Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach

Vorletzter Sonntag des Kirchenjahres (Volkstrauertag), 13. November 2005
Predigt über Lukas 16, 1-9, verfasst von Thomas Bautz
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Sich Freunde machen mit dem ungerechten Mammon“(1) - und Geld macht doch glücklich!

Liebe Gemeinde!

Lukas läßt Jesus seinen Jüngern ein Gleichnis erzählen.
Gleichnisse sind ansprechende Texte. Die Beispielerzählung vom barmherzigen Samariter bringt auf eindrückliche Weise zur Sprache, was es heißt, einem anderen zum Nächsten zu werden.
Das Gleichnis von den hundert Schafen, von denen sich eins verirrt hat und dem der Hirte nachgeht, bis er es findet, weckt die Hoffnung, dass Gott die Menschen nicht allein und sich selbst überläßt. Oder das Gleichnis vom Senfkorn, das klein und unscheinbar ist und doch zugleich ahnen läßt, was aus ihm werden kann, wenn man es aufgehen und gedeihen läßt.

Jesus erzählt auch anstößige Gleichnisse, indem er dort Figuren erzählerisch einbaute, die den Zuhörern entweder suspekt erscheinen müssen, oder die landläufig ohnehin als Betrüger oder Gauner bekannt waren – z.B. Hirten, Prostituierte oder Zöllner.
Diesmal beginnt das Gleichnis scheinbar unverfänglich:

„Irgendein Mensch war reich, der hatte einen Vermögensverwalter – einen „Ökonom“.

Doch wird mit diesem Anfang bei den Jüngern und erst recht bei den späteren Lesern des Evangeliums nach Lukas die Aufmerksamkeit in eine bestimmte Richtung gelenkt. Denn die spannungsgeladene Beziehung von „reich“ und „arm“ bei Lukas bzw. die Art und Weise, wie Jesus das Verhältnis von Reichtum und Reich Gottes betrachtet, ist hinreichend bekannt.
„Ein Reicher“ – wer auch immer: Beruf, Alter, biographische Hintergründe sind unwichtig; er selbst spielt in diesem Gleichnis nur eine Nebenrolle. Im Mittelpunkt steht sein „Ökonom“, der einem berechtigten Korruptionsverdacht anheimfällt und daraufhin um seine fristlose Entlassung fürchtet. Eilends holt der Verwalter noch seine Kohle[n] aus dem Feuer, indem er die Schuldner seines Chefs insofern zufriedenstellt, als er ihnen den Zinssatz plus Versicherung der jeweiligen Waren pro anno erläßt. (2) Die Erwartung des korrupten Wirtschaftlers, von den Schuldnern später sozusagen mit offenen Armen empfangen zu werden, erscheint unrealistisch. Darauf kommt es offenbar auch nicht an, zumal der – ehemals betrügerisch verfahrende – Verwalter von seinem Chef wegen seines klugen Verhaltens prompt gelobt wird. Der Leser könnte vermuten, dass der Ökonom damit sogar rehabilitiert ist und ihm keine Entlassung mehr droht.
In jedem Fall will der Erzähler des Gleichnisses auf etwas Entscheidendes und jede gewohnte wirtschaftliche Gesetzmäßigkeit zunächst sprengendes Verhalten hinaus:

„Und ich sage euch: Schafft euch selbst Freunde mit dem ungerechten Mammon ...“.
Wir sollten nicht außer Acht lassen: Adressaten sind die Jünger – also die unmittelbare Gefolgschaft des Nazareners. Es geht um nicht mehr und nicht weniger als um die Nachfolge Jesu. Und – anstößig genug – in diesem Zusammenhang geht es um das Verhältnis zum Geld.

Jesus lobt das pragmatische Denken und Handeln des Verwalters: der Mann hat wenigstens Verstand und macht das Beste aus seiner Situation! – Der Mann aus Nazareth setzt noch einen drauf und erlaubt sich eine Schlussfolgerung, die absolut provozierend wirkt, wenn man sie bei Licht betrachtet:

„Überhaupt ist es doch so: Die Kinder dieser Welt(zeit)/ dieses Äons verhalten sich untereinander allemal klüger, als die Kinder des Lichts/ die Kinder Gottes [?] untereinander verfahren.“

Dieses Urteil oder diese Anschauung entspricht guter alttestamentlicher Tradition; man denke nur an die peinliche Geschichte, die von Abram [später Abraham genannt] erzählt wird, worin er seine eigene Frau dem Pharao gegenüber als Schwester ausgibt und dieser ihn später bloßstellt.(3)
Zwar fürchtete Abram um sein Leben, weil er meinte, die Ägypter würden ihm seine schöne Frau neiden und ihn deswegen beseitigen. Doch stellen Vernachlässigung und Gewalt nach biblischem Verständnis permanente Bedrohungen aller Arten von Liebe dar, so dass Abram sein eigenes Leben mehr „liebte“ als dasjenige seiner Frau. Man könnte ihn auch schlicht einen Feigling nennen. Jedenfalls handelt der Pharao – der offenbar den „Gott der Hebräer“ fürchtet – besonnen und gibt Abram und seiner Frau freies Geleit.

Aber noch ein Wort zur Klugheit im Sinne von Besonnenheit:

Gott läßt seine Sonne scheinen über Böse und Gute. Deshalb solle man nicht zu schnell urteilen.

Wer gilt dann als „Kind dieser Welt(zeit)“ und wer als „Kind des Lichts“? Woran mißt Jesus die Teilhaberschaft am Reich Gottes? – Denn darauf kommt es ja wohl in seiner Nachfolge an:
„Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, dann wird euch solches alles hinzu getan werden“ [Mt 6,33].

Doch wie schwer fällt es, im Leben nicht „nieder-trächtig“ zu werden, indem man das Geld – damals: das Silber – mehr liebt oder sogar geldgierig wird.
Pink Floyd kommt mit der Ausdruckskraft einer Rockband der Wahrheit sehr nahe:
Money is the root of all evil“ – nur ist es nicht unbedingt das Geld als solches, sondern der Umgang mit dem Geld bzw. wie wir uns zum Geld verhalten. Man sollte heute singen:
The love of moneyis the root of all evil.“ – „Die Liebe zum Geld ist die Wurzel alles Bösen“.

Habgier bedeutet den Ruin und letztlich sogar den Tod einer Gesellschaft. Mangelnde Solidarität, unverminderter Glaube [!] – wider alle Vernunft – an Wirtschaftswachstum, unrealistische Aus-blendung der demographischen Entwicklung in unserer Gesellschaft, Sparen am falschen Ende – vor allem aber die – spirituell gesehen – völlig unverständliche, nahezu verblendete Anschauung, durch materiellen Wohlstand allein dem Leben einen Sinn oder gar die Sinnerfüllung abringen zu können. Welch eine Illusion, welch ein gewaltiger Fetischismus! Ein Wort von Martin Luther wird gern zitiert: „Das woran du dein Herz hängst, das ist dein Götze.“

Günter Anders – ein Philosoph, der 15 Jahre lang seine Knochen als Fabrikarbeiter in USA geschunden hat –legt bereits 1947 in seinem zweibändigen Werk „Die Antiquiertheit des Menschen mit nachvollziehbaren Argumenten dar, wie wir Menschen in den westlichen Industrieländern längst Sklaven unserer eigenen, von uns geschaffenen Produkte geworden sind.
Das Christentum hat – bis auf die im Laufe seiner Geschichte immer wieder für jeweils kurze Zeit aufkeimenden Armutsbewegungen und seiner lobenswerten Beiträge im Sozialen und im Diakonischen – die Entwicklung eines immer einseitiger werdenden Kapitalismus und Mammonismus leider auch unterstützt, als das es seiner Salzfunktion gesellschaftlich konsequent nachgekommen wäre.

In der theologischen, wissenschaftlichen Bibelauslegung wird z.T. noch bis dato die Jesus-bewegung, wie sie in den Evangelien des Neuen Testaments durchschimmert, als „Wander-radikalismus“ bezeichnet. Manche Pfarrer sprechen verharmlosend vom „lieben Jesus“, und einige bekennen offen, wenn man sie zu ihrem Verhältnis zum Geld befragt: „Davon kann ich nicht genug haben.“ – Dabei bräuchten wir uns gar nicht zu „Radikalinskis“ aufschwingen. Wenn wir nur (wieder) lernten, ein wenig loszulassen und die Bereitschaft entwickelten, bescheidener zu leben; mehr solidarisches Bewusstsein und phantasievolles, hilfreiches Eintreten für andere entwickelten, dann wäre schon viel erreicht. Auf dem Rheinischen Pfarrertag am 07. November 2005 in Bonn warb ein Fachmann für ökonomische Fragen und Problemstellungen im Rahmen einer scharfsinnigen Analyse wieder für das Teilen in der Gesellschaft. (4)

Nun gestatten Sie bitte, dass ich einmal persönlich von mir rede: Ich bin selbst Pfarrer, und ich bekenne, dass ich mir auch – oft genug – Gedanken um die Existenzsicherung für meine Familie mache: Meine Frau studiert noch, und wir haben einen Säugling von ca. 10 Wochen. Ich habe zwar „nur“ einen Beschäftigungsauftrag mit 75% und werde vermutlich bis zu meiner Pensionierung keine Stelle mehr erhalten, um auf 100% zu kommen. Aber ich darf im Auftrag meiner Landeskirche als wissenschaftlicher Mitarbeiter etwas für die Praktische Theologie und auch für die Diakoniewissenschaft beitragen. Ich teile gern mein Wissen mit anderen, recherchiere für sie und empfehle weiterführende Literatur und leiste andere Hilfestellungen.
Mir steht eine bescheidene und warmherzige Frau zur Seite, die ursprünglich aus Georgien/ Kaukasus stammt. Dort weiß man, was Armut im wirtschaftlichen Sinne bedeutet. Ihre Geschwister z.B. finden dort keine Arbeit; sie bleiben trotzdem in ihrer Heimat. Die Eltern meiner Frau sind zwar Lehrer, haben aber kein garantiertes, regelmäßiges Einkommen. Wie gern würden wir ihnen besser helfen, als nur ab und zu etwas Geld zu schicken.
Aber dennoch sind wir glücklich und zufrieden. Wir freuen uns an unserem süßen kleinen Sohn; wir erfreuen uns an unserer gegenseitigen aufrichtigen, wenn auch immer wieder erkämpften Liebe. Aber so ist es eben im Leben: Niemandem wird etwas geschenkt, außer – und das ist zunächst das Höchste – dem Leben selbst. Und – liebe Gemeinde – wenn ich es recht bedenke, wird manchem doch vieles geschenkt: der Partner/ die Partnerin, ein Kind oder sogar mehrere, die Eltern und Großeltern, die wir uns auch nicht „aussuchen“ konnten – eben die Familie, in die wir hinein geboren wurden; dazu auch die Heimat, unsere Kultur, unsere Muttersprache, unsere Mitmenschen, unsere Religion; die Natur: die Tier- und Pflanzenwelt, die uns umgibt, so sehr wie sie schon eingedämmt, gezähmt und z.T. sogar zerstört, aber – Gott sei es gedankt – noch nicht endgültig bezwungen oder gar vernichtet haben; der Himmel über uns und das moralische Gesetz – das Gewissen – in uns. Und vieles andere mehr. Ist das alles „nichts“, verehrte Gemeinde?

Was zählt dagegen das Geld – der Mammon?! Wie oder womit wollen wir dem Schöpfer – gelobt sei sein unaussprechlicher Name – all das zurückzahlen, was er uns so großzügiger und weitherzigerweise geschenkt und geliehen hat? Ja, eine Leihgabe ist doch letztlich unser aller Leben.
Geliehen sind uns Partner und Kinder; Partner können uns verlassen; manchmal geschieht das sogar im Frieden und gegenseitigem Einvernehmen. Kinder werden selbst Erwachsen und gehen dann ihre eigenen Wege, und das ist gut so. Wenn ein Vertrauensverhältnis bestanden hat, werden wir sie nicht verlieren, sie werden sich uns weiterhin zugehörig fühlen – im weitesten Sinne; aber sie gehören uns nicht, sie waren nie unser Eigentum, – auch Ehepartner nicht.

Ernesto Cardenal schrieb einmal, nur Gott ließe sich wirklich besitzen; ja, er wolle von uns in Besitz genommen werden. Das meinte er natürlich spirituell: Nur Gott – wie Geistiges und Geistliches überhaupt – läßt sich derart verinnerlichen, dass niemand es Dir rauben kann.

Deshalb empfahl der Nazarener, dass wir uns „Schätze im Himmel“ sammeln sollen, und nicht – wie übrigens auch in einem Gleichnis warnend erzählt – wie der törichte Reiche alles (in der Scheune) anhäufen. Drastisch heißt es dort am Ende (auch bei Lukas):(5)

„Du Narr! Noch in dieser Nacht wird man dein Leben von dir zurückfordern. Wem wird dann all das gehören, was du angehäuft hast? So geht es jedem, der nur für sich selbst Schätze sammelt, aber vor Gott nicht reich ist.“

Man spricht oder sprach schon mal gelegentlich vom „schnöden Mammon“, aber das hört sich vergleichsweise harmlos an, wenn wir den gesamten Kontext bei Lukas oder auch nur das Kapitel 16, aus dem das gehörte/ gelesene Gleichnis stammt, vor Augen haben:

Es handelt sich um „die explosivsten Texte seines Evangeliums – ein Synthese über Ausbeutung, Wucher, Vergeudung, Ungerechtigkeit und Versklavung durch Reichtum und Güter“. Dabei geht es in der Hauptsache um die Entlarvung der Geldgier, und peinlicherweise nennt Lukas als einen Typus ausgerechnet denjenigen der „Pharisäer“, die er allerdings auch noch als selbstgerecht bezeichnet. (6)
Vielleicht erscheint es ein wenig übertrieben, aber gewissermaßen ließen sich doch einige Kriterien für eine alternative Wirtschaftsethik aus dem Evangelium nach Lukas ableiten.

In einer Gesellschaft, in der Geld zum Selbstzweck geworden ist, statt Mittel zum Zweck zu sein, brauchen wir verstärkt Menschen, die wieder bereit werden, Geld als Mittel zur Förderung und Unterstützung anderer, insbesondere der sog. Schwächeren einzusetzen. Ich spreche bewusst von sogenannten Schwächeren, weil mir die Maßstäbe für „stark“ und „schwach“ in unserer Gesellschaft allzu suspekt erscheinen.

Machen wir uns Freunde mit dem ungerechten Mammon. Und werden wir glücklich dabei! – Amen.

(1) Laut Perikopenbuch wie auch den Predigtstudien entsprechend gehört V. 9 fakultativ mit zur Perikope. – Wir bauen homiletisch auf eine praktische Exegese und stimmen der Auffassung zu, dass der Schwerpunkt in der Anwendung des Gleichnisses in V. 9 liegt; vgl. Hans-Hermann Hücking: Haushalter der guten Gaben Gottes. Lukas 16,1–8 (9). A, Predigtstudien. Perikopenreihe III. Zweiter Halbband (2005), 240–243: 241.

(2) Vgl. René Krüger: Gott oder Mammon. Das Lukasevangelium und die Ökonomie (1997), 21; Zitat bei Hücking: Predigtstudien. Perikopenreihe III. Zweiter Halbband (2005), 241, 243.

(3) Gen 12,10 -20: 13ff, 18ff.

(4) Cf. Meinhard Miegel: Epochenwende (2005); M. Miegel: Die deformierte Gesellschaft ( 42005), passim.

(5) Lk 12,13–21: 20f.

(6) Hücking: Predigtstudien (2005), 240.

Thomas Bautz


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