Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach

Reformationsfest, 31. Oktober 2005
Predigt über 1. Korinther 3,11, verfasst von Jan
Szarek (Polen)
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)


„Einen anderen Grund kann niemand legen als den, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus.“ (1. Kor 3,11).

Am heutigen Reformationstag wollen wir Gott gemeinsam danken für das Werk der Erneuerung, wir wollen auch Gottes Wort hören, das die einzige Quelle unseres Glaubens ist. Es hat heute die gleiche Kraft wie im 16 Jahrhundert, als Reformator Martin Luther lebte.

Vor Jahrhunderten hat das Wort Gottes aber nicht nur den Bruder Martin, sondern auch Ulrich Zwingli, Johann Calvin, John Wesley und viele andere angerührt. Man kann fast von einer „Wolke von Zeugen" sprechen, deren Erbe - das Werk der Erneuerung - wir hüten und schützen wollen.

Die großen Reformatoren des 16. Jahrhunderts waren von Gott berufen, um die Kirche seines Sohnes Jesus Christus zu erneuern.

Der Maler Lukas Cranach der Jüngere hat die Reformatoren als Weinleser im Weinberg, dem Symbol der Kirche, dargestellt, das Bild hängt heute in der Schlosskirche zu Wittenberg.

Am 31. Oktober gedenken wir vor allem Martin Luthers, der im Jahr 1517 seine 95 Thesen an die Tür der Schlosskirche in Wittenberg genagelt hatte. Sie haben die Reformation eingeleitet. Sein ganzes Leben lang, hat Martin Luther um die Erneuerung der Kirche gekämpft, und am Reformationstag wird sein Werk von den Evangelischen besonders geehrt.

Martin Luther war eine starke Persönlichkeit, ein hervorragender Theologe, ein guter Redner - kurz gesagt ein bedeutender Mann, der in die Geschichte ein gegangen ist.

Ist Martin Luther nur eine historische Gestalt? Oder hat sein Werk auch heute noch Gültigkeit? Was für eine Bedeutung hat die Reformation des 16 Jahrhunderts für die Christen von heute, und nicht nur für die Christen?

Martin Luther war auf der Suche nach dem Fundament und dem Sinn des Lebens. Er stellte lebenswichtige Fragen, die unabhängig waren von Zeit und Ort. Mit Verwunderung stellen wir fest, dass die Menschen auch noch heute, im 20. Jahrhundert, auf der Suche sind, im Dunkeln tappen und keine Antwort auf ihre Fragen finden . Was die Welt zu bieten hat, kann diesen Hunger nicht stillen und die Leere des Herzens nicht ausfüllen. Es gibt nämlich nur eine Antwort, und zu finden ist sie in der Heiligen Schrift. Sie heißt Jesus Christus.

Martin Luther und die Reformatoren haben die Bibel eingehend studiert. Sie haben festgestellt, dass der Mensch gar nicht suchen muss, weil er nämlich schon gefunden wurde, erlöst aus Gnade. Wer an Jesus Christus glaubt der uns mit Gott versöhnt hat durch seinen Kreuzestod- wird von der Strafe für seine Sünden befreit. Nur durch Christus können wir vor Gott bestehen.

Das ist die umwälzende Botschaft der Reformation. Luther hat in Gottes Wort die volle Wahrheit über den Menschen gefunden. Er hat erkannt, dass der Weg von jemandem, der Gott über die eigenen Leistungen und Verdienste sucht, ins Nichts führt. Diese Entdeckung hatte für Luther zur Folge, dass von da an einzig Christus das Glaubensfundament, das Ziel allen Strebens war. In Christus hatte er den Sinn seines Lebens gefunden.

Der Verkündigung des Evangeliums ordneten die Reformatoren alles andere unter, ihre Predigten, Kommentare, Vorträge, Briefe dienten der einen Wahrheit: Es gibt kein anderes Fundament des Glaubens außer dem einen, das schon gelegt ist - Jesus Christus.
Der Apostel Paulus hebt dies in seinem zitierten Brief besonders hervor.

Martin Luthers Leben wurde von Jesus Christus beherrscht. So hat ihn Lukas Cranach auf einem seiner Bilder dargestellt - auf der Kanzel stehend, mit der ausgestreckten Hand auf Christus, den gekreuzigten, als Quelle des Lebens weisend.

Wenn wir heute der Reformatoren und ihres Werkes gedenken, tun wir das im Bestreben, ihrem Beispiel zu folgen und der ganzen Welt, das Fundament unseres Seins, Sinn und Ziel unseres Lebens aufzuzeigen.

Fühlen evangelische, wir Erben der Reformation in uns die Kraft von Gottes Wort? Ist es noch das „allerheiligste Evangelium der wahre Schatz der Kirche“ /These 62/.

Sind wir noch bereit sein Wort zu verkünden und für ihn zu leiden? Sind wir - wie Luther, Calvin und Wesley - lebendige Zeugen des Evangeliums?

Ich fürchte, dazu fehlt uns der Mut. Wir haben Angst zu sagen, wer wir sind; wir leben in der Defensive, wir sprechen nicht von unserem Glauben, wir riegeln uns von unseren Kirchengemeinden ab; wie Schnecken verkriechen wir uns im Schneckenhaus. Wir sollten aber wissen, dass die Welt auf unser Zeugnis wartet. Wenn wir uns zurückhalten, ist es ebenso, als würden wir unserem Bruder die Quelle nicht zeigen, die wir in der Wüste gefunden haben. So dürfen wir nicht handeln.

Wir haben die lebensspendende Quelle gefunden. Wir wissen, dass sie das einzige ist, worauf wir uns verlassen können - Jesus Christus. Wir können zwar die Probleme der Welt nicht lösen, aber wir haben Jesus Christus; er ist unsere Hoffnung. Auf ihn vertrauen wir, denn er kennt das Schicksal dieser Welt. Er ist der Weg, die Wahrheit und das Leben. Mit Ihm können wir in dieser Welt Zeichen der Hoffnung setzen.

Oft fragen wir uns: Wie soll die Kirche unserer Zeit aussehen? Ist nicht eine neue Reformation nötig? Die Antwort darauf finden wir bei Luther, der von der Kirche gesagt hat, man erkenne sie nicht an Auserlichkeiten, sondern an zwei wichtigen Merkmalen:
Die Kirche glaube an Christus, und durch diesen Glauben werde sie erlöst.
Und das zweite - die Kirche ist demütig, sie schenke sich anderen und vergebe.
Diese Feststellung hat immer noch ihre Gültigkeit.

Vorbild und Erfahrungen der Reformatoren sowie anderer Glaubenszeugen können uns behilflich sein, Jesus nachzufolgen. Von ihnen können wir lernen, Zeugnis abzulegen in Wort und Tat. Das ist nötig, wenn die im 16. Jahrhundert entdeckte Wahrheit in jedes suchende Herz fallen soll. Darum sind die Worte des Apostels Petrus auch an uns, an die Erben der Reformation gerichtet:

„Heiligt den Herr Christus in euren Herzen. Seid allezeit bereit zur Verantwortung vor jedermann, der von euch Rechenschaft fordert über die Hoffnung, die in euch ist." (1. Petr3,15).

Die große Herausforderung für uns als Jünger Christi ist darin, die Gute Nachricht zu einer wichtigen Nachricht werden zu lassen, die das Leben der Menschen in der heutigen Welt verändert.

Bischof iR.
Jan Szarek
Ul.Starobielska 13
PL-43-300 Bielsko-Biała
j.szarek@luteranie.pl

 


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