Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach

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Heiliges Christfest II, 26. Dezember 2005
Predigt über Offenbarung des Johannes 7, 9-12, verfasst von Elisabet Mester
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)


Lieder:
Der für den Sonntag vorgesehene Psalm 96 ist leider (im Stammteil des Evangelischen Gesangbuchs) nicht vertont. Man könnte stattdessen das (im niedersächsischen Anhang unter 539 wieder gegebene) Weihnachtslied "Singet frisch und wohlgemut" singen.
Andere Liedvorschläge:
EG 33, 2+3 Willkommen, Jesu, Gottes Lamm
EG 38 Wunderbarer Gnadenthron
EG 39, 6+7 o du hoch gesegnete Stunde
EG 40, 3-5 in diesem Lichte kannst du sehen
EG 42, 8+8 jauchzt, Himmel
EG 45, 3 jauchzt, ihr Engelchöre

Liturgisches:
Der Schlusschor (Nr. 11) der Bachkantate "Ich hatte viel Bekümmernis" (BWV 21) geht auf Offb. 5, 12 und erinnert sehr stark an die Doxologie im letzten Vers des Predigttexts, die im Mittelpunkt dieser Predigt steht: "Das Lamm, das erwürget ist, ist würdig zu nehmen Kraft und Reichtum und Weisheit und Stärke und Ehre und Preis und Lob. Lob und Ehre und Preis und Gewalt sei unserm Gott von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen, Halleluja!"

Kollektengebet:
Mit den Engeln von Bethlehem wollen wir dein Lob singen, du großer Gott, und dir dafür danken, dass du zu uns auf die Erde gekommen bis, ein Kind der Maria, ein Freund der Menschen. Komm du in unser Herz und mach uns froh, lass uns einstimmen in den Gesang der Engel, die dich loben Tag und Nacht, schenk uns die wahre Weihnachtsfreude.
Dir sei Ehre in Ewigkeit. Amen

Fürbittengebet:
Wir bitten dich, Gott, für uns und für andere.
Sei bei uns, wenn wir gemeinsam rufen: erhöre uns!
Um Einverständnis bitten wir dich, dass wir "amen" sagen können zu dem, was du wirkst, und unser Leben annehmen aus deiner gütigen Hand. Gemeinsam rufen wir: erhöre uns!

Dass dein Lob gesungen werde hier auf der Erde so wie im Himmel, darum bitten wir dich. Hilf uns zu Frieden und Gerechtigkeit, dass alle Völker dich loben können. Gemeinsam rufen wir: erhöre uns!
Lass uns dir die Ehre geben und lehre uns, Ehrfurcht zu empfinden vor deiner Schöpfung, dem Werk deiner Hände, dass wir den Garten bebauen und bewahren, den du uns gegeben hast. Gemeinsam rufen wir: erhöre uns!

Gib uns Weisheit, großer Gott, lass uns erkennen, wie wunderbar du wirkst in uns und in der ganzen Welt. Zeige uns den Weg, auf dem wir gehen können, auf dich zugehen können und auf dein Reich. Gemeinsam rufen wir: erhöre uns!

Dank sei dir für alles, was du uns gibst. Du hast uns reich beschenkt und uns vieles anvertraut. Dass wir nicht hängen an unserem Besitz, dass wir frei sind zu teilen, das schenke uns auch. Gemeinsam rufen wir: erhöre uns!

Wir preisen dich für deine Liebe, Gott, dass du zu uns gekommen bist und bist als Kind geboren im armen Stall von Bethlehem, hast Wohnung genommen in unseren Herzen und uns zu deinen Menschen gemacht. Gib, dass wir deine Menschen bleiben, dich preisen hier und in deinem Reich. Gemeinsam rufen wir: erhöre uns!

In deiner Kraft, du großer Schöpfer, ist die Welt erschaffen, deine Kraft macht bis heute alles lebendig, was lebt. Lass uns atmen deine Kraft, dass wir lebendig sind in dir und mitwirken an dem, was du tust. Gemeinsam rufen wir: erhöre uns!

Deine Stärke macht uns frei und schützt uns vor allem, was uns schaden könnte. Darum bitten wir dich, lieber Herr Jesus: lass uns sicher und geborgen sein bei dir. Zu deiner Gemeinde gehören wir hier und im Himmel. Gemeinsam rufen wir: erhöre uns!

Du hast die Bitten Saras und Abrahams erhört, mit Mirjam und Moses hast du gesprochen. Du hast Maria Mut gemacht und ihr geholfen, deinen Sohn zur Welt zu bringen. Auch unsere Bitten wirst du nicht verwerfen. Wir schließen uns an alle an, die dir vertraut haben und die zu deiner Gemeinde gehören. Zusammen mit ihnen sprechen wir: Amen.

Predigttext Offenbarung 7, 9-12
"Danach sah ich, und siehe, eine große Schar, die niemand zählen konnte, aus allen Nationen und Stämmen und Völkern und Sprachen, die standen vor dem Thron und vor dem Lamm, angetan mit weißen Kleidern und mit Palmzweigen in ihren Händen, und riefen mit großer Stimme: das Heil ist bei dem, der auf dem Thron sitzt, unserm Gott, und dem Lamm! Und alle Engel standen rings um den Thron und um die Ältesten und um die vier Gestalten und fielen nieder vor dem Thron auf ihr Angesicht und beteten Gott an und sprachen: Amen, Lob und Ehre und Weisheit und Dank und Preis und Kraft und Stärke sei unserm Gott von Ewigkeit zu Ewigkeit!" (Luther-Übersetzung)

Predigt:
Liebe Gemeinde,
Wunderbar verhüllt und nicht ganz deutlich erkennbar scheint mir Weihnachten bis heute. Ich höre die Botschaft von dem neu geborenen Kind in Bethlehem und weiß doch nicht genau, was sich in diesem Jahr für mich dahinter verbirgt. Was für eine Kostbarkeit wird es diesmal geben?
Etwas Himmlisches und etwas Irdisches kommen hier zusammen. Oben überm Dach singen die Engel, die Boten aus dem Paradies, die uns erzählen, wer da aus ihrer Welt zu uns gekommen ist. Unten im Stall liegt ein Säugling in einem Futtertrog auf Heu und Stroh. Kostbar ist er und ganz für uns, sagen die Gottesboten.
Ganz leicht zu verstehen ist das Geschehen nicht. Aber vielleicht sollen wir es auch gar nicht nur verstehen und es ist gerade das, was diese Fest so wunderbar und faszinierend macht für uns: Voller Gefühle und Erinnerungen, irgendwie zauberhaft ist es, wie hinter einem Schleier verborgen. Wir merken aber alle Jahre wieder: im Schatten dieses Vorhangs fahren Engel vom Himmel auf die Erde, und unsere Wünsche und Sehnsüchte steigen hinauf zum Himmel.
Wenn wir einmal in den Himmel schauen und sehen könnten, was dort aus unserem sehnlichen Wünschen wird, wenn wir auch mal von dort herunterschauen dürften und sehen, wie unsere Welt von dort erscheint - das wäre wunderbar.
Heute haben wir ein Stück aus der Johannesoffenbarung gehört, das im Himmel spielt. Da trifft sich eine bunt gemischt Schar von Frauen und Männern, Kindern und alten Menschen. Aus allen Völkern und Sprachen sind sie dort zusammen gekommen, um das Kind in der Krippe zu feiern. Sie sagen eine ganze Menge darüber, wie Gott erscheint, dort auf der anderen Seite, zusammen mit den Engeln. Was ist aus ihrer Sicht über den zu sagen, der in Bethlehem zur Welt kam?
"Amen, Lob und Ehre und Weisheit und Dank und Preis und Kraft und Stärke sei unserm Gott von Ewigkeit zu Ewigkeit", sagen sie. Acht Merkmale sind es, die sie Gott zusprechen; wie Perlen auf eine Schnur aufgereiht finden wir sie hier: acht Kennzeichen, die auf den Gott von Weihnachten passen sollen.
Amen, Lob und Ehre und Weisheit und Dank und Preis und Kraft und Stärke - womöglich klingen diese Worte in unseren Ohren ein wenig altmodisch. Aber wir können ja einmal versuchen, den Staub abzuwischen und die Perlen aufzupolieren.

Zunächst das Wort "Amen", mit dem es hier beginnt. Wir sagen es eigentlich immer zuletzt, am Schluss eines Gebets. Es bedeutet übersetzt: so sei es. So soll es auch sein. Ich will mich drauf verlassen, dass es so kommt, wie ich's erbeten habe. "Amen" zu sagen heißt also, zu vertrauen, sich anzuvertrauen. Einssein mit dem, was wir hoffen und einverstanden sein mit dem, was Gott schicken wird. Wer so "amen" sagen kann, ist mit Gott und mit sich selbst im Reinen. Beten und bitten, Vertrauen fassen und Gott alles zutrauen. Ja sagen zu dem, was Gott wirkt. Wir sagen es sonst als letztes Wort; hier steht es nun als erstes. Ein großes Einverständnis mit Gott. Damit kann alles beginnen.

Die nächste Perle auf unserer Schnur heißt "Lob". Wer ein Lob bekommt, kann sich freuen. Es ist ja so etwas wie eine Auszeichnung. Ein kleines Lob tut immer gut. Es gibt aber auch ein großes Loben. Das erfüllt den Himmel und es hört nie auf. Die Engel singen es für Gott. Wer Ohren hat zu hören, kann es wahrnehmen. Manche sagen, sie erkennen es sogar im Lachen der Kinder, im Zirpen der Meisen und in der Stille der Nacht. Wenn wir im Gottesdienst zusammen singen, dann versuchen wir, in dieses große Lob einzustimmen. Mitsingen mit den Engeln im Himmel. Das erfüllt einen Menschen mit großer Freude. Das Lob gilt Gott, aber es macht in jedem Fall denjenigen froh, der es spendet. Mehr als froh sogar. Glücklich.

"Amen, Lob und Ehre". So geht es weiter. Der dritte Schmuckstein auf unserer Kette: "Ehre". Ein merkwürdiges Wort wie aus vergangener Zeit. Es hat mit dem Bild zu tun, das wir uns voneinander machen. Wenn ich von einem anderen Menschen so gut denke, wie es mir nur irgend gelingt, wenn ich ihm das Beste zutraue und ihm alles Schöne und Wertvolle zugestehe, auf das ich nur kommen kann, dann gebe ich ihm Ehre. Ich denke dann vielleicht besser von diesem Menschen, als er im Moment gerade erscheint, aber das heißt auf der anderen Seite eben, dass er in meinen Augen so gut werden darf und kann, wie ich es von ihm denke. (Meine Tochter ist die Allerbeste für mich, auch wenn sie vielleicht gerade jetzt nicht den allerbesten Eindruck macht. Ich weiß einfach, dass sie wunderbar ist, und ich hoffe in jedem Moment, dass sie all das Gute, das in ihr steckt, noch zum Vorschein bringen wird.) Es ist gut, von einem anderen Menschen so positiv zu denken. Es gibt ihm eine Menge guter Chancen. Es hilft ihm auch, dem vorteilhaften Bild näher zu kommen, das wir von ihm und für ihn hoch halten wie ein Panier.
Einen gibt es allerdings, von dem wir nicht besser denken können als er ist. Das ist Gott. Wenn wir ihm die Ehre geben und also versuchen, von ihm das Beste anzunehmen und zu erwarten, dann verbessern wir damit nicht seine Chancen, sondern unsere Sicht. Wir sehen ihn mehr so, wie er ist, wenn wir ihn ehren. Wir erkennen mehr von ihm und kommen seiner Wahrheit näher. Gottes Ehre. Sie hoch zu halten, ist eine große Chance. Für uns.

"Amen, Lob, Ehre, Weisheit". Wir sind bei der vierten Perle angekommen. Weisheit ist ein großes Wort. Es ist mehr als Klugheit, mehr als Verstand und Intelligenz. Weisheit ist größer als Einsicht und Vernunft. Wer weise ist, vermag die wahre Bedeutung hinter den Dingen zu erkennen. Wissen, worum es geht bei dem Ganzen. Mehr sehen als den Augenschein, mehr verstehen als die logischen Zusammenhänge, das ist weise. Wer "amen" sagt und sich mit Gott ganz einverstanden zeigt, wer loben kann und einstimmt in die Freude der Geschöpfe über ihren Schöpfer, wer Gott die Ehre gibt, die ihm gebührt und nach und nach verstehen lernt, wie gut Gott es mit uns meint, wird mit der Zeit wohl weise. Wissen, dass mehr dahintersteckt, als was wir sehen. Die Wahrheit Gottes durch unsere Wirklichkeit hindurchschimmern sehen. Das ist weise.
Wir sehen hier einen armen Stall, in dem ein paar schlecht gekleidete Hirten einem jungen Mädchen zu seinem Kind gratulieren. Ihr Freund ist auch dabei; der Säugling ist vielleicht zu früh geboren worden, unterwegs auf einer Reise, die wegen einer Volkszählung nötig geworden war. Bald schon wird das Kind fliehen und im Ausland um Asyl nachsuchen müssen, weil die Mächtigen ihm nach dem Leben trachten.
Weise sein und die göttliche Wahrheit dahinter erahnen, das heißt, hier Gott zu sehen, der sich traute, ganz klein zu werden für uns. Winzig und völlig schutzlos, angewiesen auf Muttermilch und Windeln, auf menschliche Zuwendung und den wärmenden Atem der Tiere, die diesen Gott als Kind in ihrem Futtertrog vorfinden. Wer weise ist und ahnen kann, was hier geschehen ist, dem stockt der Atem vor Erstaunen und Glück. Gott ist da. Bei uns. So nah wie nur möglich. Die Hirten haben es verstanden: Gott ist angekommen. Endlich zur Welt gekommen.
Dies ist das tiefere Verständnis, um das es geht. Weisheit. Sie sucht die hinter den Ereignissen liegende Bedeutung. Sie findet sie auch.

Amen, Lob, Ehre, Weisheit und Dank. Dank ist unsere fünfte Perle. Wissen, dass wir uns nicht selbst gemacht haben. Das ist Dank. Verstehen, dass wir vieles haben und erfahren haben, dass wir nicht uns oder unserer Kraft zu verdanken hätten. Wir haben es bekommen: dies Leben, und bekommen es täglich neu aus Gottes guter Hand. Ihm verdanken wir uns mit unserer ganzen Existenz, ihm sind wir verbunden. Gott hat sich mit uns verbunden, nur deshalb sind wir da. Das zu erkennen ist Dank.
Als nächstes reiht sich an den Dank der Preis. Damit sind nicht die Kosten gemeint, und auch nicht die Auszeichnung, die man für besonders gute Leistungen erhalten und sich ans Revers heften kann.
Der Preis, der Gott gilt, ist der mitempfundene Dank. Wenn ich das nicht nur weiß, dass Gott es ist, der mich geschaffen hat und mich erhält bis heute, wenn ich es auch fühle, kann ich ihn preisen. Ich kann staunen darüber, wie schön Gott ist, und mich darüber freuen, dass ich auch schön geschaffen bin, nach Gottes Bild. Ich kann singen und tanzen und beten und Gedichte schreiben und alles Mögliche tun vor Freude darüber: dass Gott Gott ist, und dass ich ich bin, und dass wir beide: Gott und ich, miteinander zu tun haben. Die wahre Weihnachtsfreude gehört da hinein, in diesen Preis Gottes.
"Kraft" heißt die siebente Perle auf unserer Kette, und gemeint ist damit die Schöpferkraft: dass unsere Erde sicher läuft in ihrer Bahn um die Sonne, dass sie uns hält und trägt und Nahrung gibt, dass auf den Winter wieder ein Frühling folgt und wir die Vögel singen hören und die Blumen blühen sehen. In dieser großen göttlichen Lebenskraft existiert alles, was es gibt, und auch wir verdanken uns ihr. Sie besteht fort und lässt nicht nach, Gutes zu tun von Morgen bis zum Abend und durch alle Nacht hindurch. Wenn wir Atem holen, wenn wir Kinder zeugen und gebären, wenn wir Leid verkraften oder Kunstwerke schaffen: wir tun es in dieser Kraft. Sie ist nicht unsere, sondern Gottes. Dass wir an ihr teilhaben, wir wollen es nicht vergessen.

"Stärke" heißt die achte und letzte Perle auf der Schnur. Wir könnten sie auch "Christus-Kraft" nennen. Jesus Christus sorgt mit seiner Stärke dafür, dass uns böse Mächte nichts anhaben können. Mit seinen guten Mächten umgibt er uns. Ob wir wach sind oder schlafen: er ist stark, uns zu beschützen. Wenn wir uns einmal in Abhängigkeiten verfangen oder in Lügen verstricken sollten: er ist stark und macht uns wieder frei. Die Stärke von Christus besteht darin, dass er sie übt und einsetzt für uns, damit wir leben können. Er ist der, an dessen Tisch wir sitzen, und den Platz, den er im Himmel für uns reserviert hat, hält er uns auch frei. Es ist gut, sich darauf zu verlassen. Nicht auf Menschen zu setzen, die stark tun und uns an ihrer Seite schwach erscheinen lassen. Sich lieber mit Menschen zusammentun, die gemeinsam aus Unterdrückung Abhängigkeiten ausziehen und sich dabei in Jesu Namen gegenseitig unterstützen. Da, wo die vermeintlich Schwachen zusammenstehen und einander zur Freiheit verhelfen, ist viel von dieser Stärke zu spüren. Viele Menschen vor uns haben schon diese Erfahrung gemacht und sich im Vertrauen auf Jesus gegenseitig dabei geholfen, frei zu sein und immer wieder frei zu werden. Sie gehören zu denen, von denen wir in der Johannes-Offenbarung gehört haben, die im Himmel um den Thron und das Lamm herum stehen und Gottes Lob singen. Wir schließen uns heute mit ihnen zusammen. Eine Gemeinde sind wir im Himmel und auf der Erde. Vereint im Lob des Gottes, der an Weihnachten von Maria geboren wurde für uns.

Wenn wir die Kette mit den acht Perlen, an der diese Predigt entlang gegangen ist, jetzt wieder vorn berühren, wo wir begonnen haben, sagen wir: Amen.

Elisabet Mester
Anna-von-Borries-Straße 5
30625 Hannover
Tel.: 0511/5354119
E-Mail: mester@annastift.de

 


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