Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach

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Adventszeit 2005
Predigt zum Gedenktag an verstorbene Kinder , verfasst von Christine Hubka
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)


Hört, wie Jesaja, der Prophet Gottes Zukunft gesehen hat:

Kühe und Bären werden zusammen weiden, dass ihre Jungen beieinander liegen, und Löwen werden Stroh fressen wie die Rinder.
Ein Säugling wird spielen am Loch der Otter, und ein entwöhntes Kind wird seine Hand stecken in die Höhle der Natter. Jes 11, 7-8

Der Löwe wird Stroh fressen wie das Rind.
Am Loch der Otter spielt das Kind …
Ohne, dass die Mutter, der Vater herbei stürzt
Und es entsetzt wegreißt.

Am Loch der Otter spielt das Kind,
ohne dass nach diesem tödlichen Spiel
ein kleiner Sarg da steht
und unter uns der Schrei zu Gott unbeantwortet bleibt:
Warum ist das passiert.

Kinder spielen immer am Loch der Otter –
Wir können aufpassen auf sie,
wir können wachsam sein.
Aber wir können die Otter nicht abschaffen.
Wir können die Gefährdungen der Kinder nicht beseitigen.
Und es geschieht,
viel öfter als wir Unbeteiligte es merken,
dass der tödliche Biss der Otter
die Hand des Kindes findet.

Die Otter hat viele Gesichter und Gestalten:
Eine Gesellschaft, in der Schwangere
keinen Platz finden können für sich und ihr Kind,
sodass es erträglicher erscheint,
es gar nicht zur Welt zu bringen.
Wie es den Müttern und Vätern dieser Kinder geht,
danach fragt die Otter nicht.
Darüber schweigen auch die,
die so schnell und lautstark
über solche Eltern das Urteil sprechen.
Schweigen –
das ist der Stoff aus dem das Gift der Otter gemacht ist.

Schweigend wird auch zur Tagesordnung übergegangen, wenn ein Kind vor der Geburt stirbt.
Oder kurz danach.

Es ist noch gar nicht lange her,
dass solchen Kindern ein Begräbnis und ihren Eltern,
ein angemessener Abschied verweigert wurde.
Seit einigen Jahren
gibt es am Wiener Zentralfriedhof ein eigenes Gräberfeld für ganz jung verstorbene Kinder.
Damit ist der Otter nicht der Giftzahn gezogen.
Aber der Triumph ist ihr genommen,
dass sie ungehört und ungesehen
ihr Werk vollbringen kann.

Wenn Kinder sterben –
ganz gleich wie groß oder wie klein sie sind,
werden wir sprachlos.

Wir, die wir dabei stehen und zusehen.
Wir, die wir nicht direkt betroffen sind.
Und es ist gut, wenn wir dann schweigen.
wenn wir uns nicht mit billigen Trostworten davonstehlen.

Nicht wir sollen reden.
Sondern, die Mütter und die Väter,
die Großmütter und die Großväter,
die Brüder und die Schwestern dieser Kinder,
brauchen Zeit und Raum und Gelegenheit,
dass sie reden können.
Und Zeichen setzen für ihre Klage.
Aber wir, die verschont wurden bis heute,
wir haben ihnen diese Zeit und diesen Raum und die Gelegenheit zu geben, dass sie klagen und weinen.
Wir haben ihre Fragen zu hören,
und mit ihnen auszuhalten,
dass es keine Antwort gibt.

Bis sie selbst die Antwort hören können,
die Gott ihnen gibt:
Ich will deinem Kind Mutter und Vater sein.
Es soll zu Hause sein in meiner Ewigkeit.

Ist dir das zuwenig?
Nicht Verheißung genug.
Nicht tröstlich genug?

Du hast recht.
Das kann nicht alles sein.
Es ist nur ein Anfang.
Die Verheißung geht weiter,
viel weiter:

Hört, was Jesaja sagt über Gottes Zukunft
Und über unsere Zukunft und die unserer Kinder:

Es wird ein Reis hervorgehen aus dem Stamm Isais und ein Zweig aus seiner Wurzel Frucht bringen.
Auf ihm wird ruhen der Geist des HERRN, der Geist der Weisheit und des Verstandes, der Geist des Rates und der Stärke, der Geist der Erkenntnis und der Furcht des HERRN.
Und Wohlgefallen wird er haben an der Furcht des HERRN. Er wird nicht richten nach dem, was seine Augen sehen, noch Urteil sprechen nach dem, was seine Ohren hören,
sondern wird mit Gerechtigkeit richten die Armen und rechtes Urteil sprechen den Elenden im Lande, …
Da werden die Wölfe bei den Lämmern wohnen und die Panther bei den Böcken lagern. Ein kleiner Knabe wird Kälber und junge Löwen und Mastvieh miteinander treiben.
Kühe und Bären werden zusammen weiden, dass ihre Jungen beieinander liegen, und Löwen werden Stroh fressen wie die Rinder.
Und ein Säugling wird spielen am Loch der Otter, und ein entwöhntes Kind wird seine Hand stecken in die Höhle der Natter.


Zu der Zeit wirst du sagen:

Siehe, Gott ist mein Heil,
ich bin sicher und fürchte mich nicht;
denn Gott der HERR ist meine Stärke und mein Psalm
und ist mein Heil.
Ihr werdet mit Freuden Wasser schöpfen
aus den Heilsbrunnen. Jes 11, 1 – 12, 3 i. A.

Christine Hubka
christine.hubka@gmx.at

 

 


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