Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach

Predigtreihe "Evangelische Lebenskunst" - 2005
Predigt zur Tageslosung vom Buß- und Bettag - Sprüche 14,38
verfasst von Alwine Slenczka
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)


Gerechtigkeit erhöht ein Volk, Sünde ist der Leute Verderben. (Sprüche 14,38)

Liebe Gemeinde!

Mit einer Großpackung Waschmittel wirbt die Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck für den Buß und Bettag. Damit macht sie deutlich: Der Buß- und Bettag ist einem Waschmittel vergleichbar, dass sie unbedingt erwerben müssen. Ursprünglich sollte der Buß- und Bettag der Tag sein, an dem die Gemeinde wegen ihrer Verfehlungen um Gottes Barmherzigkeit gebeten hat. Die Gemeinde, das Volk, soll also rein gewaschen werden. Denn im reinen Zustand geht es dem Volk gut - so der Traum: Gerechtigkeit erhöht ein Volk.

Wenn die CDU sich mehr um Gerechtigkeit gekümmert hätte, anstatt von Wettbewerb zu reden, dann hätte sie in der Wahl vielleicht besser abgeschnitten - so wurde im Nachgang zur Wahl spekuliert. Wenn Arbeit gerecht verteilt und Renten in gerechter Weise ausbezahlt würden, ginge es den Menschen besser. Gerechtigkeit erhöht ein Volk. Deutschland stünde in der Zufriedenheit des Volkes besser da, schnitte im Vergleich mit anderen Ländern besser ab. Aber um Gerechtigkeit in einem ganzen Volk zu verteilen, da brauchte es Waschmittelberge ohne Ende, kaum auszudenken, welche Massen.

Stopp! Können wir überhaupt so global und übergreifend vom Volk reden? Kann es in einem Volk jemals so viel Gerechtigkeit geben, dass dieses Volk strahlend wie auf einem Berg erhöht, für alle sichtbar, bewundert wird? Besteht ein Volk nicht aus vielen einzelnen Menschen, die alle ihre eigenen Probleme mit 'Gerechtigkeit' haben?

Die Sünde ist der Leute Verderben. Sünde betrifft nicht nur das ganze Volk an sich, Sünde hängt an den Leuten, an jedem Einzelnen, so, wie der Dreck zum Leben gehört. Die Sünde klebt wie der Dreck an den Händen, schleicht sich unter die Fußsohlen und mischt sich ins Essen. Aber was tut sie da? Sie gefährdet das Leben. Sie führt zum Verderben. Kommt Schmutz in die Wunde, dann entzündet sie sich. Bakterien verbreiten sich und tragen Keime in den Körper. Die Sünde - der Dreck. Gerechtigkeit gehört zu Gott, die Sünde zu uns.

Wie der Dreck ist die Sünde da, wo wir versuchen uns rein zu waschen. Wo wir uns aus eigener Kraft sauber machen. Wie flott und gründlich das geht: "Nein, ich brauche Dich nicht, Gott. Ich schaffe und wirke vor mich hin, sieh nur, wie gut ich das tue." Auch mit Selbstzweifeln lässt es sich gut reinigen: "Ich selbst kann ja nichts, habe nichts gelernt und bin nichts wert - bitte verlange nur ja nichts von mir, du siehst ja, ich kann nicht für mich einstehen." Sind es nicht Gottes Gaben, die er dir geschenkt hat? Ist es nicht sein Verdienst, dass du jeden Morgen neu aufstehen darfst? Aber du leugnest, dass er dich mit Gaben ausgestattet hat, mit Fähigkeiten zum Dienst für ihn. Du versteckst dich lieber hinter deinen Selbstzweifeln. Und so ist das Leben Tag für Tag gefährdet. Weil wir uns rein waschen wollen aus eigener Kraft, uns am eigenen Schopf aus dem Schmutz ziehen wollen. Und alle Energien dafür aufwenden, um vorbei zu leben am Leben - am Leben, das doch Gott uns geschenkt hat, am Leben, das 'sauber' ist.

Und doch ist die Sehnsucht da nach diesem Leben voller Sauberkeit. Pilatus versucht seine Hände in Unschuld zu waschen. Er will nichts zu tun haben mit dem Blut Christi. Menschen mit Waschzwang müssen sich zwanghaft die Hände oder den Körper waschen, um abzuwaschen, was sie Schreckliches erlebt haben.

Gerechtigkeit erhöht ein Volk. Es ist nicht das Waschmittel, welches das Volk erhöht. Gott erhöht das Volk. Er schenkt die Gerechtigkeit. Er sieht mich an mit meinem ganzen Dreck. Der Vater nimmt den Sohn, der in seinen lumpigen und schmutzigen Kleidern nach Hause kommt, in die Arme. Ohne Rücksicht darauf, dass er sich selbst dreckig machen könnte, umarmt Gott den verlorenen Sohn. Er nimmt mich mit meiner Selbstüberschätzung und meinen Selbstzweifeln in den Arm ohne Rücksicht darauf, dass ich es eigentlich nicht wert bin: Wasche mich rein von meiner Missetat und reinige mich von meiner Sünde (Ps 51,4), "sprich nur ein Wort, so wird meine Seele gesund". Wenn ich Gott um seine Hilfe bitte, dann akzeptiere ich, dass ich Gottes Hilfe brauche, um mich von meinem Dreck zu befreien. Dann stehe ich zu meinem Schmutz, verstecke meine Sünde nicht. Und nehme neues Leben aus Gottes Hand.

Amen.

Pfarrerin Dr. Alwine Slenczka
Sudetenstr. 5
34613 Schwalmstadt
a.slenczka@gmx.de

 


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