden damals schrieb, wenn es mehr als nur ein schönes Bildwort ist, dann erscheint sich in diesem Weitersagen, im Leben der Gemeinden und der weltweiten Kirche auch heute noch Christus, dann lebt Christus hier und heute: Er als Haupt, wir, Christinnen und Christen, als seine Glieder an seinem Leibe, die wir durch unsere Taufe dazu gekommen sind. Dann ereignet sich, dass, wo zwei oder drei in seinem Namen sich versammeln, Christus mitten unter ihnen präsent ist.

Daran sind viele unter uns aktiv beteiligt - im Ehrenamt und als Beruf, als Kirchenvorsteherinnen und Kirchenvorsteher, als Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Und das ist es, was den Unterschied ausmacht zu allen anderen Engagements und Tätigkeiten: Dass Sie, dass wir mit dafür sorgen, dass Christus auch heute in seiner Kirche lebt. Vieles, was wir tun, sei es im Kirchenvorstand oder in den verschiedenen Arbeitsbereichen unserer Gemeinde, könnten wir genau so oder ähnlich auch woanders tun, in Vereinen oder Unternehmen, Behörden oder Schulen. Aber über alle Kraft und Phantasie, über alles Geschick und Können, über allen Einsatz und Zeiteinsatz hinaus geht es hier, in der Kirche, dem Leib Christi eben um dieses Mehr: Das Geheimnis Gottes, das vor ewigen Weltzeiten und Menschengeschlechtern verborgen war, jetzt aber seinen Heiligen offenkundig geworden ist. Ihnen wollte Gott kundtun, welches der Reichtum dieses Geheimnisses unter den Völkern sei: Christus in euch, die Hoffnung auf Herrlichkeit.

Dass Christus durch uns in dieser Welt lebendig ist - das ist der Unterschied, das ist die Würde, die Verpflichtung, die Verantwortung und die Verheißung unseres Lebens und Arbeitens in dieser Kirchengemeinde. Dazu gebe der gute Gott uns Alles, was wir dazu brauchen. Amen

Anmerkung: Der Gottesdienst am Epiphaniasfest ist in unserer Gemeinde dadurch geprägt, dass dazu die Mitglieder des Kirchenvorstands und die Mitarbeiter besonders eingeladen werden und Verabschiedungen und Einführungen an diesem Abend stattfinden.

Von den verschiedenen Textübertragungen hat mich keine als ganze überzeugt. Der wiedergegebene Text stammt von den genannten Übersetzern.

Hilfreich war die Textbesprechung von G.Voigt (1984, Göttingen)

Jasper Burmester
Evang.-Luth. Kirchengemeinde Hamburg-Volksdorf
jasperbu@aol.com

 


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